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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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Gelbsucht hatte, und so viele andere Unreinigkeiten so im Reinen, daß ich sie mir weit eher auf dem Bocke als in der Kutsche selbst hätte denken können. Als ich ihr meine Verwunderung bezeigte, daß sie schon so früh zur Hand sey, sagte sie in ihrer kurzen Art: Schon den ganzen Morgen gearbeitet. Schreibe ein Buch über die Maschinenbaukunst für Frauenzimmer. Für Frauenzimmer? fragt' ich. Nun, sagte sie, bis dahin, daß die Frauen selber anfangen, Maschinen zu bauen, kann die Schrift wenigstens nützen, daß sie wissen, wie Maschinen gebaut werden. Darauf gab sie mir eine lange Erörterung über ihre Schrift zum Besten. Jch erschrack vor ihrer Gelehrsamkeit, hatte aber auf der Reise wenig Freude daran, ja, wie Sie noch hören werden, sie selbst nur Unglück. Jn jedem Dorfe, wo sich die Kutsche ruhte, verlor sie sich. Wenn die Fahrt weiter gehen sollte, so mußte sie gesucht werden. Sie lief nämlich in Bauerhöfe hinein und forschte nach Pflügen, Eggen, Säemaschinen, und hielt da, wo sie nicht die neuesten Fortschritte in der Verfertigung dieser Jnstrumente antraf, Vorlesungen aus ihrem Buche. Alle Augenblicke parlamentirte sie unterwegs mit dem Kutscher, daß sie aussteigen wolle. Der Kutscher fluchte und begriff nicht, was, mit Respekt zu sagen, das Frauenzimmer so oft abzusteigen hätte; allein sie konnte keinen Bauer seine Ochsen treiben und pflügen sehen, so mußte sie hinaus und dem Mann einen neuen Kunstgriff lehren. Die guten Leute dachten, das Weibsbild thät' es für Geld

Gelbsucht hatte, und so viele andere Unreinigkeiten so im Reinen, daß ich sie mir weit eher auf dem Bocke als in der Kutsche selbst hätte denken können. Als ich ihr meine Verwunderung bezeigte, daß sie schon so früh zur Hand sey, sagte sie in ihrer kurzen Art: Schon den ganzen Morgen gearbeitet. Schreibe ein Buch über die Maschinenbaukunst für Frauenzimmer. Für Frauenzimmer? fragt’ ich. Nun, sagte sie, bis dahin, daß die Frauen selber anfangen, Maschinen zu bauen, kann die Schrift wenigstens nützen, daß sie wissen, wie Maschinen gebaut werden. Darauf gab sie mir eine lange Erörterung über ihre Schrift zum Besten. Jch erschrack vor ihrer Gelehrsamkeit, hatte aber auf der Reise wenig Freude daran, ja, wie Sie noch hören werden, sie selbst nur Unglück. Jn jedem Dorfe, wo sich die Kutsche ruhte, verlor sie sich. Wenn die Fahrt weiter gehen sollte, so mußte sie gesucht werden. Sie lief nämlich in Bauerhöfe hinein und forschte nach Pflügen, Eggen, Säemaschinen, und hielt da, wo sie nicht die neuesten Fortschritte in der Verfertigung dieser Jnstrumente antraf, Vorlesungen aus ihrem Buche. Alle Augenblicke parlamentirte sie unterwegs mit dem Kutscher, daß sie aussteigen wolle. Der Kutscher fluchte und begriff nicht, was, mit Respekt zu sagen, das Frauenzimmer so oft abzusteigen hätte; allein sie konnte keinen Bauer seine Ochsen treiben und pflügen sehen, so mußte sie hinaus und dem Mann einen neuen Kunstgriff lehren. Die guten Leute dachten, das Weibsbild thät’ es für Geld

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Gelbsucht hatte, und so viele andere Unreinigkeiten so im Reinen, daß ich sie mir weit eher auf dem Bocke als in der Kutsche selbst hätte denken können. Als ich ihr meine Verwunderung bezeigte, daß sie schon so früh zur Hand sey, sagte sie in ihrer kurzen Art: Schon den ganzen Morgen gearbeitet. Schreibe ein Buch über die Maschinenbaukunst für Frauenzimmer. Für Frauenzimmer? fragt&#x2019; ich. Nun, sagte sie, bis dahin, daß die Frauen selber anfangen, Maschinen zu bauen, kann die Schrift wenigstens nützen, daß sie wissen, wie Maschinen gebaut werden. Darauf gab sie mir eine lange Erörterung über ihre Schrift zum Besten. Jch erschrack vor ihrer Gelehrsamkeit, hatte aber auf der Reise wenig Freude daran, ja, wie Sie noch hören werden, sie selbst nur Unglück. Jn jedem Dorfe, wo sich die Kutsche ruhte, verlor sie sich. Wenn die Fahrt weiter gehen sollte, so mußte sie gesucht werden. Sie lief nämlich in Bauerhöfe hinein und forschte nach Pflügen, Eggen, Säemaschinen, und hielt da, wo sie nicht die neuesten Fortschritte in der Verfertigung dieser Jnstrumente antraf, Vorlesungen aus ihrem Buche. Alle Augenblicke parlamentirte sie unterwegs mit dem Kutscher, daß sie aussteigen wolle. Der Kutscher fluchte und begriff nicht, was, mit Respekt zu sagen, das Frauenzimmer so oft abzusteigen hätte; allein sie konnte keinen Bauer seine Ochsen treiben und pflügen sehen, so mußte sie hinaus und dem Mann einen neuen Kunstgriff lehren. Die guten Leute dachten, das Weibsbild thät&#x2019; es für Geld
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[421/0449] Gelbsucht hatte, und so viele andere Unreinigkeiten so im Reinen, daß ich sie mir weit eher auf dem Bocke als in der Kutsche selbst hätte denken können. Als ich ihr meine Verwunderung bezeigte, daß sie schon so früh zur Hand sey, sagte sie in ihrer kurzen Art: Schon den ganzen Morgen gearbeitet. Schreibe ein Buch über die Maschinenbaukunst für Frauenzimmer. Für Frauenzimmer? fragt’ ich. Nun, sagte sie, bis dahin, daß die Frauen selber anfangen, Maschinen zu bauen, kann die Schrift wenigstens nützen, daß sie wissen, wie Maschinen gebaut werden. Darauf gab sie mir eine lange Erörterung über ihre Schrift zum Besten. Jch erschrack vor ihrer Gelehrsamkeit, hatte aber auf der Reise wenig Freude daran, ja, wie Sie noch hören werden, sie selbst nur Unglück. Jn jedem Dorfe, wo sich die Kutsche ruhte, verlor sie sich. Wenn die Fahrt weiter gehen sollte, so mußte sie gesucht werden. Sie lief nämlich in Bauerhöfe hinein und forschte nach Pflügen, Eggen, Säemaschinen, und hielt da, wo sie nicht die neuesten Fortschritte in der Verfertigung dieser Jnstrumente antraf, Vorlesungen aus ihrem Buche. Alle Augenblicke parlamentirte sie unterwegs mit dem Kutscher, daß sie aussteigen wolle. Der Kutscher fluchte und begriff nicht, was, mit Respekt zu sagen, das Frauenzimmer so oft abzusteigen hätte; allein sie konnte keinen Bauer seine Ochsen treiben und pflügen sehen, so mußte sie hinaus und dem Mann einen neuen Kunstgriff lehren. Die guten Leute dachten, das Weibsbild thät’ es für Geld

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/449>, abgerufen am 10.06.2024.