Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.aufschießen zu lassen, verzweifeln? Wirken läßt sich nur darauf, daß auch wir aus der Kraft, die in uns wohnt, etwas unser Gefühl zufrieden Stellendes erzeugen; wer nichts aus sich selbst zu treiben vermag, der lasse den Samen der überlieferten Dogmen auf sich fallen und thu' es ihnen nach; da soll kein Spott Statt finden, wenn hie und da die Gegenwart noch so glaubt, wie die Vergangenheit geglaubt hat, aber auch keine Verketzerung, wenn das religiöse Gefühl sich in neuen Gebilden ausspricht; nur gegen die soll man kämpfen, welche ganz brach liegen und die Religion bloß zu einer Berechnung des Staats und der Ordnung machen wollen oder die wohl gar keine andere Jnnerlichkeit haben, als einen kalten, gleichgültigen und verneinenden Verstand. Die Verdienste, welche sich England um die Ausbildung der Theologie erworben hat, mögen in seinen eigenen Augen sehr hoch stehen, desto niedriger aber in denen des Philosophen. Wenn man Bücher lesen will, welche das Christenthum mit Sätzen vertheidigten, die alle petitiones principii sind, mit Voraussetzungen, die selbst unbewiesen genug dastehen, so greife man nach den Schriften der englischen Theologie! Die christliche Polemik und Apologetik ist nirgends so ausgebildet, wie in ihnen; allein die Beweise gehen immer im Zirkel. Naturalisten, Freidenker, Nachkommen des Celsus, sind von unsern Origines massenweise bestritten worden und der Ernst, womit aufschießen zu lassen, verzweifeln? Wirken läßt sich nur darauf, daß auch wir aus der Kraft, die in uns wohnt, etwas unser Gefühl zufrieden Stellendes erzeugen; wer nichts aus sich selbst zu treiben vermag, der lasse den Samen der überlieferten Dogmen auf sich fallen und thu’ es ihnen nach; da soll kein Spott Statt finden, wenn hie und da die Gegenwart noch so glaubt, wie die Vergangenheit geglaubt hat, aber auch keine Verketzerung, wenn das religiöse Gefühl sich in neuen Gebilden ausspricht; nur gegen die soll man kämpfen, welche ganz brach liegen und die Religion bloß zu einer Berechnung des Staats und der Ordnung machen wollen oder die wohl gar keine andere Jnnerlichkeit haben, als einen kalten, gleichgültigen und verneinenden Verstand. Die Verdienste, welche sich England um die Ausbildung der Theologie erworben hat, mögen in seinen eigenen Augen sehr hoch stehen, desto niedriger aber in denen des Philosophen. Wenn man Bücher lesen will, welche das Christenthum mit Sätzen vertheidigten, die alle petitiones principii sind, mit Voraussetzungen, die selbst unbewiesen genug dastehen, so greife man nach den Schriften der englischen Theologie! Die christliche Polemik und Apologetik ist nirgends so ausgebildet, wie in ihnen; allein die Beweise gehen immer im Zirkel. Naturalisten, Freidenker, Nachkommen des Celsus, sind von unsern Origines massenweise bestritten worden und der Ernst, womit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0168" n="166"/> aufschießen zu lassen, verzweifeln? Wirken läßt sich nur darauf, daß auch wir aus der Kraft, die in uns wohnt, etwas unser Gefühl zufrieden Stellendes erzeugen; wer nichts aus sich selbst zu treiben vermag, der lasse den Samen der <hi rendition="#g">überlieferten</hi> Dogmen auf sich fallen und thu’ es ihnen nach; da soll kein Spott Statt finden, wenn hie und da die Gegenwart noch so glaubt, wie die Vergangenheit geglaubt hat, aber auch keine Verketzerung, wenn das religiöse Gefühl sich in neuen Gebilden ausspricht; nur gegen die soll man kämpfen, welche ganz brach liegen und die Religion bloß zu einer Berechnung des Staats und der Ordnung machen wollen oder die wohl gar keine andere Jnnerlichkeit haben, als einen kalten, gleichgültigen und verneinenden Verstand.</p> <p>Die Verdienste, welche sich England um die Ausbildung der Theologie erworben hat, mögen in seinen eigenen Augen sehr hoch stehen, desto niedriger aber in denen des Philosophen. Wenn man Bücher lesen will, welche das Christenthum mit Sätzen vertheidigten, die alle <hi rendition="#aq">petitiones principii</hi> sind, mit Voraussetzungen, die selbst unbewiesen genug dastehen, so greife man nach den Schriften der englischen Theologie! Die christliche Polemik und Apologetik ist nirgends so ausgebildet, wie in ihnen; allein die Beweise gehen immer im Zirkel. Naturalisten, Freidenker, Nachkommen des <hi rendition="#g">Celsus</hi>, sind von unsern <hi rendition="#g">Origines</hi> massenweise bestritten worden und der Ernst, womit </p> </div> </body> </text> </TEI> [166/0168]
aufschießen zu lassen, verzweifeln? Wirken läßt sich nur darauf, daß auch wir aus der Kraft, die in uns wohnt, etwas unser Gefühl zufrieden Stellendes erzeugen; wer nichts aus sich selbst zu treiben vermag, der lasse den Samen der überlieferten Dogmen auf sich fallen und thu’ es ihnen nach; da soll kein Spott Statt finden, wenn hie und da die Gegenwart noch so glaubt, wie die Vergangenheit geglaubt hat, aber auch keine Verketzerung, wenn das religiöse Gefühl sich in neuen Gebilden ausspricht; nur gegen die soll man kämpfen, welche ganz brach liegen und die Religion bloß zu einer Berechnung des Staats und der Ordnung machen wollen oder die wohl gar keine andere Jnnerlichkeit haben, als einen kalten, gleichgültigen und verneinenden Verstand.
Die Verdienste, welche sich England um die Ausbildung der Theologie erworben hat, mögen in seinen eigenen Augen sehr hoch stehen, desto niedriger aber in denen des Philosophen. Wenn man Bücher lesen will, welche das Christenthum mit Sätzen vertheidigten, die alle petitiones principii sind, mit Voraussetzungen, die selbst unbewiesen genug dastehen, so greife man nach den Schriften der englischen Theologie! Die christliche Polemik und Apologetik ist nirgends so ausgebildet, wie in ihnen; allein die Beweise gehen immer im Zirkel. Naturalisten, Freidenker, Nachkommen des Celsus, sind von unsern Origines massenweise bestritten worden und der Ernst, womit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |