Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Mäntel und die Haarnetze oder die bunten Stiefel mit den schnurreichen Dollmans bald verloren seyn. Je mehr sich nach unten die Bildung verbreitet, desto mehr suchen die Menschen ihre Auszeichnung in geistigen Dingen. Der Reichthum, falls es wahr wäre, daß er sich auch nach unten hin verbreitet (was ich aber von der jetzigen Zeit läugne, da im Gegentheil der Reichthum bei den vielen bedenklichen Krisen, in welchen wir leben, stationär geworden ist und in den Händen derer bleibt, die ihn einmal haben), ich sage, daß wenn der Reichthum sich nach unten hin verbreitete, so würde die französische und englische Tracht, man kann wohl sagen, diese Tracht der Verstandesabstraktion, sich von selbst überall Bahn brechen. Wo Armuth herrscht, kann aber auch die Volkstracht nicht sinnig gepflegt werden, weil einmal die Armen mit den Lumpen der Reichen sich bedecken und sodann die Volkstracht theuer ist, und man doch jenen großen Mantel, welchen die Lazzaroni um ihren nackten Körper schlagen, nicht gerade Volkstracht nennen kann. Ueber alle Verhältnisse ist die Ueberschwemmung des Nivellements getreten. Das Charakteristische und Auffallende, die grellen Farben und Töne verlieren sich aus der Musik der Sitten, und der größte Theil jener Trachten, welche wir bei den Kunsthändlern ausgehängt finden und die wir für national in Jtalien, Polen, der Schweiz und Deutschland halten, gehören einer Mäntel und die Haarnetze oder die bunten Stiefel mit den schnurreichen Dollmans bald verloren seyn. Je mehr sich nach unten die Bildung verbreitet, desto mehr suchen die Menschen ihre Auszeichnung in geistigen Dingen. Der Reichthum, falls es wahr wäre, daß er sich auch nach unten hin verbreitet (was ich aber von der jetzigen Zeit läugne, da im Gegentheil der Reichthum bei den vielen bedenklichen Krisen, in welchen wir leben, stationär geworden ist und in den Händen derer bleibt, die ihn einmal haben), ich sage, daß wenn der Reichthum sich nach unten hin verbreitete, so würde die französische und englische Tracht, man kann wohl sagen, diese Tracht der Verstandesabstraktion, sich von selbst überall Bahn brechen. Wo Armuth herrscht, kann aber auch die Volkstracht nicht sinnig gepflegt werden, weil einmal die Armen mit den Lumpen der Reichen sich bedecken und sodann die Volkstracht theuer ist, und man doch jenen großen Mantel, welchen die Lazzaroni um ihren nackten Körper schlagen, nicht gerade Volkstracht nennen kann. Ueber alle Verhältnisse ist die Ueberschwemmung des Nivellements getreten. Das Charakteristische und Auffallende, die grellen Farben und Töne verlieren sich aus der Musik der Sitten, und der größte Theil jener Trachten, welche wir bei den Kunsthändlern ausgehängt finden und die wir für national in Jtalien, Polen, der Schweiz und Deutschland halten, gehören einer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0029" n="27"/> Mäntel und die Haarnetze oder die bunten Stiefel mit den schnurreichen Dollmans bald verloren seyn. Je mehr sich nach unten die Bildung verbreitet, desto mehr suchen die Menschen ihre Auszeichnung in <hi rendition="#g">geistigen</hi> Dingen. Der Reichthum, falls es wahr wäre, daß er sich auch nach unten hin verbreitet (was ich aber von der jetzigen Zeit läugne, da im Gegentheil der Reichthum bei den vielen bedenklichen Krisen, in welchen wir leben, stationär geworden ist und in den Händen derer bleibt, die ihn einmal haben), ich sage, daß wenn der Reichthum sich nach unten hin verbreitete, so würde die französische und englische Tracht, man kann wohl sagen, diese Tracht der Verstandesabstraktion, sich von selbst überall Bahn brechen. Wo Armuth herrscht, kann aber auch die Volkstracht nicht sinnig gepflegt werden, weil einmal die Armen mit den Lumpen der Reichen sich bedecken und sodann die Volkstracht theuer ist, und man doch jenen großen Mantel, welchen die Lazzaroni um ihren nackten Körper schlagen, nicht gerade Volkstracht nennen kann. Ueber alle Verhältnisse ist die Ueberschwemmung des Nivellements getreten. Das Charakteristische und Auffallende, die grellen Farben und Töne verlieren sich aus der Musik der Sitten, und der größte Theil jener Trachten, welche wir bei den Kunsthändlern ausgehängt finden und die wir für national in Jtalien, Polen, der Schweiz und Deutschland halten, gehören einer </p> </div> </body> </text> </TEI> [27/0029]
Mäntel und die Haarnetze oder die bunten Stiefel mit den schnurreichen Dollmans bald verloren seyn. Je mehr sich nach unten die Bildung verbreitet, desto mehr suchen die Menschen ihre Auszeichnung in geistigen Dingen. Der Reichthum, falls es wahr wäre, daß er sich auch nach unten hin verbreitet (was ich aber von der jetzigen Zeit läugne, da im Gegentheil der Reichthum bei den vielen bedenklichen Krisen, in welchen wir leben, stationär geworden ist und in den Händen derer bleibt, die ihn einmal haben), ich sage, daß wenn der Reichthum sich nach unten hin verbreitete, so würde die französische und englische Tracht, man kann wohl sagen, diese Tracht der Verstandesabstraktion, sich von selbst überall Bahn brechen. Wo Armuth herrscht, kann aber auch die Volkstracht nicht sinnig gepflegt werden, weil einmal die Armen mit den Lumpen der Reichen sich bedecken und sodann die Volkstracht theuer ist, und man doch jenen großen Mantel, welchen die Lazzaroni um ihren nackten Körper schlagen, nicht gerade Volkstracht nennen kann. Ueber alle Verhältnisse ist die Ueberschwemmung des Nivellements getreten. Das Charakteristische und Auffallende, die grellen Farben und Töne verlieren sich aus der Musik der Sitten, und der größte Theil jener Trachten, welche wir bei den Kunsthändlern ausgehängt finden und die wir für national in Jtalien, Polen, der Schweiz und Deutschland halten, gehören einer
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