Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.So sollen denn auch jedenfalls die kleinen Portionen der Homöopathie nur dazu dienen, den Krankheiten in ihrem Laufe zu begegnen, sie zwar nicht mit mächtiger Gewalt zurückzuschleudern, wohl aber so lange zu hemmen, das heißt: nur einfach zu bestimmen, zu modifiziren, bis die schlummernde Heilkraft die Krankheit eingeholt und überflügelt hat. So haben also die Heilmittel der Homöopathie auch keine positive Kraft, sondern nur eine negative, indem sie selbst nichts wirken, als eine noch stärkere und mächtigere Wirkung, nämlich die Reaktion der Natur. Jst es im Moralischen nicht ganz dieselbe Erscheinung, die man in der Erziehung anwenden könnte, wenn nicht die Handlungen der Menschen auf Ueberzeugung, Lehre und Urtheil gegründet seyn sollten! Mag es einen unverwüstlichen Trieb zum Bösen geben, es gibt aber auch, wenigstens in der gesitteten Welt, einen unverwüstlichen Trieb zum Guten. Braucht man in der Erziehung mehr, als dem Laster das Bild seiner selbst vorzuhalten, um es zur Tugend zurückzuführen? Jst das böse Beispiel nicht oft vom Bösen abschreckender, als das Gute? Und bedarf es bei natürlich unverdorbenen Menschen wohl oft mehr, um sie zum Guten zurückzuführen, als ihnen die Konsequenzen des Bösen zu zeigen; und weil gerade die Homöopathie somit einzig und allein nur auf die Heilkraft der Natur gegründet ist, so mußte sie diese auch auf jede Art zu heben und zu beleben suchen; sie So sollen denn auch jedenfalls die kleinen Portionen der Homöopathie nur dazu dienen, den Krankheiten in ihrem Laufe zu begegnen, sie zwar nicht mit mächtiger Gewalt zurückzuschleudern, wohl aber so lange zu hemmen, das heißt: nur einfach zu bestimmen, zu modifiziren, bis die schlummernde Heilkraft die Krankheit eingeholt und überflügelt hat. So haben also die Heilmittel der Homöopathie auch keine positive Kraft, sondern nur eine negative, indem sie selbst nichts wirken, als eine noch stärkere und mächtigere Wirkung, nämlich die Reaktion der Natur. Jst es im Moralischen nicht ganz dieselbe Erscheinung, die man in der Erziehung anwenden könnte, wenn nicht die Handlungen der Menschen auf Ueberzeugung, Lehre und Urtheil gegründet seyn sollten! Mag es einen unverwüstlichen Trieb zum Bösen geben, es gibt aber auch, wenigstens in der gesitteten Welt, einen unverwüstlichen Trieb zum Guten. Braucht man in der Erziehung mehr, als dem Laster das Bild seiner selbst vorzuhalten, um es zur Tugend zurückzuführen? Jst das böse Beispiel nicht oft vom Bösen abschreckender, als das Gute? Und bedarf es bei natürlich unverdorbenen Menschen wohl oft mehr, um sie zum Guten zurückzuführen, als ihnen die Konsequenzen des Bösen zu zeigen; und weil gerade die Homöopathie somit einzig und allein nur auf die Heilkraft der Natur gegründet ist, so mußte sie diese auch auf jede Art zu heben und zu beleben suchen; sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0339" n="337"/> <p> So sollen denn auch jedenfalls die kleinen Portionen der Homöopathie nur dazu dienen, den Krankheiten in ihrem Laufe zu begegnen, sie zwar nicht mit mächtiger Gewalt zurückzuschleudern, wohl aber so lange zu hemmen, das heißt: nur einfach zu bestimmen, zu modifiziren, bis die schlummernde Heilkraft die Krankheit eingeholt und überflügelt hat. So haben also die Heilmittel der Homöopathie auch keine positive Kraft, sondern nur eine negative, indem sie selbst nichts wirken, als eine noch stärkere und mächtigere Wirkung, nämlich die Reaktion der Natur. Jst es im Moralischen nicht ganz dieselbe Erscheinung, die man in der Erziehung anwenden könnte, wenn nicht die Handlungen der Menschen auf Ueberzeugung, Lehre und Urtheil gegründet seyn sollten! Mag es einen unverwüstlichen Trieb zum Bösen geben, es gibt aber auch, wenigstens in der gesitteten Welt, einen unverwüstlichen Trieb zum Guten. Braucht man in der Erziehung mehr, als dem Laster das Bild seiner selbst vorzuhalten, um es zur Tugend zurückzuführen? Jst das böse Beispiel nicht oft vom Bösen abschreckender, als das Gute? Und bedarf es bei natürlich unverdorbenen Menschen wohl oft mehr, um sie zum Guten zurückzuführen, als ihnen die Konsequenzen des Bösen zu zeigen; und weil gerade die Homöopathie somit einzig und allein nur auf die Heilkraft der Natur gegründet ist, so mußte sie diese auch auf jede Art zu heben und zu beleben suchen; sie </p> </div> </body> </text> </TEI> [337/0339]
So sollen denn auch jedenfalls die kleinen Portionen der Homöopathie nur dazu dienen, den Krankheiten in ihrem Laufe zu begegnen, sie zwar nicht mit mächtiger Gewalt zurückzuschleudern, wohl aber so lange zu hemmen, das heißt: nur einfach zu bestimmen, zu modifiziren, bis die schlummernde Heilkraft die Krankheit eingeholt und überflügelt hat. So haben also die Heilmittel der Homöopathie auch keine positive Kraft, sondern nur eine negative, indem sie selbst nichts wirken, als eine noch stärkere und mächtigere Wirkung, nämlich die Reaktion der Natur. Jst es im Moralischen nicht ganz dieselbe Erscheinung, die man in der Erziehung anwenden könnte, wenn nicht die Handlungen der Menschen auf Ueberzeugung, Lehre und Urtheil gegründet seyn sollten! Mag es einen unverwüstlichen Trieb zum Bösen geben, es gibt aber auch, wenigstens in der gesitteten Welt, einen unverwüstlichen Trieb zum Guten. Braucht man in der Erziehung mehr, als dem Laster das Bild seiner selbst vorzuhalten, um es zur Tugend zurückzuführen? Jst das böse Beispiel nicht oft vom Bösen abschreckender, als das Gute? Und bedarf es bei natürlich unverdorbenen Menschen wohl oft mehr, um sie zum Guten zurückzuführen, als ihnen die Konsequenzen des Bösen zu zeigen; und weil gerade die Homöopathie somit einzig und allein nur auf die Heilkraft der Natur gegründet ist, so mußte sie diese auch auf jede Art zu heben und zu beleben suchen; sie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-09-13T12:39:16Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |