Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.mußte sie von den Einflüssen einer unmäßigen Lebensweise befreien, mußte Speis und Trank den Gesetzen der strengsten Diätetik unterwerfen und alles zu verhüten suchen, was die heilende Nähe der Natur verschleiert und zurückhält. Diese homöopathische Diät aber ist die einzige Seite des Systems, die bis jezt erst allein nur Glauben gefunden hat. Diese rühmt man, als wenn die Homöopathie einzig und allein auf den frivolen Satz begründet wäre, daß man sich als Kranker mäßig halten müsse! Es ist eben so, als wenn man an einem philosophischen Systeme bloß die schöne Konsequenz oder an dem Christenthume die schöne Moral als etwas so Neues und Treffliches zu schätzen erbötig ist! Was aus der Homöopathie werden wird, mag die Zukunft wissen. Jhr Schicksal wird wahrscheinlich von irgend einer neuauftauchenden Krankheit abhängen, welche sie vielleicht nur allein zu heilen im Stande wäre. Leider hat sie sich an der geheimnißvollen Cholera nicht bewähren können, denn dies ist gerade eine Krankheit, die in ihrem heftigen krampfhaften Charakter ganz mit dem gewaltsamen Charakter der herrschenden Heilmittellehre zusammenzuhängen scheint, wiewohl heftige Medikamente im Stande sind, einen Ueberreiz zu erzeugen, der sich kaum wieder bewältigen läßt. Nach diesen fragmentarischen und von einem Laien kommenden Bemerkungen über den gegenwärtigen Zustand der Naturwissenschaften steigen wir zum mußte sie von den Einflüssen einer unmäßigen Lebensweise befreien, mußte Speis und Trank den Gesetzen der strengsten Diätetik unterwerfen und alles zu verhüten suchen, was die heilende Nähe der Natur verschleiert und zurückhält. Diese homöopathische Diät aber ist die einzige Seite des Systems, die bis jezt erst allein nur Glauben gefunden hat. Diese rühmt man, als wenn die Homöopathie einzig und allein auf den frivolen Satz begründet wäre, daß man sich als Kranker mäßig halten müsse! Es ist eben so, als wenn man an einem philosophischen Systeme bloß die schöne Konsequenz oder an dem Christenthume die schöne Moral als etwas so Neues und Treffliches zu schätzen erbötig ist! Was aus der Homöopathie werden wird, mag die Zukunft wissen. Jhr Schicksal wird wahrscheinlich von irgend einer neuauftauchenden Krankheit abhängen, welche sie vielleicht nur allein zu heilen im Stande wäre. Leider hat sie sich an der geheimnißvollen Cholera nicht bewähren können, denn dies ist gerade eine Krankheit, die in ihrem heftigen krampfhaften Charakter ganz mit dem gewaltsamen Charakter der herrschenden Heilmittellehre zusammenzuhängen scheint, wiewohl heftige Medikamente im Stande sind, einen Ueberreiz zu erzeugen, der sich kaum wieder bewältigen läßt. Nach diesen fragmentarischen und von einem Laien kommenden Bemerkungen über den gegenwärtigen Zustand der Naturwissenschaften steigen wir zum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0340" n="338"/> mußte sie von den Einflüssen einer unmäßigen Lebensweise befreien, mußte Speis und Trank den Gesetzen der strengsten Diätetik unterwerfen und alles zu verhüten suchen, was die heilende Nähe der Natur verschleiert und zurückhält. Diese homöopathische Diät aber ist die einzige Seite des Systems, die bis jezt erst allein nur Glauben gefunden hat. Diese rühmt man, als wenn die Homöopathie einzig und allein auf den frivolen Satz begründet wäre, daß man sich als Kranker mäßig halten müsse! Es ist eben so, als wenn man an einem philosophischen Systeme bloß die schöne Konsequenz oder an dem Christenthume die schöne Moral als etwas so Neues und Treffliches zu schätzen erbötig ist! Was aus der Homöopathie werden wird, mag die Zukunft wissen. Jhr Schicksal wird wahrscheinlich von irgend einer neuauftauchenden Krankheit abhängen, welche sie vielleicht nur allein zu heilen im Stande wäre. Leider hat sie sich an der geheimnißvollen Cholera nicht bewähren können, denn dies ist gerade eine Krankheit, die in ihrem heftigen krampfhaften Charakter ganz mit dem gewaltsamen Charakter der herrschenden Heilmittellehre zusammenzuhängen scheint, wiewohl heftige Medikamente im Stande sind, einen Ueberreiz zu erzeugen, der sich kaum wieder bewältigen läßt.</p> <p>Nach diesen fragmentarischen und von einem Laien kommenden Bemerkungen über den gegenwärtigen Zustand der Naturwissenschaften steigen wir zum </p> </div> </body> </text> </TEI> [338/0340]
mußte sie von den Einflüssen einer unmäßigen Lebensweise befreien, mußte Speis und Trank den Gesetzen der strengsten Diätetik unterwerfen und alles zu verhüten suchen, was die heilende Nähe der Natur verschleiert und zurückhält. Diese homöopathische Diät aber ist die einzige Seite des Systems, die bis jezt erst allein nur Glauben gefunden hat. Diese rühmt man, als wenn die Homöopathie einzig und allein auf den frivolen Satz begründet wäre, daß man sich als Kranker mäßig halten müsse! Es ist eben so, als wenn man an einem philosophischen Systeme bloß die schöne Konsequenz oder an dem Christenthume die schöne Moral als etwas so Neues und Treffliches zu schätzen erbötig ist! Was aus der Homöopathie werden wird, mag die Zukunft wissen. Jhr Schicksal wird wahrscheinlich von irgend einer neuauftauchenden Krankheit abhängen, welche sie vielleicht nur allein zu heilen im Stande wäre. Leider hat sie sich an der geheimnißvollen Cholera nicht bewähren können, denn dies ist gerade eine Krankheit, die in ihrem heftigen krampfhaften Charakter ganz mit dem gewaltsamen Charakter der herrschenden Heilmittellehre zusammenzuhängen scheint, wiewohl heftige Medikamente im Stande sind, einen Ueberreiz zu erzeugen, der sich kaum wieder bewältigen läßt.
Nach diesen fragmentarischen und von einem Laien kommenden Bemerkungen über den gegenwärtigen Zustand der Naturwissenschaften steigen wir zum
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/340 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/340>, abgerufen am 16.07.2024. |