Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Resultat des Kampfes, sondern die sich gegenüberstehenden Kräfte, nicht der Sieg der Einen und die Niederlage der Andern entscheidet, sondern der Jnbegriff von Kräften, der zum Kampfe auftreten, hier angreifen und dort Widerstand leisten konnte. Es ist Zeit, den Gesichtspunkt aller politischen Betrachtungen nachgerade nur innerhalb der Historie zu nehmen, weniger von Parteien und Systemen zu sprechen, als von Völkern, Nationalinteressen und jenen allgemeinen Jndividualitätsbezügen, welche noch jedem Jahrhundert seinen eigenthümlichen Charakter gegeben haben. Nicht Discussionen dieser oder jener symbolischen Formel, nicht die Erbitterung der zu verschiedenen Glaubensfahnen schwörenden Völker und Parteien, wo sich immer Nationales oder sonstige Antipathien in den Haß mischten, entscheiden zum Beispiel über das Wesen des sechzehnten Jahrhunderts, sondern jenes allgemeine Jnteresse eines endlich zur Entscheidung kommenden Kampfes zwischen Licht und Finsterniß, so daß man bei der Reformation, um nur von dieser zu sprechen, weit weniger auf den sehen muß, welcher sie machte, als auf die, welche sie vorbereiteten, und wieder auf die, welche ihre Fortschritte begünstigten, ohne sich für das Schiboleth des Tages auszusprechen. Jn einer ähnlichen allgemeinen Betrachtung unserer Zeit, in einem Gesichtspunkt, der historisch ergriffen ist, liegt gegenwärtig nur noch die Möglichkeit, die Zeitgenossen über Vergangenheit und Zukunft

Resultat des Kampfes, sondern die sich gegenüberstehenden Kräfte, nicht der Sieg der Einen und die Niederlage der Andern entscheidet, sondern der Jnbegriff von Kräften, der zum Kampfe auftreten, hier angreifen und dort Widerstand leisten konnte. Es ist Zeit, den Gesichtspunkt aller politischen Betrachtungen nachgerade nur innerhalb der Historie zu nehmen, weniger von Parteien und Systemen zu sprechen, als von Völkern, Nationalinteressen und jenen allgemeinen Jndividualitätsbezügen, welche noch jedem Jahrhundert seinen eigenthümlichen Charakter gegeben haben. Nicht Discussionen dieser oder jener symbolischen Formel, nicht die Erbitterung der zu verschiedenen Glaubensfahnen schwörenden Völker und Parteien, wo sich immer Nationales oder sonstige Antipathien in den Haß mischten, entscheiden zum Beispiel über das Wesen des sechzehnten Jahrhunderts, sondern jenes allgemeine Jnteresse eines endlich zur Entscheidung kommenden Kampfes zwischen Licht und Finsterniß, so daß man bei der Reformation, um nur von dieser zu sprechen, weit weniger auf den sehen muß, welcher sie machte, als auf die, welche sie vorbereiteten, und wieder auf die, welche ihre Fortschritte begünstigten, ohne sich für das Schiboleth des Tages auszusprechen. Jn einer ähnlichen allgemeinen Betrachtung unserer Zeit, in einem Gesichtspunkt, der historisch ergriffen ist, liegt gegenwärtig nur noch die Möglichkeit, die Zeitgenossen über Vergangenheit und Zukunft

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0390" n="388"/>
Resultat des Kampfes, sondern die sich gegenüberstehenden Kräfte, nicht der Sieg der Einen und die Niederlage der Andern entscheidet, sondern der Jnbegriff von Kräften, der zum Kampfe auftreten, hier angreifen und dort Widerstand leisten konnte. Es ist Zeit, den Gesichtspunkt aller politischen Betrachtungen nachgerade nur innerhalb der Historie zu nehmen, weniger von Parteien und Systemen zu sprechen, als von Völkern, Nationalinteressen und jenen allgemeinen Jndividualitätsbezügen, welche noch jedem Jahrhundert seinen eigenthümlichen Charakter gegeben haben. Nicht Discussionen dieser oder jener symbolischen Formel, nicht die Erbitterung der zu verschiedenen Glaubensfahnen schwörenden Völker und Parteien, wo sich immer Nationales oder sonstige Antipathien in den Haß mischten, entscheiden zum Beispiel über das Wesen des sechzehnten Jahrhunderts, sondern jenes allgemeine Jnteresse eines endlich zur Entscheidung kommenden Kampfes zwischen Licht und Finsterniß, so daß man bei der Reformation, um nur von dieser zu sprechen, weit weniger auf den sehen muß, welcher sie machte, als auf die, welche sie vorbereiteten, und wieder auf die, welche ihre Fortschritte begünstigten, ohne sich für das Schiboleth des Tages auszusprechen. Jn einer ähnlichen allgemeinen Betrachtung unserer Zeit, in einem Gesichtspunkt, der historisch ergriffen ist, liegt gegenwärtig nur noch die Möglichkeit, die Zeitgenossen über Vergangenheit und Zukunft
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[388/0390] Resultat des Kampfes, sondern die sich gegenüberstehenden Kräfte, nicht der Sieg der Einen und die Niederlage der Andern entscheidet, sondern der Jnbegriff von Kräften, der zum Kampfe auftreten, hier angreifen und dort Widerstand leisten konnte. Es ist Zeit, den Gesichtspunkt aller politischen Betrachtungen nachgerade nur innerhalb der Historie zu nehmen, weniger von Parteien und Systemen zu sprechen, als von Völkern, Nationalinteressen und jenen allgemeinen Jndividualitätsbezügen, welche noch jedem Jahrhundert seinen eigenthümlichen Charakter gegeben haben. Nicht Discussionen dieser oder jener symbolischen Formel, nicht die Erbitterung der zu verschiedenen Glaubensfahnen schwörenden Völker und Parteien, wo sich immer Nationales oder sonstige Antipathien in den Haß mischten, entscheiden zum Beispiel über das Wesen des sechzehnten Jahrhunderts, sondern jenes allgemeine Jnteresse eines endlich zur Entscheidung kommenden Kampfes zwischen Licht und Finsterniß, so daß man bei der Reformation, um nur von dieser zu sprechen, weit weniger auf den sehen muß, welcher sie machte, als auf die, welche sie vorbereiteten, und wieder auf die, welche ihre Fortschritte begünstigten, ohne sich für das Schiboleth des Tages auszusprechen. Jn einer ähnlichen allgemeinen Betrachtung unserer Zeit, in einem Gesichtspunkt, der historisch ergriffen ist, liegt gegenwärtig nur noch die Möglichkeit, die Zeitgenossen über Vergangenheit und Zukunft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/390
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/390>, abgerufen am 22.11.2024.