nehmen, daß das Gehirn der beiden Säugethiere (C und D) schon stark von dem der Vögel (F) und Reptilien (E) abweicht. Bei letzte- ren beiden zeigt bereits das Mittelhirn, bei den ersteren dagegen das Vorderhirn sein Uebergewicht. Aber auch noch in diesem Stadium ist das Gehirn des Vogels (F) von dem der Schildkröte (E) kaum ver- schieden, und ebenso ist das Gehirn des Hundes (C) demjenigen des Menschen (D) jetzt fast noch gleich. Wenn Sie dagegen die Gehirne dieser vier Wirbelthiere im ausgebildeten Zustande mit einander ver- gleichen, so finden Sie dieselben so sehr verschieden, daß Sie nicht einen Augenblick darüber in Zweifel sein können, welchem Thiere jedes Gehirn angehört.
Jch habe Jhnen hier die ursprüngliche Gleichheit und die erst allmählich eintretende und dann immer wachsende Sonderung oder Differenzirung des Embryo bei den verschiedenen Wirbelthieren spe- ciell an dem Beispiele des Gehirns erläutert, weil gerade dieses Organ der Seelenthätigkeit von ganz besonderem Jnteresse ist. Jch hätte aber ebenso gut das Herz oder die Leber oder die Gliedmaßen, kurz jeden anderen Körpertheil statt dessen anführen können, da sich immer dasselbe Schöpfungswunder hier wiederholt, nämlich die Thatsache, daß alle Theile ursprünglich bei den verschiedenen Wirbelthieren gleich sind, und daß erst allmählich die Verschiedenheiten sich ausbilden, durch welche die verschiedenen Klassen, Ordnungen, Familien, Gat- tungen u. s. w. sich von einander sondern und abstufen.
Es giebt gewiß wenige Körpertheile, welche so verschiedenartig ausgebildet sind, wie die Gliedmaßen oder Extremitäten der verschiedenen Wirbelthiere. Nun bitte ich Sie, in Fig. C -- F auf S. 240 c die vorderen Extremitäten (b v) der verschiedenen Embryonen mit einander zu vergleichen, und Sie werden kaum im Stande sein, irgend welche bedeutende Unterschiede zwischen dem Arm des Men- schen (D b v), dem Flügel des Vogels (F b v), dem schlanken Vorder- bein des Hundes (C b v) und dem plumpen Vorderbein der Schild- kröte (E b v) zu erkennen. Ebenso wenig werden Sie bei Verglei- chung der hinteren Extremität (b h) in diesen Figuren herausfinden,
Entwickelung der Extremitaͤten der Wirbelthiere.
nehmen, daß das Gehirn der beiden Saͤugethiere (C und D) ſchon ſtark von dem der Voͤgel (F) und Reptilien (E) abweicht. Bei letzte- ren beiden zeigt bereits das Mittelhirn, bei den erſteren dagegen das Vorderhirn ſein Uebergewicht. Aber auch noch in dieſem Stadium iſt das Gehirn des Vogels (F) von dem der Schildkroͤte (E) kaum ver- ſchieden, und ebenſo iſt das Gehirn des Hundes (C) demjenigen des Menſchen (D) jetzt faſt noch gleich. Wenn Sie dagegen die Gehirne dieſer vier Wirbelthiere im ausgebildeten Zuſtande mit einander ver- gleichen, ſo finden Sie dieſelben ſo ſehr verſchieden, daß Sie nicht einen Augenblick daruͤber in Zweifel ſein koͤnnen, welchem Thiere jedes Gehirn angehoͤrt.
Jch habe Jhnen hier die urſpruͤngliche Gleichheit und die erſt allmaͤhlich eintretende und dann immer wachſende Sonderung oder Differenzirung des Embryo bei den verſchiedenen Wirbelthieren ſpe- ciell an dem Beiſpiele des Gehirns erlaͤutert, weil gerade dieſes Organ der Seelenthaͤtigkeit von ganz beſonderem Jntereſſe iſt. Jch haͤtte aber ebenſo gut das Herz oder die Leber oder die Gliedmaßen, kurz jeden anderen Koͤrpertheil ſtatt deſſen anfuͤhren koͤnnen, da ſich immer daſſelbe Schoͤpfungswunder hier wiederholt, naͤmlich die Thatſache, daß alle Theile urſpruͤnglich bei den verſchiedenen Wirbelthieren gleich ſind, und daß erſt allmaͤhlich die Verſchiedenheiten ſich ausbilden, durch welche die verſchiedenen Klaſſen, Ordnungen, Familien, Gat- tungen u. ſ. w. ſich von einander ſondern und abſtufen.
Es giebt gewiß wenige Koͤrpertheile, welche ſo verſchiedenartig ausgebildet ſind, wie die Gliedmaßen oder Extremitaͤten der verſchiedenen Wirbelthiere. Nun bitte ich Sie, in Fig. C — F auf S. 240 c die vorderen Extremitaͤten (b v) der verſchiedenen Embryonen mit einander zu vergleichen, und Sie werden kaum im Stande ſein, irgend welche bedeutende Unterſchiede zwiſchen dem Arm des Men- ſchen (D b v), dem Fluͤgel des Vogels (F b v), dem ſchlanken Vorder- bein des Hundes (C b v) und dem plumpen Vorderbein der Schild- kroͤte (E b v) zu erkennen. Ebenſo wenig werden Sie bei Verglei- chung der hinteren Extremitaͤt (b h) in dieſen Figuren herausfinden,
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Entwickelung der Extremitaͤten der Wirbelthiere.
nehmen, daß das Gehirn der beiden Saͤugethiere (C und D) ſchon
ſtark von dem der Voͤgel (F) und Reptilien (E) abweicht. Bei letzte-
ren beiden zeigt bereits das Mittelhirn, bei den erſteren dagegen das
Vorderhirn ſein Uebergewicht. Aber auch noch in dieſem Stadium iſt
das Gehirn des Vogels (F) von dem der Schildkroͤte (E) kaum ver-
ſchieden, und ebenſo iſt das Gehirn des Hundes (C) demjenigen des
Menſchen (D) jetzt faſt noch gleich. Wenn Sie dagegen die Gehirne
dieſer vier Wirbelthiere im ausgebildeten Zuſtande mit einander ver-
gleichen, ſo finden Sie dieſelben ſo ſehr verſchieden, daß Sie nicht
einen Augenblick daruͤber in Zweifel ſein koͤnnen, welchem Thiere jedes
Gehirn angehoͤrt.
Jch habe Jhnen hier die urſpruͤngliche Gleichheit und die erſt
allmaͤhlich eintretende und dann immer wachſende Sonderung oder
Differenzirung des Embryo bei den verſchiedenen Wirbelthieren ſpe-
ciell an dem Beiſpiele des Gehirns erlaͤutert, weil gerade dieſes Organ
der Seelenthaͤtigkeit von ganz beſonderem Jntereſſe iſt. Jch haͤtte
aber ebenſo gut das Herz oder die Leber oder die Gliedmaßen, kurz
jeden anderen Koͤrpertheil ſtatt deſſen anfuͤhren koͤnnen, da ſich immer
daſſelbe Schoͤpfungswunder hier wiederholt, naͤmlich die Thatſache,
daß alle Theile urſpruͤnglich bei den verſchiedenen Wirbelthieren gleich
ſind, und daß erſt allmaͤhlich die Verſchiedenheiten ſich ausbilden,
durch welche die verſchiedenen Klaſſen, Ordnungen, Familien, Gat-
tungen u. ſ. w. ſich von einander ſondern und abſtufen.
Es giebt gewiß wenige Koͤrpertheile, welche ſo verſchiedenartig
ausgebildet ſind, wie die Gliedmaßen oder Extremitaͤten
der verſchiedenen Wirbelthiere. Nun bitte ich Sie, in Fig. C — F auf
S. 240 c die vorderen Extremitaͤten (b v) der verſchiedenen Embryonen
mit einander zu vergleichen, und Sie werden kaum im Stande ſein,
irgend welche bedeutende Unterſchiede zwiſchen dem Arm des Men-
ſchen (D b v), dem Fluͤgel des Vogels (F b v), dem ſchlanken Vorder-
bein des Hundes (C b v) und dem plumpen Vorderbein der Schild-
kroͤte (E b v) zu erkennen. Ebenſo wenig werden Sie bei Verglei-
chung der hinteren Extremitaͤt (b h) in dieſen Figuren herausfinden,
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/275>, abgerufen am 21.06.2024.
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