Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Entwickelung der Kiemenbogen der Wirbelthiere.
wodurch das Bein des Menschen (D) und des Vogels (F), das Hin-
terbein des Hundes (C) und der Schildkröte (E) sich unterscheiden.
Vordere sowohl als hintere Extremitäten sind jetzt noch kurze und
breite Platten, an deren Endausbreitung die Anlagen der fünf Zehen
noch durch Schwimmhäute verbunden sind. Jn einem noch früheren
Stadium (Fig. A und B) sind die fünf Zehen noch nicht einmal an-
gelegt, und es ist ganz unmöglich auch nur vordere und hintere Glied-
maßen zu unterscheiden. Diese sowohl als jene sind nichts als ganz
einfache rundliche Fortsätze, welche aus der Seite des Rumpfes her-
vorgesproßt sind. Jn dem frühen Stadium, welches Fig. 9--11
darstellt, fehlen dieselben überhaupt noch ganz, und der ganze Em-
bryo ist ein einfacher Rumpf ohne eine Spur von Gliedmaßen.

An den Embryonen des Hundes (Fig. A) und des Menschen
(Fig. B) aus der vierten Woche der Entwickelung, in denen Sie jetzt
wohl noch keine Spur des erwachsenen Thieres werden erkennen kön-
nen, möchte ich Sie noch besonders aufmerksam machen auf eine äu-
ßerst wichtige Bildung, welche allen Wirbelthieren ursprünglich ge-
meinsam ist, welche aber späterhin zu den verschiedensten Organen
umgebildet wird. Sie kennen gewiß Alle die Kiemenbogen der
Fische, jene knöchernen Bogen, welche zu drei oder vier hinter ein-
ander auf jeder Seite des Halses liegen, und welche die Athmungs-
organe der Fische, die Kiemen tragen (Doppelreihen von rothen
Blättchen, welche das Volk "Fischohren" nennt). Diese Kiemenbogen
nun sind beim Menschen (B) und beim Hunde (A) ursprünglich so
gut vorhanden, wie bei allen übrigen Wirbelthieren. (Jn Figur A
und B sind die drei Kiemenbogen der rechten Halsseite mit den Buch-
staben k 1, k 2, k 3 bezeichnet). Allein nur bei den Fischen bleiben
dieselben in der ursprünglichen Anlage bestehen und bilden sich zu Ath-
mungsorganen aus. Bei den übrigen Wirbelthieren werden dieselben
theils zur Bildung des Gesichts (namentlich des Kieferapparats),
theils zur Bildung des Gehörorgans verwendet.

Endlich will ich nicht verfehlen, Sie bei Vergleichung der in
Fig. A -- F, S. 240 b, c abgebildeten Embryonen nochmals auf das

Entwickelung der Kiemenbogen der Wirbelthiere.
wodurch das Bein des Menſchen (D) und des Vogels (F), das Hin-
terbein des Hundes (C) und der Schildkroͤte (E) ſich unterſcheiden.
Vordere ſowohl als hintere Extremitaͤten ſind jetzt noch kurze und
breite Platten, an deren Endausbreitung die Anlagen der fuͤnf Zehen
noch durch Schwimmhaͤute verbunden ſind. Jn einem noch fruͤheren
Stadium (Fig. A und B) ſind die fuͤnf Zehen noch nicht einmal an-
gelegt, und es iſt ganz unmoͤglich auch nur vordere und hintere Glied-
maßen zu unterſcheiden. Dieſe ſowohl als jene ſind nichts als ganz
einfache rundliche Fortſaͤtze, welche aus der Seite des Rumpfes her-
vorgeſproßt ſind. Jn dem fruͤhen Stadium, welches Fig. 9—11
darſtellt, fehlen dieſelben uͤberhaupt noch ganz, und der ganze Em-
bryo iſt ein einfacher Rumpf ohne eine Spur von Gliedmaßen.

An den Embryonen des Hundes (Fig. A) und des Menſchen
(Fig. B) aus der vierten Woche der Entwickelung, in denen Sie jetzt
wohl noch keine Spur des erwachſenen Thieres werden erkennen koͤn-
nen, moͤchte ich Sie noch beſonders aufmerkſam machen auf eine aͤu-
ßerſt wichtige Bildung, welche allen Wirbelthieren urſpruͤnglich ge-
meinſam iſt, welche aber ſpaͤterhin zu den verſchiedenſten Organen
umgebildet wird. Sie kennen gewiß Alle die Kiemenbogen der
Fiſche, jene knoͤchernen Bogen, welche zu drei oder vier hinter ein-
ander auf jeder Seite des Halſes liegen, und welche die Athmungs-
organe der Fiſche, die Kiemen tragen (Doppelreihen von rothen
Blaͤttchen, welche das Volk „Fiſchohren“ nennt). Dieſe Kiemenbogen
nun ſind beim Menſchen (B) und beim Hunde (A) urſpruͤnglich ſo
gut vorhanden, wie bei allen uͤbrigen Wirbelthieren. (Jn Figur A
und B ſind die drei Kiemenbogen der rechten Halsſeite mit den Buch-
ſtaben k 1, k 2, k 3 bezeichnet). Allein nur bei den Fiſchen bleiben
dieſelben in der urſpruͤnglichen Anlage beſtehen und bilden ſich zu Ath-
mungsorganen aus. Bei den uͤbrigen Wirbelthieren werden dieſelben
theils zur Bildung des Geſichts (namentlich des Kieferapparats),
theils zur Bildung des Gehoͤrorgans verwendet.

Endlich will ich nicht verfehlen, Sie bei Vergleichung der in
Fig. A — F, S. 240 b, c abgebildeten Embryonen nochmals auf das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0276" n="251"/><fw place="top" type="header">Entwickelung der Kiemenbogen der Wirbelthiere.</fw><lb/>
wodurch das Bein des Men&#x017F;chen <hi rendition="#aq">(D)</hi> und des Vogels <hi rendition="#aq">(F)</hi>, das Hin-<lb/>
terbein des Hundes <hi rendition="#aq">(C)</hi> und der Schildkro&#x0364;te <hi rendition="#aq">(E)</hi> &#x017F;ich unter&#x017F;cheiden.<lb/>
Vordere &#x017F;owohl als hintere Extremita&#x0364;ten &#x017F;ind jetzt noch kurze und<lb/>
breite Platten, an deren Endausbreitung die Anlagen der fu&#x0364;nf Zehen<lb/>
noch durch Schwimmha&#x0364;ute verbunden &#x017F;ind. Jn einem noch fru&#x0364;heren<lb/>
Stadium (Fig. <hi rendition="#aq">A</hi> und <hi rendition="#aq">B</hi>) &#x017F;ind die fu&#x0364;nf Zehen noch nicht einmal an-<lb/>
gelegt, und es i&#x017F;t ganz unmo&#x0364;glich auch nur vordere und hintere Glied-<lb/>
maßen zu unter&#x017F;cheiden. Die&#x017F;e &#x017F;owohl als jene &#x017F;ind nichts als ganz<lb/>
einfache rundliche Fort&#x017F;a&#x0364;tze, welche aus der Seite des Rumpfes her-<lb/>
vorge&#x017F;proßt &#x017F;ind. Jn dem fru&#x0364;hen Stadium, welches Fig. 9&#x2014;11<lb/>
dar&#x017F;tellt, fehlen die&#x017F;elben u&#x0364;berhaupt noch ganz, und der ganze Em-<lb/>
bryo i&#x017F;t ein einfacher Rumpf ohne eine Spur von Gliedmaßen.</p><lb/>
        <p>An den Embryonen des Hundes (Fig. <hi rendition="#aq">A</hi>) und des Men&#x017F;chen<lb/>
(Fig. <hi rendition="#aq">B</hi>) aus der vierten Woche der Entwickelung, in denen Sie jetzt<lb/>
wohl noch keine Spur des erwach&#x017F;enen Thieres werden erkennen ko&#x0364;n-<lb/>
nen, mo&#x0364;chte ich Sie noch be&#x017F;onders aufmerk&#x017F;am machen auf eine a&#x0364;u-<lb/>
ßer&#x017F;t wichtige Bildung, welche allen Wirbelthieren ur&#x017F;pru&#x0364;nglich ge-<lb/>
mein&#x017F;am i&#x017F;t, welche aber &#x017F;pa&#x0364;terhin zu den ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Organen<lb/>
umgebildet wird. Sie kennen gewiß Alle die <hi rendition="#g">Kiemenbogen</hi> der<lb/>
Fi&#x017F;che, jene kno&#x0364;chernen Bogen, welche zu drei oder vier hinter ein-<lb/>
ander auf jeder Seite des Hal&#x017F;es liegen, und welche die Athmungs-<lb/>
organe der Fi&#x017F;che, die Kiemen tragen (Doppelreihen von rothen<lb/>
Bla&#x0364;ttchen, welche das Volk &#x201E;Fi&#x017F;chohren&#x201C; nennt). Die&#x017F;e Kiemenbogen<lb/>
nun &#x017F;ind beim Men&#x017F;chen <hi rendition="#aq">(B)</hi> und beim Hunde <hi rendition="#aq">(A)</hi> ur&#x017F;pru&#x0364;nglich &#x017F;o<lb/>
gut vorhanden, wie bei allen u&#x0364;brigen Wirbelthieren. (Jn Figur <hi rendition="#aq">A</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">B</hi> &#x017F;ind die drei Kiemenbogen der rechten Hals&#x017F;eite mit den Buch-<lb/>
&#x017F;taben <hi rendition="#aq">k</hi> 1, <hi rendition="#aq">k</hi> 2, <hi rendition="#aq">k</hi> 3 bezeichnet). Allein nur bei den Fi&#x017F;chen bleiben<lb/>
die&#x017F;elben in der ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Anlage be&#x017F;tehen und bilden &#x017F;ich zu Ath-<lb/>
mungsorganen aus. Bei den u&#x0364;brigen Wirbelthieren werden die&#x017F;elben<lb/>
theils zur Bildung des Ge&#x017F;ichts (namentlich des Kieferapparats),<lb/>
theils zur Bildung des Geho&#x0364;rorgans verwendet.</p><lb/>
        <p>Endlich will ich nicht verfehlen, Sie bei Vergleichung der in<lb/>
Fig. <hi rendition="#aq">A &#x2014; F</hi>, S. 240 <hi rendition="#aq">b, c</hi> abgebildeten Embryonen nochmals auf das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0276] Entwickelung der Kiemenbogen der Wirbelthiere. wodurch das Bein des Menſchen (D) und des Vogels (F), das Hin- terbein des Hundes (C) und der Schildkroͤte (E) ſich unterſcheiden. Vordere ſowohl als hintere Extremitaͤten ſind jetzt noch kurze und breite Platten, an deren Endausbreitung die Anlagen der fuͤnf Zehen noch durch Schwimmhaͤute verbunden ſind. Jn einem noch fruͤheren Stadium (Fig. A und B) ſind die fuͤnf Zehen noch nicht einmal an- gelegt, und es iſt ganz unmoͤglich auch nur vordere und hintere Glied- maßen zu unterſcheiden. Dieſe ſowohl als jene ſind nichts als ganz einfache rundliche Fortſaͤtze, welche aus der Seite des Rumpfes her- vorgeſproßt ſind. Jn dem fruͤhen Stadium, welches Fig. 9—11 darſtellt, fehlen dieſelben uͤberhaupt noch ganz, und der ganze Em- bryo iſt ein einfacher Rumpf ohne eine Spur von Gliedmaßen. An den Embryonen des Hundes (Fig. A) und des Menſchen (Fig. B) aus der vierten Woche der Entwickelung, in denen Sie jetzt wohl noch keine Spur des erwachſenen Thieres werden erkennen koͤn- nen, moͤchte ich Sie noch beſonders aufmerkſam machen auf eine aͤu- ßerſt wichtige Bildung, welche allen Wirbelthieren urſpruͤnglich ge- meinſam iſt, welche aber ſpaͤterhin zu den verſchiedenſten Organen umgebildet wird. Sie kennen gewiß Alle die Kiemenbogen der Fiſche, jene knoͤchernen Bogen, welche zu drei oder vier hinter ein- ander auf jeder Seite des Halſes liegen, und welche die Athmungs- organe der Fiſche, die Kiemen tragen (Doppelreihen von rothen Blaͤttchen, welche das Volk „Fiſchohren“ nennt). Dieſe Kiemenbogen nun ſind beim Menſchen (B) und beim Hunde (A) urſpruͤnglich ſo gut vorhanden, wie bei allen uͤbrigen Wirbelthieren. (Jn Figur A und B ſind die drei Kiemenbogen der rechten Halsſeite mit den Buch- ſtaben k 1, k 2, k 3 bezeichnet). Allein nur bei den Fiſchen bleiben dieſelben in der urſpruͤnglichen Anlage beſtehen und bilden ſich zu Ath- mungsorganen aus. Bei den uͤbrigen Wirbelthieren werden dieſelben theils zur Bildung des Geſichts (namentlich des Kieferapparats), theils zur Bildung des Gehoͤrorgans verwendet. Endlich will ich nicht verfehlen, Sie bei Vergleichung der in Fig. A — F, S. 240 b, c abgebildeten Embryonen nochmals auf das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/276
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/276>, abgerufen am 24.11.2024.