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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Rückblick auf die geschichtliche Entwickelung des Pflanzenreichs.
gen Blumenpflanzen meistens ganz getrennt bleiben, regelmäßig zu
einer mehr oder weniger glocken-, trichter- oder röhrenförmigen Krone.
Es gehören hierher unter anderen die Glockenblumen und Winden,
Primeln und Haidekräuter, Gentiane und Gaisblatt, ferner die Fa-
milie der Oelbaumartigen, Oelbaum, Liguster, Flieder und Esche,
und endlich neben vielen anderen Familien die umfangreichen Abthei-
lungen der Lippenblüthigen (Labiaten) und der Zusammengesetzt-
blüthigen (Compositen). Jn diesen letzteren erreicht die Differenzirung
und Vervollkommnung der Phanerogamenblüthe ihren höchsten Grad,
und wir müssen sie daher als die Vollkommensten von allen an die
Spitze des Pflanzenreichs stellen. Dem entsprechend tritt die Legion
der Glockenblüthigen oder Gamopetalen am spätesten von allen Haupt-
gruppen des Pflanzenreichs in der organischen Erdgeschichte auf, näm-
lich erst in der cenolithischen oder Tertiärzeit. Selbst in der älteren
Tertiärzeit ist sie noch sehr selten, nimmt erst in der mittleren langsam
zu und erreicht erst in der neueren Tertiärzeit und in der Quartärzeit
ihre volle Ausbildung.

Wenn Sie nun, in der Gegenwart angelangt, nochmals die
ganze geschichtliche Entwickelung des Pflanzenreichs
überblicken, so werden sie nicht umhin können, darin lediglich eine
großartige Bestätigung der Descendenztheorie zu er-
blicken. Die beiden großen Grundgesetze der organischen Entwickelung,
die wir als die nothwendigen Folgen der natürlichen Züchtung im
Kampf um's Dasein nachgewiesen haben, die Gesetze der Differen-
zirung
und der Vervollkommnung, machen sich in der Ent-
wickelung der größeren und kleineren Gruppen des natürlichen Pflan-
zensystems überall geltend. Jn jeder größeren und kleineren Periode
der organischen Erdgeschichte nimmt das Pflanzenreich sowohl an
Mannichfaltigkeit, als an Vollkommenheit zu, wie Jhnen
schon ein Blick auf Taf. II deutlich zeigt. Während der ganzen lan-
gen Primordialzeit existirte nur die niederste und unvollkommenste
Hauptklasse der Tange. Zu diesen gesellen sich in der Primärzeit
die höheren und vollkommeneren Kryptogamen, insbesondere die

Ruͤckblick auf die geſchichtliche Entwickelung des Pflanzenreichs.
gen Blumenpflanzen meiſtens ganz getrennt bleiben, regelmaͤßig zu
einer mehr oder weniger glocken-, trichter- oder roͤhrenfoͤrmigen Krone.
Es gehoͤren hierher unter anderen die Glockenblumen und Winden,
Primeln und Haidekraͤuter, Gentiane und Gaisblatt, ferner die Fa-
milie der Oelbaumartigen, Oelbaum, Liguſter, Flieder und Eſche,
und endlich neben vielen anderen Familien die umfangreichen Abthei-
lungen der Lippenbluͤthigen (Labiaten) und der Zuſammengeſetzt-
bluͤthigen (Compoſiten). Jn dieſen letzteren erreicht die Differenzirung
und Vervollkommnung der Phanerogamenbluͤthe ihren hoͤchſten Grad,
und wir muͤſſen ſie daher als die Vollkommenſten von allen an die
Spitze des Pflanzenreichs ſtellen. Dem entſprechend tritt die Legion
der Glockenbluͤthigen oder Gamopetalen am ſpaͤteſten von allen Haupt-
gruppen des Pflanzenreichs in der organiſchen Erdgeſchichte auf, naͤm-
lich erſt in der cenolithiſchen oder Tertiaͤrzeit. Selbſt in der aͤlteren
Tertiaͤrzeit iſt ſie noch ſehr ſelten, nimmt erſt in der mittleren langſam
zu und erreicht erſt in der neueren Tertiaͤrzeit und in der Quartaͤrzeit
ihre volle Ausbildung.

Wenn Sie nun, in der Gegenwart angelangt, nochmals die
ganze geſchichtliche Entwickelung des Pflanzenreichs
uͤberblicken, ſo werden ſie nicht umhin koͤnnen, darin lediglich eine
großartige Beſtaͤtigung der Deſcendenztheorie zu er-
blicken. Die beiden großen Grundgeſetze der organiſchen Entwickelung,
die wir als die nothwendigen Folgen der natuͤrlichen Zuͤchtung im
Kampf um’s Daſein nachgewieſen haben, die Geſetze der Differen-
zirung
und der Vervollkommnung, machen ſich in der Ent-
wickelung der groͤßeren und kleineren Gruppen des natuͤrlichen Pflan-
zenſyſtems uͤberall geltend. Jn jeder groͤßeren und kleineren Periode
der organiſchen Erdgeſchichte nimmt das Pflanzenreich ſowohl an
Mannichfaltigkeit, als an Vollkommenheit zu, wie Jhnen
ſchon ein Blick auf Taf. II deutlich zeigt. Waͤhrend der ganzen lan-
gen Primordialzeit exiſtirte nur die niederſte und unvollkommenſte
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[379/0404] Ruͤckblick auf die geſchichtliche Entwickelung des Pflanzenreichs. gen Blumenpflanzen meiſtens ganz getrennt bleiben, regelmaͤßig zu einer mehr oder weniger glocken-, trichter- oder roͤhrenfoͤrmigen Krone. Es gehoͤren hierher unter anderen die Glockenblumen und Winden, Primeln und Haidekraͤuter, Gentiane und Gaisblatt, ferner die Fa- milie der Oelbaumartigen, Oelbaum, Liguſter, Flieder und Eſche, und endlich neben vielen anderen Familien die umfangreichen Abthei- lungen der Lippenbluͤthigen (Labiaten) und der Zuſammengeſetzt- bluͤthigen (Compoſiten). Jn dieſen letzteren erreicht die Differenzirung und Vervollkommnung der Phanerogamenbluͤthe ihren hoͤchſten Grad, und wir muͤſſen ſie daher als die Vollkommenſten von allen an die Spitze des Pflanzenreichs ſtellen. Dem entſprechend tritt die Legion der Glockenbluͤthigen oder Gamopetalen am ſpaͤteſten von allen Haupt- gruppen des Pflanzenreichs in der organiſchen Erdgeſchichte auf, naͤm- lich erſt in der cenolithiſchen oder Tertiaͤrzeit. Selbſt in der aͤlteren Tertiaͤrzeit iſt ſie noch ſehr ſelten, nimmt erſt in der mittleren langſam zu und erreicht erſt in der neueren Tertiaͤrzeit und in der Quartaͤrzeit ihre volle Ausbildung. Wenn Sie nun, in der Gegenwart angelangt, nochmals die ganze geſchichtliche Entwickelung des Pflanzenreichs uͤberblicken, ſo werden ſie nicht umhin koͤnnen, darin lediglich eine großartige Beſtaͤtigung der Deſcendenztheorie zu er- blicken. Die beiden großen Grundgeſetze der organiſchen Entwickelung, die wir als die nothwendigen Folgen der natuͤrlichen Zuͤchtung im Kampf um’s Daſein nachgewieſen haben, die Geſetze der Differen- zirung und der Vervollkommnung, machen ſich in der Ent- wickelung der groͤßeren und kleineren Gruppen des natuͤrlichen Pflan- zenſyſtems uͤberall geltend. Jn jeder groͤßeren und kleineren Periode der organiſchen Erdgeſchichte nimmt das Pflanzenreich ſowohl an Mannichfaltigkeit, als an Vollkommenheit zu, wie Jhnen ſchon ein Blick auf Taf. II deutlich zeigt. Waͤhrend der ganzen lan- gen Primordialzeit exiſtirte nur die niederſte und unvollkommenſte Hauptklaſſe der Tange. Zu dieſen geſellen ſich in der Primaͤrzeit die hoͤheren und vollkommeneren Kryptogamen, insbeſondere die

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/404>, abgerufen am 22.11.2024.