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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Monophyletischer Stammbaum des Pflanzenreichs.
Hauptklasse der Farne. Schon während der Steinkohlenzeit begin-
nen sich aus diesen die Phanerogamen zu entwickeln, anfänglich jedoch
nur durch die niedere Hauptklasse der Nacktsamigen oder Gym-
nospermen
repräsentirt. Erst während der Secundärzeit geht aus
diesen die höhere Hauptklasse der Decksamigen oder Angiospermen
hervor. Auch von diesen sind anfänglich nur die niederen, kronen-
losen Gruppen, die Monocotylen, dann die Apetalen vorhan-
den. Erst während der Kreidezeit entwickelten sich aus letzteren die
höheren Kronenblüthigen. Aber auch diese höchste Abtheilung ist in
der Kreidezeit nur durch die tiefer stehenden Sternblüthigen oder
Diapetalen vertreten, und ganz zuletzt erst, in der Tertiärzeit,
gehen aus diesen die höher stehenden Glockenblüthigen oder Gamo-
petalen
hervor, die vollkommensten von allen Blumenpflanzen. So
erhob sich in jedem jüngeren Abschnitt der organischen Erdgeschichte das
Pflanzenreich stufenweise zu einem höheren Grade der Vollkommenheit
und der Mannichfaltigkeit.

Jch habe Jhnen in dieser systematischen Uebersicht über die histo-
rische Entwickelung des Pflanzenreichs dasselbe als eine einzige Gruppe
von blutsverwandten Organismen dargestellt, wie es auch der Stamm-
baum auf Taf. II ausdrückt. Mir scheint diese einstämmige oder
monophyletische
Anschauung vom Ursprung des Pflanzenreichs
die naturgemäßere zu sein. Damit will ich jedoch nicht sagen, daß
dieselbe nothwendig die allein richtige ist. Es läßt sich auch denken,
daß das Pflanzenreich aus mehreren selbstständigen Stämmen oder
Phylen zusammengesetzt ist, deren jeder aus einer einzigen archigonen
(d. h. durch Urzeugung entstandenen) Monerenart hervorgegangen
ist. Eine Vorstellung von dieser vielstämmigen oder poly-
phyletischen
Descendenzhypothese mag Jhnen nachstehende Ta-
belle geben. Kaum zweifelhaft ist es, daß auch in diesem Falle die ganze
Masse der Stockpflanzen oder Cormophyten (sowohl Phanerogamen
als Prothallophyten) als Blutsverwandte eines einzigen Stammes
aufzufassen sind. Denn die genealogische Stufenleiter von den Mosen
zu den Farnen, von diesen zu den Nacktsamigen, und von letzteren zu

Monophyletiſcher Stammbaum des Pflanzenreichs.
Hauptklaſſe der Farne. Schon waͤhrend der Steinkohlenzeit begin-
nen ſich aus dieſen die Phanerogamen zu entwickeln, anfaͤnglich jedoch
nur durch die niedere Hauptklaſſe der Nacktſamigen oder Gym-
noſpermen
repraͤſentirt. Erſt waͤhrend der Secundaͤrzeit geht aus
dieſen die hoͤhere Hauptklaſſe der Deckſamigen oder Angioſpermen
hervor. Auch von dieſen ſind anfaͤnglich nur die niederen, kronen-
loſen Gruppen, die Monocotylen, dann die Apetalen vorhan-
den. Erſt waͤhrend der Kreidezeit entwickelten ſich aus letzteren die
hoͤheren Kronenbluͤthigen. Aber auch dieſe hoͤchſte Abtheilung iſt in
der Kreidezeit nur durch die tiefer ſtehenden Sternbluͤthigen oder
Diapetalen vertreten, und ganz zuletzt erſt, in der Tertiaͤrzeit,
gehen aus dieſen die hoͤher ſtehenden Glockenbluͤthigen oder Gamo-
petalen
hervor, die vollkommenſten von allen Blumenpflanzen. So
erhob ſich in jedem juͤngeren Abſchnitt der organiſchen Erdgeſchichte das
Pflanzenreich ſtufenweiſe zu einem hoͤheren Grade der Vollkommenheit
und der Mannichfaltigkeit.

Jch habe Jhnen in dieſer ſyſtematiſchen Ueberſicht uͤber die hiſto-
riſche Entwickelung des Pflanzenreichs daſſelbe als eine einzige Gruppe
von blutsverwandten Organismen dargeſtellt, wie es auch der Stamm-
baum auf Taf. II ausdruͤckt. Mir ſcheint dieſe einſtaͤmmige oder
monophyletiſche
Anſchauung vom Urſprung des Pflanzenreichs
die naturgemaͤßere zu ſein. Damit will ich jedoch nicht ſagen, daß
dieſelbe nothwendig die allein richtige iſt. Es laͤßt ſich auch denken,
daß das Pflanzenreich aus mehreren ſelbſtſtaͤndigen Staͤmmen oder
Phylen zuſammengeſetzt iſt, deren jeder aus einer einzigen archigonen
(d. h. durch Urzeugung entſtandenen) Monerenart hervorgegangen
iſt. Eine Vorſtellung von dieſer vielſtaͤmmigen oder poly-
phyletiſchen
Deſcendenzhypotheſe mag Jhnen nachſtehende Ta-
belle geben. Kaum zweifelhaft iſt es, daß auch in dieſem Falle die ganze
Maſſe der Stockpflanzen oder Cormophyten (ſowohl Phanerogamen
als Prothallophyten) als Blutsverwandte eines einzigen Stammes
aufzufaſſen ſind. Denn die genealogiſche Stufenleiter von den Moſen
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[380/0405] Monophyletiſcher Stammbaum des Pflanzenreichs. Hauptklaſſe der Farne. Schon waͤhrend der Steinkohlenzeit begin- nen ſich aus dieſen die Phanerogamen zu entwickeln, anfaͤnglich jedoch nur durch die niedere Hauptklaſſe der Nacktſamigen oder Gym- noſpermen repraͤſentirt. Erſt waͤhrend der Secundaͤrzeit geht aus dieſen die hoͤhere Hauptklaſſe der Deckſamigen oder Angioſpermen hervor. Auch von dieſen ſind anfaͤnglich nur die niederen, kronen- loſen Gruppen, die Monocotylen, dann die Apetalen vorhan- den. Erſt waͤhrend der Kreidezeit entwickelten ſich aus letzteren die hoͤheren Kronenbluͤthigen. Aber auch dieſe hoͤchſte Abtheilung iſt in der Kreidezeit nur durch die tiefer ſtehenden Sternbluͤthigen oder Diapetalen vertreten, und ganz zuletzt erſt, in der Tertiaͤrzeit, gehen aus dieſen die hoͤher ſtehenden Glockenbluͤthigen oder Gamo- petalen hervor, die vollkommenſten von allen Blumenpflanzen. So erhob ſich in jedem juͤngeren Abſchnitt der organiſchen Erdgeſchichte das Pflanzenreich ſtufenweiſe zu einem hoͤheren Grade der Vollkommenheit und der Mannichfaltigkeit. Jch habe Jhnen in dieſer ſyſtematiſchen Ueberſicht uͤber die hiſto- riſche Entwickelung des Pflanzenreichs daſſelbe als eine einzige Gruppe von blutsverwandten Organismen dargeſtellt, wie es auch der Stamm- baum auf Taf. II ausdruͤckt. Mir ſcheint dieſe einſtaͤmmige oder monophyletiſche Anſchauung vom Urſprung des Pflanzenreichs die naturgemaͤßere zu ſein. Damit will ich jedoch nicht ſagen, daß dieſelbe nothwendig die allein richtige iſt. Es laͤßt ſich auch denken, daß das Pflanzenreich aus mehreren ſelbſtſtaͤndigen Staͤmmen oder Phylen zuſammengeſetzt iſt, deren jeder aus einer einzigen archigonen (d. h. durch Urzeugung entſtandenen) Monerenart hervorgegangen iſt. Eine Vorſtellung von dieſer vielſtaͤmmigen oder poly- phyletiſchen Deſcendenzhypotheſe mag Jhnen nachſtehende Ta- belle geben. Kaum zweifelhaft iſt es, daß auch in dieſem Falle die ganze Maſſe der Stockpflanzen oder Cormophyten (ſowohl Phanerogamen als Prothallophyten) als Blutsverwandte eines einzigen Stammes aufzufaſſen ſind. Denn die genealogiſche Stufenleiter von den Moſen zu den Farnen, von dieſen zu den Nacktſamigen, und von letzteren zu

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/405>, abgerufen am 22.11.2024.