Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Praktische und theoretische Bedeutung der binären Nomenklatur. Löwe Felis leo; alle sechs Raubthierarten sind verschiedene Specieseines und desselben Genus: Felis. Oder, um ein Beispiel aus der Pflanzenwelt hinzuzufügen, so heißt nach Linne's Benennung die Fichte Pinus abies, die Tanne Pinus picea, die Lärche Pinus la- rix, die Pinie Pinus pinea, die Zirbelkiefer Pinus cembra, das Knieholz Pinus mughus, die gewöhnliche Kiefer Pinus silvestris; alle sieben Nadelholzarten sind verschiedene Species eines und dessel- ben Genus: Pinus. Vielleicht scheint Jhnen dieser von Linne herbeigeführte Fort- Nicht minder bedeutend aber, als der unschätzbare praktische Haeckel, Natürliche Schöpfungsgeschichte. 3
Praktiſche und theoretiſche Bedeutung der binaͤren Nomenklatur. Loͤwe Felis leo; alle ſechs Raubthierarten ſind verſchiedene Specieseines und deſſelben Genus: Felis. Oder, um ein Beiſpiel aus der Pflanzenwelt hinzuzufuͤgen, ſo heißt nach Linné’s Benennung die Fichte Pinus abies, die Tanne Pinus picea, die Laͤrche Pinus la- rix, die Pinie Pinus pinea, die Zirbelkiefer Pinus cembra, das Knieholz Pinus mughus, die gewoͤhnliche Kiefer Pinus silvestris; alle ſieben Nadelholzarten ſind verſchiedene Species eines und deſſel- ben Genus: Pinus. Vielleicht ſcheint Jhnen dieſer von Linné herbeigefuͤhrte Fort- Nicht minder bedeutend aber, als der unſchaͤtzbare praktiſche Haeckel, Natuͤrliche Schoͤpfungsgeſchichte. 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0054" n="33"/><fw place="top" type="header">Praktiſche und theoretiſche Bedeutung der binaͤren Nomenklatur.</fw><lb/> Loͤwe <hi rendition="#aq">Felis leo;</hi> alle ſechs Raubthierarten ſind verſchiedene <hi rendition="#g">Species</hi><lb/> eines und deſſelben <hi rendition="#g">Genus:</hi> <hi rendition="#aq">Felis.</hi> Oder, um ein Beiſpiel aus der<lb/> Pflanzenwelt hinzuzufuͤgen, ſo heißt nach <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi>’s</hi> Benennung die<lb/> Fichte <hi rendition="#aq">Pinus abies,</hi> die Tanne <hi rendition="#aq">Pinus picea,</hi> die Laͤrche <hi rendition="#aq">Pinus la-<lb/> rix,</hi> die Pinie <hi rendition="#aq">Pinus pinea,</hi> die Zirbelkiefer <hi rendition="#aq">Pinus cembra,</hi> das<lb/> Knieholz <hi rendition="#aq">Pinus mughus,</hi> die gewoͤhnliche Kiefer <hi rendition="#aq">Pinus silvestris;</hi><lb/> alle ſieben Nadelholzarten ſind verſchiedene Species eines und deſſel-<lb/> ben Genus: <hi rendition="#aq">Pinus.</hi></p><lb/> <p>Vielleicht ſcheint Jhnen dieſer von <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi></hi> herbeigefuͤhrte Fort-<lb/> ſchritt in der praktiſchen Unterſcheidung und Benennung der vielgeſtal-<lb/> tigen Organismen nur von untergeordneter Wichtigkeit zu ſein. Al-<lb/> lein in Wirklichkeit war er von der allergroͤßten Bedeutung, und zwar<lb/> ſowohl in praktiſcher als in theoretiſcher Beziehung. Denn es wurde<lb/> nun erſt moͤglich, die Unmaſſe der verſchiedenartigen organiſchen For-<lb/> men nach dem groͤßeren oder geringeren Grade ihrer Aehnlichkeit zu-<lb/> ſammenzuſtellen und uͤberſichtlich in das Fachwerk des Syſtems zu<lb/> ordnen. Die Regiſtratur dieſes Fachwerks machte <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi></hi> dadurch noch<lb/> uͤberſichtlicher, daß er die naͤchſtaͤhnlichen Gattungen <hi rendition="#aq">(Genera)</hi> in ſo-<lb/> genannte Ordnungen <hi rendition="#aq">(Ordines)</hi> zuſammenſtellte, und daß er die naͤchſt-<lb/> aͤhnlichen Ordnungen in noch umfaſſenderen Hauptabtheilungen, den<lb/> Klaſſen <hi rendition="#aq">(Classes)</hi> vereinigte. Es zerfiel alſo zunaͤchſt jedes der beiden<lb/> organiſchen Reiche nach <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi></hi> in eine geringe Anzahl von Klaſſen;<lb/> das Pflanzenreich in 24 Klaſſen, das Thierreich in 6 Klaſſen. Jede<lb/> Klaſſe enthielt wieder mehrere Ordnungen. Jede einzelne Ordnung<lb/> konnte eine Mehrzahl von Gattungen und jede einzelne Gattung wie-<lb/> derum mehrere Arten enthalten.</p><lb/> <p>Nicht minder bedeutend aber, als der unſchaͤtzbare <hi rendition="#g">praktiſche</hi><lb/> Nutzen, welcher <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi>’s</hi> binaͤre Nomenclatur ſofort fuͤr eine uͤber-<lb/> ſichtliche ſyſtematiſche Unterſcheidung, Benennung, Anordnung und<lb/> Eintheilung der organiſchen Formenwelt hatte, war der unberechen-<lb/> bare <hi rendition="#g">theoretiſche</hi> Einfluß, welchen dieſelbe alsbald auf die geſammte<lb/> allgemeine Beurtheilung der organiſchen Formen, und ganz beſonders<lb/> auf die Schoͤpfungsgeſchichte gewann. Noch heute drehen ſich alle<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Haeckel, Natuͤrliche Schoͤpfungsgeſchichte. 3</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [33/0054]
Praktiſche und theoretiſche Bedeutung der binaͤren Nomenklatur.
Loͤwe Felis leo; alle ſechs Raubthierarten ſind verſchiedene Species
eines und deſſelben Genus: Felis. Oder, um ein Beiſpiel aus der
Pflanzenwelt hinzuzufuͤgen, ſo heißt nach Linné’s Benennung die
Fichte Pinus abies, die Tanne Pinus picea, die Laͤrche Pinus la-
rix, die Pinie Pinus pinea, die Zirbelkiefer Pinus cembra, das
Knieholz Pinus mughus, die gewoͤhnliche Kiefer Pinus silvestris;
alle ſieben Nadelholzarten ſind verſchiedene Species eines und deſſel-
ben Genus: Pinus.
Vielleicht ſcheint Jhnen dieſer von Linné herbeigefuͤhrte Fort-
ſchritt in der praktiſchen Unterſcheidung und Benennung der vielgeſtal-
tigen Organismen nur von untergeordneter Wichtigkeit zu ſein. Al-
lein in Wirklichkeit war er von der allergroͤßten Bedeutung, und zwar
ſowohl in praktiſcher als in theoretiſcher Beziehung. Denn es wurde
nun erſt moͤglich, die Unmaſſe der verſchiedenartigen organiſchen For-
men nach dem groͤßeren oder geringeren Grade ihrer Aehnlichkeit zu-
ſammenzuſtellen und uͤberſichtlich in das Fachwerk des Syſtems zu
ordnen. Die Regiſtratur dieſes Fachwerks machte Linné dadurch noch
uͤberſichtlicher, daß er die naͤchſtaͤhnlichen Gattungen (Genera) in ſo-
genannte Ordnungen (Ordines) zuſammenſtellte, und daß er die naͤchſt-
aͤhnlichen Ordnungen in noch umfaſſenderen Hauptabtheilungen, den
Klaſſen (Classes) vereinigte. Es zerfiel alſo zunaͤchſt jedes der beiden
organiſchen Reiche nach Linné in eine geringe Anzahl von Klaſſen;
das Pflanzenreich in 24 Klaſſen, das Thierreich in 6 Klaſſen. Jede
Klaſſe enthielt wieder mehrere Ordnungen. Jede einzelne Ordnung
konnte eine Mehrzahl von Gattungen und jede einzelne Gattung wie-
derum mehrere Arten enthalten.
Nicht minder bedeutend aber, als der unſchaͤtzbare praktiſche
Nutzen, welcher Linné’s binaͤre Nomenclatur ſofort fuͤr eine uͤber-
ſichtliche ſyſtematiſche Unterſcheidung, Benennung, Anordnung und
Eintheilung der organiſchen Formenwelt hatte, war der unberechen-
bare theoretiſche Einfluß, welchen dieſelbe alsbald auf die geſammte
allgemeine Beurtheilung der organiſchen Formen, und ganz beſonders
auf die Schoͤpfungsgeſchichte gewann. Noch heute drehen ſich alle
Haeckel, Natuͤrliche Schoͤpfungsgeſchichte. 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |