Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Linne's Schöpfungsgeschichte. welche ja ebenfalls die Pflanzen und Thiere "ein jegliches nach seinerArt" erschaffen werden läßt. Näher hierauf eingehend, meinte Lin- ne, daß ursprünglich von jeder Thier- und Pflanzenart entweder ein einzelnes Jndividuum oder ein Pärchen geschaffen worden sei; und zwar ein Pärchen, oder wie Moses sagt: "ein Männlein und ein Fräulein" von jenen Arten, welche getrennte Geschlechter haben; für jene Arten dagegen, bei welchen jedes Jndividuum beiderlei Geschlechts- organe in sich vereinigt (Hermaphroditen oder Zwitter), wie z. B. die Regenwürmer, die Garten- und Weinbergsschnecken, sowie die große Mehrzahl der Gewächse, meinte Linne, sei es hinreichend, wenn ein einzelnes Jndividuum erschaffen worden sei. Linne schloß sich wei- terhin an die mosaische Legende auch in Betreff der Sündfluth an, indem er annahm, daß bei dieser großen allgemeinen Ueberschwem- mung alle vorhandenen Organismen ertränkt worden seien, bis auf jene wenigen Jndividuen von jeder Art (sieben Paar von den Vögeln und von dem reinen Vieh, ein Paar von dem unreinen Vieh), welche in der Arche Noah gerettet und nach beendigter Sündfluth auf dem Ararat an das Land gesetzt wurden. Die geographische Schwierig- keit des Zusammenlebens der verschiedensten Thiere und Pflanzen suchte er sich dadurch zu erklären: der Ararat in Armenien, in einem warmen Klima gelegen, und bis über 16,000 Fuß Höhe aufsteigend, vereinigt in sich die Bedingungen für den zeitweiligen gemeinsamen Aufenthalt auch solcher Thiere, die in verschiedenen Zonen leben. Es konnten zunächst also die an das Polarklima gewöhnten Thiere auf den kalten Gebirgsrücken hinaufklettern, die an das warme Klima ge- wöhnten an den Fuß hinabgehen, und die Bewohner der gemäßigten Zone in der Mitte der Berghöhe sich aufhalten. Von hier aus war die Möglichkeit gegeben, sich über die Erde nach Norden und Süden zu verbreiten. Es ist wohl kaum nöthig zu bemerken, daß diese Schöpfungs- 3 *
Linné’s Schoͤpfungsgeſchichte. welche ja ebenfalls die Pflanzen und Thiere „ein jegliches nach ſeinerArt“ erſchaffen werden laͤßt. Naͤher hierauf eingehend, meinte Lin- né, daß urſpruͤnglich von jeder Thier- und Pflanzenart entweder ein einzelnes Jndividuum oder ein Paͤrchen geſchaffen worden ſei; und zwar ein Paͤrchen, oder wie Moſes ſagt: „ein Maͤnnlein und ein Fraͤulein“ von jenen Arten, welche getrennte Geſchlechter haben; fuͤr jene Arten dagegen, bei welchen jedes Jndividuum beiderlei Geſchlechts- organe in ſich vereinigt (Hermaphroditen oder Zwitter), wie z. B. die Regenwuͤrmer, die Garten- und Weinbergsſchnecken, ſowie die große Mehrzahl der Gewaͤchſe, meinte Linné, ſei es hinreichend, wenn ein einzelnes Jndividuum erſchaffen worden ſei. Linné ſchloß ſich wei- terhin an die moſaiſche Legende auch in Betreff der Suͤndfluth an, indem er annahm, daß bei dieſer großen allgemeinen Ueberſchwem- mung alle vorhandenen Organismen ertraͤnkt worden ſeien, bis auf jene wenigen Jndividuen von jeder Art (ſieben Paar von den Voͤgeln und von dem reinen Vieh, ein Paar von dem unreinen Vieh), welche in der Arche Noah gerettet und nach beendigter Suͤndfluth auf dem Ararat an das Land geſetzt wurden. Die geographiſche Schwierig- keit des Zuſammenlebens der verſchiedenſten Thiere und Pflanzen ſuchte er ſich dadurch zu erklaͤren: der Ararat in Armenien, in einem warmen Klima gelegen, und bis uͤber 16,000 Fuß Hoͤhe aufſteigend, vereinigt in ſich die Bedingungen fuͤr den zeitweiligen gemeinſamen Aufenthalt auch ſolcher Thiere, die in verſchiedenen Zonen leben. Es konnten zunaͤchſt alſo die an das Polarklima gewoͤhnten Thiere auf den kalten Gebirgsruͤcken hinaufklettern, die an das warme Klima ge- woͤhnten an den Fuß hinabgehen, und die Bewohner der gemaͤßigten Zone in der Mitte der Berghoͤhe ſich aufhalten. Von hier aus war die Moͤglichkeit gegeben, ſich uͤber die Erde nach Norden und Suͤden zu verbreiten. Es iſt wohl kaum noͤthig zu bemerken, daß dieſe Schoͤpfungs- 3 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0056" n="35"/><fw place="top" type="header">Linn<hi rendition="#aq">é</hi>’s Schoͤpfungsgeſchichte.</fw><lb/> welche ja ebenfalls die Pflanzen und Thiere „ein jegliches nach ſeiner<lb/> Art“ erſchaffen werden laͤßt. Naͤher hierauf eingehend, meinte <hi rendition="#g">Lin-<lb/> n<hi rendition="#aq">é</hi>,</hi> daß urſpruͤnglich von jeder Thier- und Pflanzenart entweder ein<lb/> einzelnes Jndividuum oder ein Paͤrchen geſchaffen worden ſei; und<lb/> zwar ein Paͤrchen, oder wie <hi rendition="#g">Moſes</hi> ſagt: „ein Maͤnnlein und ein<lb/> Fraͤulein“ von jenen Arten, welche getrennte Geſchlechter haben; fuͤr<lb/> jene Arten dagegen, bei welchen jedes Jndividuum beiderlei Geſchlechts-<lb/> organe in ſich vereinigt (Hermaphroditen oder Zwitter), wie z. B. die<lb/> Regenwuͤrmer, die Garten- und Weinbergsſchnecken, ſowie die große<lb/> Mehrzahl der Gewaͤchſe, meinte <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi>,</hi> ſei es hinreichend, wenn ein<lb/> einzelnes Jndividuum erſchaffen worden ſei. <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi></hi> ſchloß ſich wei-<lb/> terhin an die moſaiſche Legende auch in Betreff der Suͤndfluth an,<lb/> indem er annahm, daß bei dieſer großen allgemeinen Ueberſchwem-<lb/> mung alle vorhandenen Organismen ertraͤnkt worden ſeien, bis auf<lb/> jene wenigen Jndividuen von jeder Art (ſieben Paar von den Voͤgeln<lb/> und von dem reinen Vieh, ein Paar von dem unreinen Vieh), welche<lb/> in der Arche Noah gerettet und nach beendigter Suͤndfluth auf dem<lb/> Ararat an das Land geſetzt wurden. Die geographiſche Schwierig-<lb/> keit des Zuſammenlebens der verſchiedenſten Thiere und Pflanzen<lb/> ſuchte er ſich dadurch zu erklaͤren: der Ararat in Armenien, in einem<lb/> warmen Klima gelegen, und bis uͤber 16,000 Fuß Hoͤhe aufſteigend,<lb/> vereinigt in ſich die Bedingungen fuͤr den zeitweiligen gemeinſamen<lb/> Aufenthalt auch ſolcher Thiere, die in verſchiedenen Zonen leben. Es<lb/> konnten zunaͤchſt alſo die an das Polarklima gewoͤhnten Thiere auf<lb/> den kalten Gebirgsruͤcken hinaufklettern, die an das warme Klima ge-<lb/> woͤhnten an den Fuß hinabgehen, und die Bewohner der gemaͤßigten<lb/> Zone in der Mitte der Berghoͤhe ſich aufhalten. Von hier aus war<lb/> die Moͤglichkeit gegeben, ſich uͤber die Erde nach Norden und Suͤden<lb/> zu verbreiten.</p><lb/> <p>Es iſt wohl kaum noͤthig zu bemerken, daß dieſe Schoͤpfungs-<lb/> hypotheſe <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi>’s,</hi> welche ſich offenbar moͤglichſt eng an den herr-<lb/> ſchenden Bibelglauben anzuſchließen ſuchte, keiner ernſtlichen Widerle-<lb/> gung bedarf. Wenn man die ſonſtige Klarheit des ſcharfſinnigen<lb/> <fw place="bottom" type="sig">3 *</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0056]
Linné’s Schoͤpfungsgeſchichte.
welche ja ebenfalls die Pflanzen und Thiere „ein jegliches nach ſeiner
Art“ erſchaffen werden laͤßt. Naͤher hierauf eingehend, meinte Lin-
né, daß urſpruͤnglich von jeder Thier- und Pflanzenart entweder ein
einzelnes Jndividuum oder ein Paͤrchen geſchaffen worden ſei; und
zwar ein Paͤrchen, oder wie Moſes ſagt: „ein Maͤnnlein und ein
Fraͤulein“ von jenen Arten, welche getrennte Geſchlechter haben; fuͤr
jene Arten dagegen, bei welchen jedes Jndividuum beiderlei Geſchlechts-
organe in ſich vereinigt (Hermaphroditen oder Zwitter), wie z. B. die
Regenwuͤrmer, die Garten- und Weinbergsſchnecken, ſowie die große
Mehrzahl der Gewaͤchſe, meinte Linné, ſei es hinreichend, wenn ein
einzelnes Jndividuum erſchaffen worden ſei. Linné ſchloß ſich wei-
terhin an die moſaiſche Legende auch in Betreff der Suͤndfluth an,
indem er annahm, daß bei dieſer großen allgemeinen Ueberſchwem-
mung alle vorhandenen Organismen ertraͤnkt worden ſeien, bis auf
jene wenigen Jndividuen von jeder Art (ſieben Paar von den Voͤgeln
und von dem reinen Vieh, ein Paar von dem unreinen Vieh), welche
in der Arche Noah gerettet und nach beendigter Suͤndfluth auf dem
Ararat an das Land geſetzt wurden. Die geographiſche Schwierig-
keit des Zuſammenlebens der verſchiedenſten Thiere und Pflanzen
ſuchte er ſich dadurch zu erklaͤren: der Ararat in Armenien, in einem
warmen Klima gelegen, und bis uͤber 16,000 Fuß Hoͤhe aufſteigend,
vereinigt in ſich die Bedingungen fuͤr den zeitweiligen gemeinſamen
Aufenthalt auch ſolcher Thiere, die in verſchiedenen Zonen leben. Es
konnten zunaͤchſt alſo die an das Polarklima gewoͤhnten Thiere auf
den kalten Gebirgsruͤcken hinaufklettern, die an das warme Klima ge-
woͤhnten an den Fuß hinabgehen, und die Bewohner der gemaͤßigten
Zone in der Mitte der Berghoͤhe ſich aufhalten. Von hier aus war
die Moͤglichkeit gegeben, ſich uͤber die Erde nach Norden und Suͤden
zu verbreiten.
Es iſt wohl kaum noͤthig zu bemerken, daß dieſe Schoͤpfungs-
hypotheſe Linné’s, welche ſich offenbar moͤglichſt eng an den herr-
ſchenden Bibelglauben anzuſchließen ſuchte, keiner ernſtlichen Widerle-
gung bedarf. Wenn man die ſonſtige Klarheit des ſcharfſinnigen
3 *
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |