Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Cuviers Hypothese von den Revolutionen der Erdoberfläche. vier ausdrücklich, daß man sich keine Vorstellung darüber machenkönne, und daß die jetzt wirksamen Kräfte der Natur zu einer Erklä- rung derselben nicht ausreichten. Als natürliche Kräfte oder mecha- nische Agentien, welche in der Gegenwart beständig, obwohl lang- sam, an einer Umgestaltung der Erdoberfläche arbeiten, führt Cu- vier vier wirkende Ursachen auf: erstens den Regen, welcher die stei- len Gebirgsabhänge abspült und Schutt an deren Fuß anhäuft; zwei- tens die fließenden Gewässer, welche diesen Schutt fortführen und als Schlamm im stehenden Wasser absetzen; drittens das Meer, dessen Brandung die steilen Küstenränder abnagt, und an flachen Kü- stensäumen Dünen aufwirft; und endlich viertens die Vulkane, welche die Schichten der erhärteten Erdrinde durchbrechen und in die Höhe heben, und welche ihre Auswurfsprodukte aufhäufen und um- herstreuen. Während Cuvier die beständige langsame Umbildung der gegenwärtigen Erdoberfläche durch diese vier mächtigen Ursachen anerkennt, behauptet er gleichzeitig, daß dieselben nicht ausgereicht haben könnten, um die Erdrevolutionen der Vorzeit auszuführen, und daß man den anatomischen Bau der ganzen Erdrinde nicht durch die nothwendige Wirkung jener mechanischen Agentien erklären könne: vielmehr müßten jene wunderbaren, großen Umwälzungen der gan- zen Erdoberfläche durch ganz eigenthümliche, uns gänzlich unbekannte Ursachen bewirkt worden sein; der gewöhnliche Entwickelungsfaden sei durch diese Revolutionen zerrissen, der Gang der Natur verändert. Diese Ansichten legte Cuvier in einem besonderen, auch ins Cuviers Hypotheſe von den Revolutionen der Erdoberflaͤche. vier ausdruͤcklich, daß man ſich keine Vorſtellung daruͤber machenkoͤnne, und daß die jetzt wirkſamen Kraͤfte der Natur zu einer Erklaͤ- rung derſelben nicht ausreichten. Als natuͤrliche Kraͤfte oder mecha- niſche Agentien, welche in der Gegenwart beſtaͤndig, obwohl lang- ſam, an einer Umgeſtaltung der Erdoberflaͤche arbeiten, fuͤhrt Cu- vier vier wirkende Urſachen auf: erſtens den Regen, welcher die ſtei- len Gebirgsabhaͤnge abſpuͤlt und Schutt an deren Fuß anhaͤuft; zwei- tens die fließenden Gewaͤſſer, welche dieſen Schutt fortfuͤhren und als Schlamm im ſtehenden Waſſer abſetzen; drittens das Meer, deſſen Brandung die ſteilen Kuͤſtenraͤnder abnagt, und an flachen Kuͤ- ſtenſaͤumen Duͤnen aufwirft; und endlich viertens die Vulkane, welche die Schichten der erhaͤrteten Erdrinde durchbrechen und in die Hoͤhe heben, und welche ihre Auswurfsprodukte aufhaͤufen und um- herſtreuen. Waͤhrend Cuvier die beſtaͤndige langſame Umbildung der gegenwaͤrtigen Erdoberflaͤche durch dieſe vier maͤchtigen Urſachen anerkennt, behauptet er gleichzeitig, daß dieſelben nicht ausgereicht haben koͤnnten, um die Erdrevolutionen der Vorzeit auszufuͤhren, und daß man den anatomiſchen Bau der ganzen Erdrinde nicht durch die nothwendige Wirkung jener mechaniſchen Agentien erklaͤren koͤnne: vielmehr muͤßten jene wunderbaren, großen Umwaͤlzungen der gan- zen Erdoberflaͤche durch ganz eigenthuͤmliche, uns gaͤnzlich unbekannte Urſachen bewirkt worden ſein; der gewoͤhnliche Entwickelungsfaden ſei durch dieſe Revolutionen zerriſſen, der Gang der Natur veraͤndert. Dieſe Anſichten legte Cuvier in einem beſonderen, auch ins <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0069" n="48"/><fw place="top" type="header">Cuviers Hypotheſe von den Revolutionen der Erdoberflaͤche.</fw><lb/><hi rendition="#g">vier</hi> ausdruͤcklich, daß man ſich keine Vorſtellung daruͤber machen<lb/> koͤnne, und daß die jetzt wirkſamen Kraͤfte der Natur zu einer Erklaͤ-<lb/> rung derſelben nicht ausreichten. 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Cuviers Hypotheſe von den Revolutionen der Erdoberflaͤche.
vier ausdruͤcklich, daß man ſich keine Vorſtellung daruͤber machen
koͤnne, und daß die jetzt wirkſamen Kraͤfte der Natur zu einer Erklaͤ-
rung derſelben nicht ausreichten. Als natuͤrliche Kraͤfte oder mecha-
niſche Agentien, welche in der Gegenwart beſtaͤndig, obwohl lang-
ſam, an einer Umgeſtaltung der Erdoberflaͤche arbeiten, fuͤhrt Cu-
vier vier wirkende Urſachen auf: erſtens den Regen, welcher die ſtei-
len Gebirgsabhaͤnge abſpuͤlt und Schutt an deren Fuß anhaͤuft; zwei-
tens die fließenden Gewaͤſſer, welche dieſen Schutt fortfuͤhren
und als Schlamm im ſtehenden Waſſer abſetzen; drittens das Meer,
deſſen Brandung die ſteilen Kuͤſtenraͤnder abnagt, und an flachen Kuͤ-
ſtenſaͤumen Duͤnen aufwirft; und endlich viertens die Vulkane,
welche die Schichten der erhaͤrteten Erdrinde durchbrechen und in die
Hoͤhe heben, und welche ihre Auswurfsprodukte aufhaͤufen und um-
herſtreuen. Waͤhrend Cuvier die beſtaͤndige langſame Umbildung
der gegenwaͤrtigen Erdoberflaͤche durch dieſe vier maͤchtigen Urſachen
anerkennt, behauptet er gleichzeitig, daß dieſelben nicht ausgereicht
haben koͤnnten, um die Erdrevolutionen der Vorzeit auszufuͤhren, und
daß man den anatomiſchen Bau der ganzen Erdrinde nicht durch die
nothwendige Wirkung jener mechaniſchen Agentien erklaͤren koͤnne:
vielmehr muͤßten jene wunderbaren, großen Umwaͤlzungen der gan-
zen Erdoberflaͤche durch ganz eigenthuͤmliche, uns gaͤnzlich unbekannte
Urſachen bewirkt worden ſein; der gewoͤhnliche Entwickelungsfaden
ſei durch dieſe Revolutionen zerriſſen, der Gang der Natur veraͤndert.
Dieſe Anſichten legte Cuvier in einem beſonderen, auch ins
Deutſche uͤberſetzten Buche nieder: „Ueber die Revolutionen der Erd-
oberflaͤche, und die Veraͤnderungen, welche ſie im Thierreich hervor-
gebracht haben“. Sie erhielten ſich lange Zeit hindurch in allgemeiner
Geltung, und wurden das groͤßte Hinderniß fuͤr die Entwickelung einer
natuͤrlichen Schoͤpfungsgeſchichte. Denn wenn wirklich ſolche, Alles
vernichtende Revolutionen exiſtirt hatten, ſo war natuͤrlich eine Conti-
nuitaͤt der Artenentwickelung, ein zuſammenhaͤngender Faden der or-
ganiſchen Erdgeſchichte gar nicht anzunehmen, und man mußte
dann ſeine Zuflucht zu der Wirkſamkeit uͤbernatuͤrlicher Kraͤfte, zum
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