Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.Monistische Substanz-Theorie. XII. Verdichtung in principiellen Gegensatz stellt zu dem allgemeinenVorgang der Bewegung -- er meint damit die Schwingung im Sinne der modernen Physik. Auch seine hypothetische "Ver- dichtung" (Pyknosis) ist ebenso durch Bewegung der Sub- stanz bedingt, wie die hypothetische "Schwingung" (Vibration); nur ist die Art der Bewegung und das Verhalten der bewegten Substanz-Theilchen nach der ersteren Hypothese ganz anders als nach der letzteren. Uebrigens wird durch die Verdichtungslehre keineswegs die gesammte Schwingungslehre beseitigt, sondern nur ein wichtiger Theil derselben. Die moderne Physik hält gegenwärtig zum größten Theile Moniſtiſche Subſtanz-Theorie. XII. Verdichtung in principiellen Gegenſatz ſtellt zu dem allgemeinenVorgang der Bewegung — er meint damit die Schwingung im Sinne der modernen Phyſik. Auch ſeine hypothetiſche „Ver- dichtung“ (Pyknoſis) iſt ebenſo durch Bewegung der Sub- ſtanz bedingt, wie die hypothetiſche „Schwingung“ (Vibration); nur iſt die Art der Bewegung und das Verhalten der bewegten Subſtanz-Theilchen nach der erſteren Hypotheſe ganz anders als nach der letzteren. Uebrigens wird durch die Verdichtungslehre keineswegs die geſammte Schwingungslehre beſeitigt, ſondern nur ein wichtiger Theil derſelben. Die moderne Phyſik hält gegenwärtig zum größten Theile <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0270" n="254"/><fw place="top" type="header">Moniſtiſche Subſtanz-Theorie. <hi rendition="#aq">XII.</hi></fw><lb/><hi rendition="#g">Verdichtung</hi> in principiellen Gegenſatz ſtellt zu dem allgemeinen<lb/> Vorgang der <hi rendition="#g">Bewegung</hi> — er meint damit die <hi rendition="#g">Schwingung</hi><lb/> im Sinne der modernen Phyſik. Auch ſeine hypothetiſche „Ver-<lb/> dichtung“ (Pyknoſis) iſt ebenſo durch <hi rendition="#g">Bewegung</hi> der Sub-<lb/> ſtanz bedingt, wie die hypothetiſche „Schwingung“ (Vibration);<lb/> nur iſt die Art der Bewegung und das Verhalten der bewegten<lb/> Subſtanz-Theilchen nach der erſteren Hypotheſe ganz anders als<lb/> nach der letzteren. Uebrigens wird durch die Verdichtungslehre<lb/> keineswegs die geſammte Schwingungslehre beſeitigt, ſondern<lb/> nur ein wichtiger Theil derſelben.</p><lb/> <p>Die moderne Phyſik hält gegenwärtig zum größten Theile<lb/> noch zäh an der älteren Vibrations-Theorie feſt, an der Vor-<lb/> ſtellung der unvermittelten Fernwirkung und der ewigen Schwin-<lb/> gung todter Atome im leeren Raume; ſie verwirft daher die<lb/> Pyknoſe-Theorie. Wenn dieſe letztere nun auch keineswegs<lb/> vollendet ſein mag, und wenn <hi rendition="#g">Vogt's</hi> originelle Spekulationen<lb/> auch mehrfach irre gehen, ſo erblicke ich doch ein großes Ver-<lb/> dienſt dieſes Naturphiloſophen darin, daß er jene unhaltbaren<lb/> Principien der kinetiſchen Subſtanz-Theorie eliminirt. Für<lb/> meine eigene Vorſtellung, wie für diejenige vieler anderer den-<lb/> kender Naturforſcher, muß ich die folgenden, in <hi rendition="#g">Vogt's</hi> pykno-<lb/> tiſcher Subſtanz-Theorie enthaltenen Grundſätze als unentbehrlich<lb/> für eine wirklich <hi rendition="#g">moniſtiſche,</hi> das ganze organiſche und an-<lb/> organiſche Naturgebiet umfaſſende Subſtanz-Anſicht hinſtellen:<lb/><hi rendition="#aq">I.</hi> Die beiden Hauptbeſtandtheile der Subſtanz, Maſſe und<lb/> Aether, ſind nicht todt und nur durch äußere Kräfte beweglich,<lb/> ſondern ſie beſitzen Empfindung und Willen (natürlich niederſten<lb/> Grades!); ſie empfinden Luſt bei Verdichtung, Unluſt bei<lb/> Spannung; ſie ſtreben nach der erſteren und kämpfen gegen<lb/> letztere. <hi rendition="#aq">II.</hi> Es giebt keinen leeren Raum; der Theil des un-<lb/> endlichen Raumes, welchen nicht die Maſſen-Atome einnehmen,<lb/> iſt vom Aether erfüllt. <hi rendition="#aq">III.</hi> Es giebt keine unvermittelte Fern-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [254/0270]
Moniſtiſche Subſtanz-Theorie. XII.
Verdichtung in principiellen Gegenſatz ſtellt zu dem allgemeinen
Vorgang der Bewegung — er meint damit die Schwingung
im Sinne der modernen Phyſik. Auch ſeine hypothetiſche „Ver-
dichtung“ (Pyknoſis) iſt ebenſo durch Bewegung der Sub-
ſtanz bedingt, wie die hypothetiſche „Schwingung“ (Vibration);
nur iſt die Art der Bewegung und das Verhalten der bewegten
Subſtanz-Theilchen nach der erſteren Hypotheſe ganz anders als
nach der letzteren. Uebrigens wird durch die Verdichtungslehre
keineswegs die geſammte Schwingungslehre beſeitigt, ſondern
nur ein wichtiger Theil derſelben.
Die moderne Phyſik hält gegenwärtig zum größten Theile
noch zäh an der älteren Vibrations-Theorie feſt, an der Vor-
ſtellung der unvermittelten Fernwirkung und der ewigen Schwin-
gung todter Atome im leeren Raume; ſie verwirft daher die
Pyknoſe-Theorie. Wenn dieſe letztere nun auch keineswegs
vollendet ſein mag, und wenn Vogt's originelle Spekulationen
auch mehrfach irre gehen, ſo erblicke ich doch ein großes Ver-
dienſt dieſes Naturphiloſophen darin, daß er jene unhaltbaren
Principien der kinetiſchen Subſtanz-Theorie eliminirt. Für
meine eigene Vorſtellung, wie für diejenige vieler anderer den-
kender Naturforſcher, muß ich die folgenden, in Vogt's pykno-
tiſcher Subſtanz-Theorie enthaltenen Grundſätze als unentbehrlich
für eine wirklich moniſtiſche, das ganze organiſche und an-
organiſche Naturgebiet umfaſſende Subſtanz-Anſicht hinſtellen:
I. Die beiden Hauptbeſtandtheile der Subſtanz, Maſſe und
Aether, ſind nicht todt und nur durch äußere Kräfte beweglich,
ſondern ſie beſitzen Empfindung und Willen (natürlich niederſten
Grades!); ſie empfinden Luſt bei Verdichtung, Unluſt bei
Spannung; ſie ſtreben nach der erſteren und kämpfen gegen
letztere. II. Es giebt keinen leeren Raum; der Theil des un-
endlichen Raumes, welchen nicht die Maſſen-Atome einnehmen,
iſt vom Aether erfüllt. III. Es giebt keine unvermittelte Fern-
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