In den höheren und abstrakteren Religions-Formen wird diese körperliche Erscheinung aufgeben und Gott nur als "reiner Geist" ohne Körper verehrt: "Gott ist ein Geist, und wer ihn anbetet, soll ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten." Trotz- dem bleibt aber die Seelenthätigkeit dieses reinen Geistes ganz dieselbe wie diejenige der anthropomorphen Gottes-Person. In Wirklichkeit wird auch dieser immaterielle Geist nicht unkörper- lich, sondern unsichtbar gedacht, gasförmig. Wir gelangen so zu der paradoxen Vorstellung Gottes als eines gasförmigen Wirbelthieres. (Vergl. meine "Generelle Morphologie" 1866.)
II.Pantheismus (All-Eins-Lehre): Gott und Welt sind ein einziges Wesen. Der Begriff Gottes fällt mit demjenigen der Natur oder der Substanz zusammen. Diese pantheistische Weltanschauung steht im Princip sämmtlichen an- geführten und allen sonst noch möglichen Formen des Theis- mus schroff gegenüber, wenngleich man durch Entgegenkommen von beiden Seiten die tiefe Kluft zwischen beiden zu überbrücken sich vielfach bemüht hat. Immer bleibt zwischen beiden der fundamentale Gegensatz bestehen, daß im Theismus Gott als extramundanes Wesen der Natur schaffend und erhaltend gegenübersteht und von außen auf sie einwirkt, während im Pantheismus Gott als intramundanes Wesen allent- halben die Natur selbst ist und und im Innern der Sub- stanz als "Kraft oder Energie" thätig ist. Diese letztere Ansicht allein ist vereinbar mit jenem höchsten Naturgesetze, dessen Er- kenntniß einen der größten Triumphe des 19. Jahrhunderts bildet, mit dem Substanz-Gesetze. Daher ist nothwendiger Weise der Pantheismus die Weltanschauung un- serer modernen Naturwissenschaft. Freilich giebt es auch heute noch nicht wenige Naturforscher, welche diesen Satz bestreiten und welche meinen, die alte theistische Beurtheilung des Menschen mit den pantheistischen Grundgedanken des Substanz-
XV. Naturaliſtiſcher Pantheismus.
In den höheren und abſtrakteren Religions-Formen wird dieſe körperliche Erſcheinung aufgeben und Gott nur als „reiner Geiſt“ ohne Körper verehrt: „Gott iſt ein Geiſt, und wer ihn anbetet, ſoll ihn im Geiſt und in der Wahrheit anbeten.“ Trotz- dem bleibt aber die Seelenthätigkeit dieſes reinen Geiſtes ganz dieſelbe wie diejenige der anthropomorphen Gottes-Perſon. In Wirklichkeit wird auch dieſer immaterielle Geiſt nicht unkörper- lich, ſondern unſichtbar gedacht, gasförmig. Wir gelangen ſo zu der paradoxen Vorſtellung Gottes als eines gasförmigen Wirbelthieres. (Vergl. meine „Generelle Morphologie“ 1866.)
II.Pantheismus (All-Eins-Lehre): Gott und Welt ſind ein einziges Weſen. Der Begriff Gottes fällt mit demjenigen der Natur oder der Subſtanz zuſammen. Dieſe pantheiſtiſche Weltanſchauung ſteht im Princip ſämmtlichen an- geführten und allen ſonſt noch möglichen Formen des Theis- mus ſchroff gegenüber, wenngleich man durch Entgegenkommen von beiden Seiten die tiefe Kluft zwiſchen beiden zu überbrücken ſich vielfach bemüht hat. Immer bleibt zwiſchen beiden der fundamentale Gegenſatz beſtehen, daß im Theismus Gott als extramundanes Weſen der Natur ſchaffend und erhaltend gegenüberſteht und von außen auf ſie einwirkt, während im Pantheismus Gott als intramundanes Weſen allent- halben die Natur ſelbſt iſt und und im Innern der Sub- ſtanz als „Kraft oder Energie“ thätig iſt. Dieſe letztere Anſicht allein iſt vereinbar mit jenem höchſten Naturgeſetze, deſſen Er- kenntniß einen der größten Triumphe des 19. Jahrhunderts bildet, mit dem Subſtanz-Geſetze. Daher iſt nothwendiger Weiſe der Pantheismus die Weltanſchauung un- ſerer modernen Naturwiſſenſchaft. Freilich giebt es auch heute noch nicht wenige Naturforſcher, welche dieſen Satz beſtreiten und welche meinen, die alte theiſtiſche Beurtheilung des Menſchen mit den pantheiſtiſchen Grundgedanken des Subſtanz-
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XV. Naturaliſtiſcher Pantheismus.
In den höheren und abſtrakteren Religions-Formen wird dieſe
körperliche Erſcheinung aufgeben und Gott nur als „reiner
Geiſt“ ohne Körper verehrt: „Gott iſt ein Geiſt, und wer ihn
anbetet, ſoll ihn im Geiſt und in der Wahrheit anbeten.“ Trotz-
dem bleibt aber die Seelenthätigkeit dieſes reinen Geiſtes ganz
dieſelbe wie diejenige der anthropomorphen Gottes-Perſon. In
Wirklichkeit wird auch dieſer immaterielle Geiſt nicht unkörper-
lich, ſondern unſichtbar gedacht, gasförmig. Wir gelangen ſo
zu der paradoxen Vorſtellung Gottes als eines gasförmigen
Wirbelthieres. (Vergl. meine „Generelle Morphologie“ 1866.)
II. Pantheismus (All-Eins-Lehre): Gott und Welt
ſind ein einziges Weſen. Der Begriff Gottes fällt mit
demjenigen der Natur oder der Subſtanz zuſammen. Dieſe
pantheiſtiſche Weltanſchauung ſteht im Princip ſämmtlichen an-
geführten und allen ſonſt noch möglichen Formen des Theis-
mus ſchroff gegenüber, wenngleich man durch Entgegenkommen
von beiden Seiten die tiefe Kluft zwiſchen beiden zu überbrücken
ſich vielfach bemüht hat. Immer bleibt zwiſchen beiden der
fundamentale Gegenſatz beſtehen, daß im Theismus Gott als
extramundanes Weſen der Natur ſchaffend und erhaltend
gegenüberſteht und von außen auf ſie einwirkt, während im
Pantheismus Gott als intramundanes Weſen allent-
halben die Natur ſelbſt iſt und und im Innern der Sub-
ſtanz als „Kraft oder Energie“ thätig iſt. Dieſe letztere Anſicht
allein iſt vereinbar mit jenem höchſten Naturgeſetze, deſſen Er-
kenntniß einen der größten Triumphe des 19. Jahrhunderts
bildet, mit dem Subſtanz-Geſetze. Daher iſt nothwendiger
Weiſe der Pantheismus die Weltanſchauung un-
ſerer modernen Naturwiſſenſchaft. Freilich giebt es
auch heute noch nicht wenige Naturforſcher, welche dieſen Satz
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/349>, abgerufen am 22.11.2024.
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