Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898.wenn man mit einem einfachen: "Ja wohl, sehr!" bestätigen würde, daß man starke Schmerzen hatte. Das sind eben alles Redensarten. Mehr als solche aber werden schon Ablehnungen sein, wenn man z. B. irgend eine dringende Beschäftigung, eine Verabredung, zu welcher man erwartet wird, vorschützt, um sich das Fortgehen zu erleichtern bei einem Besuch, den man nur aus Höflichkeit macht, machen muß, und bei dem man, wieder nur aus Höflichkeit, gebeten wird, noch länger zu bleiben, während man doch schon empfindet, wie überflüssig man ist. Oder ist es nicht eine Unwahrheit, wenn man schreibt, mit wie großer Freude man einer Einladung folgen wird, und bei sich schon im voraus über die langweiligen Stunden entsetzt ist, die man verleben wird? "Wir würden uns sehr freuen, Sie morgen abend bei uns zu sehen", so steht es in der Einladung, und wie manchmal wird die Freude des Gastgebers noch weit größer sein, wenn er eine abschlägige Antwort des ihm so unsympathischen Gastes erhält, den er nur aus irgend welcher Rücksicht einladen mußte. Und doch wird weder der eine in der Einladung, noch der andre in der Antwort seine wirklichen Empfindungen ausdrücken dürfen. Eine Lüge fernerhin ist es, wenn man mit einem einfachen: „Ja wohl, sehr!“ bestätigen würde, daß man starke Schmerzen hatte. Das sind eben alles Redensarten. Mehr als solche aber werden schon Ablehnungen sein, wenn man z. B. irgend eine dringende Beschäftigung, eine Verabredung, zu welcher man erwartet wird, vorschützt, um sich das Fortgehen zu erleichtern bei einem Besuch, den man nur aus Höflichkeit macht, machen muß, und bei dem man, wieder nur aus Höflichkeit, gebeten wird, noch länger zu bleiben, während man doch schon empfindet, wie überflüssig man ist. Oder ist es nicht eine Unwahrheit, wenn man schreibt, mit wie großer Freude man einer Einladung folgen wird, und bei sich schon im voraus über die langweiligen Stunden entsetzt ist, die man verleben wird? „Wir würden uns sehr freuen, Sie morgen abend bei uns zu sehen“, so steht es in der Einladung, und wie manchmal wird die Freude des Gastgebers noch weit größer sein, wenn er eine abschlägige Antwort des ihm so unsympathischen Gastes erhält, den er nur aus irgend welcher Rücksicht einladen mußte. Und doch wird weder der eine in der Einladung, noch der andre in der Antwort seine wirklichen Empfindungen ausdrücken dürfen. Eine Lüge fernerhin ist es, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0234" n="224"/> wenn man mit einem einfachen: „Ja wohl, sehr!“ bestätigen würde, daß man starke Schmerzen hatte. Das sind eben alles Redensarten. Mehr als solche aber werden schon Ablehnungen sein, wenn man z. B. irgend eine dringende Beschäftigung, eine Verabredung, zu welcher man erwartet wird, vorschützt, um sich das Fortgehen zu erleichtern bei einem Besuch, den man nur aus Höflichkeit macht, machen muß, und bei dem man, wieder nur aus Höflichkeit, gebeten wird, noch länger zu bleiben, während man doch schon empfindet, wie überflüssig man ist. Oder ist es nicht eine Unwahrheit, wenn man schreibt, mit wie großer Freude man einer Einladung folgen wird, und bei sich schon im voraus über die langweiligen Stunden entsetzt ist, die man verleben wird? „Wir würden uns sehr freuen, Sie morgen abend bei uns zu sehen“, so steht es in der Einladung, und wie manchmal wird die Freude des Gastgebers noch weit größer sein, wenn er eine abschlägige Antwort des ihm so unsympathischen Gastes erhält, den er nur aus irgend welcher Rücksicht einladen mußte. Und doch wird weder der eine in der Einladung, noch der andre in der Antwort seine wirklichen Empfindungen ausdrücken dürfen. Eine Lüge fernerhin ist es, </p> </div> </body> </text> </TEI> [224/0234]
wenn man mit einem einfachen: „Ja wohl, sehr!“ bestätigen würde, daß man starke Schmerzen hatte. Das sind eben alles Redensarten. Mehr als solche aber werden schon Ablehnungen sein, wenn man z. B. irgend eine dringende Beschäftigung, eine Verabredung, zu welcher man erwartet wird, vorschützt, um sich das Fortgehen zu erleichtern bei einem Besuch, den man nur aus Höflichkeit macht, machen muß, und bei dem man, wieder nur aus Höflichkeit, gebeten wird, noch länger zu bleiben, während man doch schon empfindet, wie überflüssig man ist. Oder ist es nicht eine Unwahrheit, wenn man schreibt, mit wie großer Freude man einer Einladung folgen wird, und bei sich schon im voraus über die langweiligen Stunden entsetzt ist, die man verleben wird? „Wir würden uns sehr freuen, Sie morgen abend bei uns zu sehen“, so steht es in der Einladung, und wie manchmal wird die Freude des Gastgebers noch weit größer sein, wenn er eine abschlägige Antwort des ihm so unsympathischen Gastes erhält, den er nur aus irgend welcher Rücksicht einladen mußte. Und doch wird weder der eine in der Einladung, noch der andre in der Antwort seine wirklichen Empfindungen ausdrücken dürfen. Eine Lüge fernerhin ist es,
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