Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898.wenn die Dame des Hauses sich dadurch der Verlegenheit entzieht, Besuche zu empfangen, daß sie durch das Mädchen sagen läßt, sie sei nicht zu Hause. Und gerade diese Verleugnung läßt sich noch am besten vermeiden, indem man einfach, ohne weitere Angabe der Gründe, sein Bedauern ausdrücken läßt, jemand nicht empfangen zu können. Eine ebenso große Lüge ist es aber auch wenn man einen Besuch macht zu einer Zeit, von der man gewiß weiß, daß die Betreffenden ausgegangen oder bei Tisch sind und niemand empfangen können, und eine noch gröbere Unwahrheit würde es sein, wollte man jemand auf einen Tag einladen, von welchem einem bekannt ist, daß an demselben schon eine andere Festlichkeit stattfindet, bei welcher jener beteiligt ist oder sein muß. Der feinfühlende Mann wird aber öfters noch zu andern Unwahrheiten genötigt sein. Wenn man z. B. etwas spät am Nachmittag einen Besuch macht und eine Gesellschaft trifft, die schon früher Kaffee getrunken hat, so erfordert es der gute Ton, daß die Hausfrau fragt, ob sie einem noch eine Tasse anbieten dürfe; ebenso wird es aber der gute Ton fordern, daß man für dieses Anerbieten bestens dankt, wenn man das Empfinden hat, daß seine Ausführung mit großen Umständen wenn die Dame des Hauses sich dadurch der Verlegenheit entzieht, Besuche zu empfangen, daß sie durch das Mädchen sagen läßt, sie sei nicht zu Hause. Und gerade diese Verleugnung läßt sich noch am besten vermeiden, indem man einfach, ohne weitere Angabe der Gründe, sein Bedauern ausdrücken läßt, jemand nicht empfangen zu können. Eine ebenso große Lüge ist es aber auch wenn man einen Besuch macht zu einer Zeit, von der man gewiß weiß, daß die Betreffenden ausgegangen oder bei Tisch sind und niemand empfangen können, und eine noch gröbere Unwahrheit würde es sein, wollte man jemand auf einen Tag einladen, von welchem einem bekannt ist, daß an demselben schon eine andere Festlichkeit stattfindet, bei welcher jener beteiligt ist oder sein muß. Der feinfühlende Mann wird aber öfters noch zu andern Unwahrheiten genötigt sein. Wenn man z. B. etwas spät am Nachmittag einen Besuch macht und eine Gesellschaft trifft, die schon früher Kaffee getrunken hat, so erfordert es der gute Ton, daß die Hausfrau fragt, ob sie einem noch eine Tasse anbieten dürfe; ebenso wird es aber der gute Ton fordern, daß man für dieses Anerbieten bestens dankt, wenn man das Empfinden hat, daß seine Ausführung mit großen Umständen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0235" n="225"/> wenn die Dame des Hauses sich dadurch der Verlegenheit entzieht, Besuche zu empfangen, daß sie durch das Mädchen sagen läßt, sie sei nicht zu Hause. Und gerade diese Verleugnung läßt sich noch am besten vermeiden, indem man einfach, ohne weitere Angabe der Gründe, sein Bedauern ausdrücken läßt, jemand nicht empfangen zu können.</p> <p>Eine ebenso große Lüge ist es aber auch wenn man einen Besuch macht zu einer Zeit, von der man gewiß weiß, daß die Betreffenden ausgegangen oder bei Tisch sind und niemand empfangen können, und eine noch gröbere Unwahrheit würde es sein, wollte man jemand auf einen Tag einladen, von welchem einem bekannt ist, daß an demselben schon eine andere Festlichkeit stattfindet, bei welcher jener beteiligt ist oder sein muß.</p> <p>Der feinfühlende Mann wird aber öfters noch zu andern Unwahrheiten genötigt sein. Wenn man z. B. etwas spät am Nachmittag einen Besuch macht und eine Gesellschaft trifft, die schon früher Kaffee getrunken hat, so erfordert es der gute Ton, daß die Hausfrau fragt, ob sie einem noch eine Tasse anbieten dürfe; ebenso wird es aber der gute Ton fordern, daß man für dieses Anerbieten bestens dankt, wenn man das Empfinden hat, daß seine Ausführung mit großen Umständen </p> </div> </body> </text> </TEI> [225/0235]
wenn die Dame des Hauses sich dadurch der Verlegenheit entzieht, Besuche zu empfangen, daß sie durch das Mädchen sagen läßt, sie sei nicht zu Hause. Und gerade diese Verleugnung läßt sich noch am besten vermeiden, indem man einfach, ohne weitere Angabe der Gründe, sein Bedauern ausdrücken läßt, jemand nicht empfangen zu können.
Eine ebenso große Lüge ist es aber auch wenn man einen Besuch macht zu einer Zeit, von der man gewiß weiß, daß die Betreffenden ausgegangen oder bei Tisch sind und niemand empfangen können, und eine noch gröbere Unwahrheit würde es sein, wollte man jemand auf einen Tag einladen, von welchem einem bekannt ist, daß an demselben schon eine andere Festlichkeit stattfindet, bei welcher jener beteiligt ist oder sein muß.
Der feinfühlende Mann wird aber öfters noch zu andern Unwahrheiten genötigt sein. Wenn man z. B. etwas spät am Nachmittag einen Besuch macht und eine Gesellschaft trifft, die schon früher Kaffee getrunken hat, so erfordert es der gute Ton, daß die Hausfrau fragt, ob sie einem noch eine Tasse anbieten dürfe; ebenso wird es aber der gute Ton fordern, daß man für dieses Anerbieten bestens dankt, wenn man das Empfinden hat, daß seine Ausführung mit großen Umständen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-03-19T14:09:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-03-19T14:09:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-03-19T14:09:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |