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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

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Schlagadern.
der gegen über liegenden Seite, und in die Pfortadern (d).
An der Milz geschahe dieses von Wilhelm Stukke-
ley
(e); an der Lunge und dem Gekröse von Fr. Bois-
sier
(f). George Friedr. Frank versichert, daß die
eingesprizzte Säfte, aller Orten am menschlichen Leibe
und in allen Eingeweiden, aus den Schlagadern in die
nächsten Blutadern übergehen (g). A. Kaauw Boer-
haave
sahe daß die wachshafte Materie aller Orten,
durch die ganze Aorte, in die Holblutader (caua) ein-
drang (h). Durch eine eilfschuhige senkrechte Röhre er-
hielt man, daß das Wasser den Körper eines ganzen
Ochsen erfüllte, und aus den Schlagadern wieder in die
Blutadern zurükkehrte (i), ohnerachtet eben der Verfas-
ser vorher schrieb, daß es schwerlich in dieselben überzu-
gehen pflege (k). Jch habe hingegen vor meine Person
bey sehr vielen Versuchen wahrgenommen, daß dieses
beinahe in allen Gefässen unsers Körpers, besonders aber
an der Niere, dem Gehirne, dem Gekröse, und der Lun-
ge, ganz leicht von statten gehe.

Ohnerachtet nun diese Erscheinungen an sich ganz
deutlich und offenbar sind, so ist dennoch billig, daß man
noch erstlich untersuche, ob diejenigen berühmten Män-
ner Recht gehabt, die das Gegentheil davon behauptet.
Bohn gründete sich hauptsächlich auf den Saz, daß ein
in die Blutader gesprizter Liquor niemals in eine Schlag-
ader übergehe (l). Wir könnten Gegenversuche, und ei-
nen neuern Verfasser, den vortreflichen Christoph Jak.
Trew (m), anführen, welcher deutlich gesehen, daß sich

das
(d) [Spaltenumbruch] Traite des liqueurs. S. 177.
(e) Of the spleen. S. 17. Diese
Begebenheit nehme ich allein an,
ob ich gleich seinen wunderbaren
Blutaderbau gar nicht annehmen
möchte, da sie in ihren Röhrchen
die Schlagadern einschliessen.
(f) Traite de l'inflammat. 215.
(g) Jn dem ganzen Tractat, der
[Spaltenumbruch] den Titul führt: Anastomosis re-
tecta.
(h) De Persp. n. 550. 151.
(i) Phil. exp. 84. 91. u. w.
(k) Haemast. 144.
(l) Angef. Ort. S. 100.
(m) Comm. Noric. 1739. Wo-
che 36.
M 2

Schlagadern.
der gegen uͤber liegenden Seite, und in die Pfortadern (d).
An der Milz geſchahe dieſes von Wilhelm Stukke-
ley
(e); an der Lunge und dem Gekroͤſe von Fr. Boiſ-
ſier
(f). George Friedr. Frank verſichert, daß die
eingeſprizzte Saͤfte, aller Orten am menſchlichen Leibe
und in allen Eingeweiden, aus den Schlagadern in die
naͤchſten Blutadern uͤbergehen (g). A. Kaauw Boer-
haave
ſahe daß die wachshafte Materie aller Orten,
durch die ganze Aorte, in die Holblutader (caua) ein-
drang (h). Durch eine eilfſchuhige ſenkrechte Roͤhre er-
hielt man, daß das Waſſer den Koͤrper eines ganzen
Ochſen erfuͤllte, und aus den Schlagadern wieder in die
Blutadern zuruͤkkehrte (i), ohnerachtet eben der Verfaſ-
ſer vorher ſchrieb, daß es ſchwerlich in dieſelben uͤberzu-
gehen pflege (k). Jch habe hingegen vor meine Perſon
bey ſehr vielen Verſuchen wahrgenommen, daß dieſes
beinahe in allen Gefaͤſſen unſers Koͤrpers, beſonders aber
an der Niere, dem Gehirne, dem Gekroͤſe, und der Lun-
ge, ganz leicht von ſtatten gehe.

Ohnerachtet nun dieſe Erſcheinungen an ſich ganz
deutlich und offenbar ſind, ſo iſt dennoch billig, daß man
noch erſtlich unterſuche, ob diejenigen beruͤhmten Maͤn-
ner Recht gehabt, die das Gegentheil davon behauptet.
Bohn gruͤndete ſich hauptſaͤchlich auf den Saz, daß ein
in die Blutader geſprizter Liquor niemals in eine Schlag-
ader uͤbergehe (l). Wir koͤnnten Gegenverſuche, und ei-
nen neuern Verfaſſer, den vortreflichen Chriſtoph Jak.
Trew (m), anfuͤhren, welcher deutlich geſehen, daß ſich

das
(d) [Spaltenumbruch] Traité des liqueurs. S. 177.
(e) Of the ſpleen. S. 17. Dieſe
Begebenheit nehme ich allein an,
ob ich gleich ſeinen wunderbaren
Blutaderbau gar nicht annehmen
moͤchte, da ſie in ihren Roͤhrchen
die Schlagadern einſchlieſſen.
(f) Traité de l’inflammat. 215.
(g) Jn dem ganzen Tractat, der
[Spaltenumbruch] den Titul fuͤhrt: Anaſtomoſis re-
tecta.
(h) De Perſp. n. 550. 151.
(i) Phil. exp. 84. 91. u. w.
(k) Hæmaſt. 144.
(l) Angef. Ort. S. 100.
(m) Comm. Noric. 1739. Wo-
che 36.
M 2
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[179/0235] Schlagadern. der gegen uͤber liegenden Seite, und in die Pfortadern (d). An der Milz geſchahe dieſes von Wilhelm Stukke- ley (e); an der Lunge und dem Gekroͤſe von Fr. Boiſ- ſier (f). George Friedr. Frank verſichert, daß die eingeſprizzte Saͤfte, aller Orten am menſchlichen Leibe und in allen Eingeweiden, aus den Schlagadern in die naͤchſten Blutadern uͤbergehen (g). A. Kaauw Boer- haave ſahe daß die wachshafte Materie aller Orten, durch die ganze Aorte, in die Holblutader (caua) ein- drang (h). Durch eine eilfſchuhige ſenkrechte Roͤhre er- hielt man, daß das Waſſer den Koͤrper eines ganzen Ochſen erfuͤllte, und aus den Schlagadern wieder in die Blutadern zuruͤkkehrte (i), ohnerachtet eben der Verfaſ- ſer vorher ſchrieb, daß es ſchwerlich in dieſelben uͤberzu- gehen pflege (k). Jch habe hingegen vor meine Perſon bey ſehr vielen Verſuchen wahrgenommen, daß dieſes beinahe in allen Gefaͤſſen unſers Koͤrpers, beſonders aber an der Niere, dem Gehirne, dem Gekroͤſe, und der Lun- ge, ganz leicht von ſtatten gehe. Ohnerachtet nun dieſe Erſcheinungen an ſich ganz deutlich und offenbar ſind, ſo iſt dennoch billig, daß man noch erſtlich unterſuche, ob diejenigen beruͤhmten Maͤn- ner Recht gehabt, die das Gegentheil davon behauptet. Bohn gruͤndete ſich hauptſaͤchlich auf den Saz, daß ein in die Blutader geſprizter Liquor niemals in eine Schlag- ader uͤbergehe (l). Wir koͤnnten Gegenverſuche, und ei- nen neuern Verfaſſer, den vortreflichen Chriſtoph Jak. Trew (m), anfuͤhren, welcher deutlich geſehen, daß ſich das (d) Traité des liqueurs. S. 177. (e) Of the ſpleen. S. 17. Dieſe Begebenheit nehme ich allein an, ob ich gleich ſeinen wunderbaren Blutaderbau gar nicht annehmen moͤchte, da ſie in ihren Roͤhrchen die Schlagadern einſchlieſſen. (f) Traité de l’inflammat. 215. (g) Jn dem ganzen Tractat, der den Titul fuͤhrt: Anaſtomoſis re- tecta. (h) De Perſp. n. 550. 151. (i) Phil. exp. 84. 91. u. w. (k) Hæmaſt. 144. (l) Angef. Ort. S. 100. (m) Comm. Noric. 1739. Wo- che 36. M 2

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/235>, abgerufen am 21.11.2024.