die Scheidekunst ganz allein die wahre Be- schaffenheit des Blutes, der Milch, des Harns und der Galle, ob sie nämlich fett, gelinde, laugenhaft, oder von andrer Art sey. Man muß aber auch allezeit wohl bedenken, was das Feuer, oder die Fäulung vor eine grosse Kraft haben, die Körper zu verändern, und darf daher nicht so unbedachtsam schliessen, daß in unsren Säften diejenigen Salze schon vorher wären vorhanden gewesen, die das Feuer aus denenselben hervorgebracht hat.
Da aber die gesamte Phisiologie eine Er- zählung von denen Bewegungen ist, die eine beseelte Maschine beleben, und da ferner alle Bewegungen ihre besondern Gesezze haben, nach welchen sie verrichtet werden, so siehet man daraus, warum man gegen den Beschlus des vorigen Jahrhunderts die mechanischen, hidrostatischen, und hidraulischen Säzze in die Phisiologie aufgenommen hat. Es äus- sern sich zwar in diesen Künsten, ausser ih- rem Nuzzen, freilich auch viele Schwierig- keiten, und wenn man alles zusammen rech- net, was etwa sowol böses, als gutes, von denen Verehrern dieser Künste aus denensel- ben in die Phisiologie ist eingeführet worden, so werden sich vielleicht Leute finden, welche uns zum Verluste des Guten noch Glük
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Vorrede des Verfaſſers.
die Scheidekunſt ganz allein die wahre Be- ſchaffenheit des Blutes, der Milch, des Harns und der Galle, ob ſie naͤmlich fett, gelinde, laugenhaft, oder von andrer Art ſey. Man muß aber auch allezeit wohl bedenken, was das Feuer, oder die Faͤulung vor eine groſſe Kraft haben, die Koͤrper zu veraͤndern, und darf daher nicht ſo unbedachtſam ſchlieſſen, daß in unſren Saͤften diejenigen Salze ſchon vorher waͤren vorhanden geweſen, die das Feuer aus denenſelben hervorgebracht hat.
Da aber die geſamte Phiſiologie eine Er- zaͤhlung von denen Bewegungen iſt, die eine beſeelte Maſchine beleben, und da ferner alle Bewegungen ihre beſondern Geſezze haben, nach welchen ſie verrichtet werden, ſo ſiehet man daraus, warum man gegen den Beſchlus des vorigen Jahrhunderts die mechaniſchen, hidroſtatiſchen, und hidrauliſchen Saͤzze in die Phiſiologie aufgenommen hat. Es aͤuſ- ſern ſich zwar in dieſen Kuͤnſten, auſſer ih- rem Nuzzen, freilich auch viele Schwierig- keiten, und wenn man alles zuſammen rech- net, was etwa ſowol boͤſes, als gutes, von denen Verehrern dieſer Kuͤnſte aus denenſel- ben in die Phiſiologie iſt eingefuͤhret worden, ſo werden ſich vielleicht Leute finden, welche uns zum Verluſte des Guten noch Gluͤk
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[0027]
Vorrede des Verfaſſers.
die Scheidekunſt ganz allein die wahre Be-
ſchaffenheit des Blutes, der Milch, des Harns
und der Galle, ob ſie naͤmlich fett, gelinde,
laugenhaft, oder von andrer Art ſey. Man
muß aber auch allezeit wohl bedenken, was
das Feuer, oder die Faͤulung vor eine groſſe
Kraft haben, die Koͤrper zu veraͤndern, und
darf daher nicht ſo unbedachtſam ſchlieſſen,
daß in unſren Saͤften diejenigen Salze ſchon
vorher waͤren vorhanden geweſen, die das
Feuer aus denenſelben hervorgebracht hat.
Da aber die geſamte Phiſiologie eine Er-
zaͤhlung von denen Bewegungen iſt, die eine
beſeelte Maſchine beleben, und da ferner alle
Bewegungen ihre beſondern Geſezze haben,
nach welchen ſie verrichtet werden, ſo ſiehet
man daraus, warum man gegen den Beſchlus
des vorigen Jahrhunderts die mechaniſchen,
hidroſtatiſchen, und hidrauliſchen Saͤzze in
die Phiſiologie aufgenommen hat. Es aͤuſ-
ſern ſich zwar in dieſen Kuͤnſten, auſſer ih-
rem Nuzzen, freilich auch viele Schwierig-
keiten, und wenn man alles zuſammen rech-
net, was etwa ſowol boͤſes, als gutes, von
denen Verehrern dieſer Kuͤnſte aus denenſel-
ben in die Phiſiologie iſt eingefuͤhret worden,
ſo werden ſich vielleicht Leute finden, welche
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/27>, abgerufen am 24.11.2024.
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