überhaupt die eigentliche Beschaffenheit dieses gefährli- chen Zufalls noch nicht hinlänglich genung ist eingesehen worden.
Endlich erlauben noch viele andere Umstände, die ich auch schon vorlängst als Zweifel angeführet habe (f), gar nicht, daß man die vielen Ordnungen von immer kleiner werdenden und stuffenweise abnehmenden Gefässen zuge- ben könnte. Denn erstlich muß wohl allerdings eine Blutader, die eigentlich Blut führet, sich auf das leichteste durch eine solche rothe Schlagader anfüllen lassen, die zur Aufnahme rother Kügelchen bestimmt und eingerichtet, mithin also weiter ist, als alle Schlagäderchen der klei- nern Geschlechter sind. Zweitens muß ein gefärbter Saft in eine gelbrothe Schlagader etwas mühsamer, als in eine rothe Blutader, jedoch zugleich leichter, als in andre Gefässe der kleineren Geschlechte übergehen, da sie die weiteste unter den kleinern ist. Daher muß ein lim- phatisches, oder zu durchsichtigen Flüßigkeiten bestimmtes Schlagäderchen den eingesprizzten Saft mit grösserer Schwierigkeit in sich nehmen: denn es wird dieser Saft nicht in dieselbe hineindringen können, wenn er nicht vor- her sowol durch die rothe, als gelbliche Schlagader hin- durch gegangen ist: diese Schwierigkeit wird hiernächst, theils von der Enge dieses Schlagäderchens, theils auch durch den Aufenthalt vergrössert werden, den der einge- sprizte Saft in den gelben, kegelförmigen und ästigen Gefässen ohnumgänglich erleiden muß. Wenn aber hin- gegen die Rede von denen Blutkügelchen und ihren Durchgang durch die kleinen Gefässe ist, so wird ohn- fehlbar ein rothes Kügelchen mit der grössesten Schwie- rigkeit, und ungemein selten durch die ganze Länge eines gelben Schlagäderchen fortgehen können, indem dessen grösseste Oefnung im Lichten kleiner ist, als ein solches
Kügel-
(f)Prael. ad boerh. T. II. n. 245. not. c.
Zweites Buch. Gefaͤſſe.
uͤberhaupt die eigentliche Beſchaffenheit dieſes gefaͤhrli- chen Zufalls noch nicht hinlaͤnglich genung iſt eingeſehen worden.
Endlich erlauben noch viele andere Umſtaͤnde, die ich auch ſchon vorlaͤngſt als Zweifel angefuͤhret habe (f), gar nicht, daß man die vielen Ordnungen von immer kleiner werdenden und ſtuffenweiſe abnehmenden Gefaͤſſen zuge- ben koͤnnte. Denn erſtlich muß wohl allerdings eine Blutader, die eigentlich Blut fuͤhret, ſich auf das leichteſte durch eine ſolche rothe Schlagader anfuͤllen laſſen, die zur Aufnahme rother Kuͤgelchen beſtimmt und eingerichtet, mithin alſo weiter iſt, als alle Schlagaͤderchen der klei- nern Geſchlechter ſind. Zweitens muß ein gefaͤrbter Saft in eine gelbrothe Schlagader etwas muͤhſamer, als in eine rothe Blutader, jedoch zugleich leichter, als in andre Gefaͤſſe der kleineren Geſchlechte uͤbergehen, da ſie die weiteſte unter den kleinern iſt. Daher muß ein lim- phatiſches, oder zu durchſichtigen Fluͤßigkeiten beſtimmtes Schlagaͤderchen den eingeſprizzten Saft mit groͤſſerer Schwierigkeit in ſich nehmen: denn es wird dieſer Saft nicht in dieſelbe hineindringen koͤnnen, wenn er nicht vor- her ſowol durch die rothe, als gelbliche Schlagader hin- durch gegangen iſt: dieſe Schwierigkeit wird hiernaͤchſt, theils von der Enge dieſes Schlagaͤderchens, theils auch durch den Aufenthalt vergroͤſſert werden, den der einge- ſprizte Saft in den gelben, kegelfoͤrmigen und aͤſtigen Gefaͤſſen ohnumgaͤnglich erleiden muß. Wenn aber hin- gegen die Rede von denen Blutkuͤgelchen und ihren Durchgang durch die kleinen Gefaͤſſe iſt, ſo wird ohn- fehlbar ein rothes Kuͤgelchen mit der groͤſſeſten Schwie- rigkeit, und ungemein ſelten durch die ganze Laͤnge eines gelben Schlagaͤderchen fortgehen koͤnnen, indem deſſen groͤſſeſte Oefnung im Lichten kleiner iſt, als ein ſolches
Kuͤgel-
(f)Præl. ad boerh. T. II. n. 245. not. c.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0276"n="220"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Zweites Buch. Gefaͤſſe.</hi></fw><lb/>
uͤberhaupt die eigentliche Beſchaffenheit dieſes gefaͤhrli-<lb/>
chen Zufalls noch nicht hinlaͤnglich genung iſt eingeſehen<lb/>
worden.</p><lb/><p>Endlich erlauben noch viele andere Umſtaͤnde, die ich auch<lb/>ſchon vorlaͤngſt als Zweifel angefuͤhret habe <noteplace="foot"n="(f)"><hirendition="#aq">Præl. ad <hirendition="#k">boerh.</hi> T. II. n. 245. not. c.</hi></note>, gar<lb/>
nicht, daß man die vielen Ordnungen von immer kleiner<lb/>
werdenden und ſtuffenweiſe abnehmenden Gefaͤſſen zuge-<lb/>
ben koͤnnte. Denn erſtlich muß wohl allerdings eine<lb/>
Blutader, die eigentlich Blut fuͤhret, ſich auf das leichteſte<lb/>
durch eine ſolche rothe Schlagader anfuͤllen laſſen, die zur<lb/>
Aufnahme rother Kuͤgelchen beſtimmt und eingerichtet,<lb/>
mithin alſo weiter iſt, als alle Schlagaͤderchen der klei-<lb/>
nern Geſchlechter ſind. Zweitens muß ein gefaͤrbter<lb/>
Saft in eine gelbrothe Schlagader etwas muͤhſamer, als<lb/>
in eine rothe Blutader, jedoch zugleich leichter, als in<lb/>
andre Gefaͤſſe der kleineren Geſchlechte uͤbergehen, da ſie<lb/>
die weiteſte unter den kleinern iſt. Daher muß ein lim-<lb/>
phatiſches, oder zu durchſichtigen Fluͤßigkeiten beſtimmtes<lb/>
Schlagaͤderchen den eingeſprizzten Saft mit groͤſſerer<lb/>
Schwierigkeit in ſich nehmen: denn es wird dieſer Saft<lb/>
nicht in dieſelbe hineindringen koͤnnen, wenn er nicht vor-<lb/>
her ſowol durch die rothe, als gelbliche Schlagader hin-<lb/>
durch gegangen iſt: dieſe Schwierigkeit wird hiernaͤchſt,<lb/>
theils von der Enge dieſes Schlagaͤderchens, theils auch<lb/>
durch den Aufenthalt vergroͤſſert werden, den der einge-<lb/>ſprizte Saft in den gelben, kegelfoͤrmigen und aͤſtigen<lb/>
Gefaͤſſen ohnumgaͤnglich erleiden muß. Wenn aber hin-<lb/>
gegen die Rede von denen Blutkuͤgelchen und ihren<lb/>
Durchgang durch die kleinen Gefaͤſſe iſt, ſo wird ohn-<lb/>
fehlbar ein rothes Kuͤgelchen mit der groͤſſeſten Schwie-<lb/>
rigkeit, und ungemein ſelten durch die ganze Laͤnge eines<lb/>
gelben Schlagaͤderchen fortgehen koͤnnen, indem deſſen<lb/>
groͤſſeſte Oefnung im Lichten kleiner iſt, als ein ſolches<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Kuͤgel-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[220/0276]
Zweites Buch. Gefaͤſſe.
uͤberhaupt die eigentliche Beſchaffenheit dieſes gefaͤhrli-
chen Zufalls noch nicht hinlaͤnglich genung iſt eingeſehen
worden.
Endlich erlauben noch viele andere Umſtaͤnde, die ich auch
ſchon vorlaͤngſt als Zweifel angefuͤhret habe (f), gar
nicht, daß man die vielen Ordnungen von immer kleiner
werdenden und ſtuffenweiſe abnehmenden Gefaͤſſen zuge-
ben koͤnnte. Denn erſtlich muß wohl allerdings eine
Blutader, die eigentlich Blut fuͤhret, ſich auf das leichteſte
durch eine ſolche rothe Schlagader anfuͤllen laſſen, die zur
Aufnahme rother Kuͤgelchen beſtimmt und eingerichtet,
mithin alſo weiter iſt, als alle Schlagaͤderchen der klei-
nern Geſchlechter ſind. Zweitens muß ein gefaͤrbter
Saft in eine gelbrothe Schlagader etwas muͤhſamer, als
in eine rothe Blutader, jedoch zugleich leichter, als in
andre Gefaͤſſe der kleineren Geſchlechte uͤbergehen, da ſie
die weiteſte unter den kleinern iſt. Daher muß ein lim-
phatiſches, oder zu durchſichtigen Fluͤßigkeiten beſtimmtes
Schlagaͤderchen den eingeſprizzten Saft mit groͤſſerer
Schwierigkeit in ſich nehmen: denn es wird dieſer Saft
nicht in dieſelbe hineindringen koͤnnen, wenn er nicht vor-
her ſowol durch die rothe, als gelbliche Schlagader hin-
durch gegangen iſt: dieſe Schwierigkeit wird hiernaͤchſt,
theils von der Enge dieſes Schlagaͤderchens, theils auch
durch den Aufenthalt vergroͤſſert werden, den der einge-
ſprizte Saft in den gelben, kegelfoͤrmigen und aͤſtigen
Gefaͤſſen ohnumgaͤnglich erleiden muß. Wenn aber hin-
gegen die Rede von denen Blutkuͤgelchen und ihren
Durchgang durch die kleinen Gefaͤſſe iſt, ſo wird ohn-
fehlbar ein rothes Kuͤgelchen mit der groͤſſeſten Schwie-
rigkeit, und ungemein ſelten durch die ganze Laͤnge eines
gelben Schlagaͤderchen fortgehen koͤnnen, indem deſſen
groͤſſeſte Oefnung im Lichten kleiner iſt, als ein ſolches
Kuͤgel-
(f) Præl. ad boerh. T. II. n. 245. not. c.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/276>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.