oder etwas mehr oder weniger. Eben diese Kammer wird nach der Ausstossung dieser zwo Unzen kleiner und ausgeleert, oder es bleibet nur etwas sehr weniges in ei- nigen Winkeln des Herzens zurükke. Denn es könnte so wenig das Herz zu einiger Ruhe kommen, wenn es von allzuvielen Blute gereizt würde, als sonsten bei den Thie- ren, deren Herz durchsichtig ist, und im Hühnchen wel- ches sich in einem bebrüteten Eye befindet, etwas da- selbst zurükbleiben kann, indem das Herz dererselben nach geschehenen Zusammenziehen gänzlich blaß wird. Gesezt aber, man wollte auch annehmen, daß nach jedem Herzschlage etwas übrig bleibe, so würde dar- aus wider uns nichts gefolgert werden können. Denn entweder müste das, was man wollte übrig bleiben las- sen, unter dem nächsten Herzschlage mit herauslaufen, daß nach der zweiten Pulsirung wieder eben so viel übrig bliebe, als sich nach der ersten im Herzen verhalten, und es müste jederzeit so viel von dem alten Blute aus dem Herzen herausgetrieben werden, als sich neues darinnen verspätet und gesammlet hätte; alsdenn werden aber die vorigen zwo Unzen mit jeder Pulsirung aus dem Herzen herausgehen. Oder man sezze, daß bei jedem Herz- schlage etwas im Herzen zurükgelassen werde, welches der nächste Herzschlag nicht einmal wieder fortschafte, so wird sich der Strom des Schlagaderblutes in der That um so viel vermindern. Man nehme aber an, daß sol- ches nur eine Quente Bluts betragen würde; so folget daraus, wenn nach jedem Herzschlage eine Quente im Herzen zurükke bleibt, daß nach tausend Pulsirungen sich tausend Quenten darinnen verhalten müssen, und da würde es in der That lächerlich seyn, wenn man behau- pten wollte, daß eine solche Menge in dem Herzen könte aufbehalten werden. Es sey demnach die Menge Blut, welches sich mit dem ersten Schlage aus dem Herzen er- giesset, a, man bezeichne den Rest, den dieser Blut-
strom
Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes
oder etwas mehr oder weniger. Eben dieſe Kammer wird nach der Ausſtoſſung dieſer zwo Unzen kleiner und ausgeleert, oder es bleibet nur etwas ſehr weniges in ei- nigen Winkeln des Herzens zuruͤkke. Denn es koͤnnte ſo wenig das Herz zu einiger Ruhe kommen, wenn es von allzuvielen Blute gereizt wuͤrde, als ſonſten bei den Thie- ren, deren Herz durchſichtig iſt, und im Huͤhnchen wel- ches ſich in einem bebruͤteten Eye befindet, etwas da- ſelbſt zuruͤkbleiben kann, indem das Herz dererſelben nach geſchehenen Zuſammenziehen gaͤnzlich blaß wird. Geſezt aber, man wollte auch annehmen, daß nach jedem Herzſchlage etwas uͤbrig bleibe, ſo wuͤrde dar- aus wider uns nichts gefolgert werden koͤnnen. Denn entweder muͤſte das, was man wollte uͤbrig bleiben laſ- ſen, unter dem naͤchſten Herzſchlage mit herauslaufen, daß nach der zweiten Pulſirung wieder eben ſo viel uͤbrig bliebe, als ſich nach der erſten im Herzen verhalten, und es muͤſte jederzeit ſo viel von dem alten Blute aus dem Herzen herausgetrieben werden, als ſich neues darinnen verſpaͤtet und geſammlet haͤtte; alsdenn werden aber die vorigen zwo Unzen mit jeder Pulſirung aus dem Herzen herausgehen. Oder man ſezze, daß bei jedem Herz- ſchlage etwas im Herzen zuruͤkgelaſſen werde, welches der naͤchſte Herzſchlag nicht einmal wieder fortſchafte, ſo wird ſich der Strom des Schlagaderblutes in der That um ſo viel vermindern. Man nehme aber an, daß ſol- ches nur eine Quente Bluts betragen wuͤrde; ſo folget daraus, wenn nach jedem Herzſchlage eine Quente im Herzen zuruͤkke bleibt, daß nach tauſend Pulſirungen ſich tauſend Quenten darinnen verhalten muͤſſen, und da wuͤrde es in der That laͤcherlich ſeyn, wenn man behau- pten wollte, daß eine ſolche Menge in dem Herzen koͤnte aufbehalten werden. Es ſey demnach die Menge Blut, welches ſich mit dem erſten Schlage aus dem Herzen er- gieſſet, a, man bezeichne den Reſt, den dieſer Blut-
ſtrom
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[416/0472]
Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes
oder etwas mehr oder weniger. Eben dieſe Kammer
wird nach der Ausſtoſſung dieſer zwo Unzen kleiner und
ausgeleert, oder es bleibet nur etwas ſehr weniges in ei-
nigen Winkeln des Herzens zuruͤkke. Denn es koͤnnte ſo
wenig das Herz zu einiger Ruhe kommen, wenn es von
allzuvielen Blute gereizt wuͤrde, als ſonſten bei den Thie-
ren, deren Herz durchſichtig iſt, und im Huͤhnchen wel-
ches ſich in einem bebruͤteten Eye befindet, etwas da-
ſelbſt zuruͤkbleiben kann, indem das Herz dererſelben
nach geſchehenen Zuſammenziehen gaͤnzlich blaß wird.
Geſezt aber, man wollte auch annehmen, daß nach
jedem Herzſchlage etwas uͤbrig bleibe, ſo wuͤrde dar-
aus wider uns nichts gefolgert werden koͤnnen. Denn
entweder muͤſte das, was man wollte uͤbrig bleiben laſ-
ſen, unter dem naͤchſten Herzſchlage mit herauslaufen,
daß nach der zweiten Pulſirung wieder eben ſo viel uͤbrig
bliebe, als ſich nach der erſten im Herzen verhalten, und
es muͤſte jederzeit ſo viel von dem alten Blute aus dem
Herzen herausgetrieben werden, als ſich neues darinnen
verſpaͤtet und geſammlet haͤtte; alsdenn werden aber die
vorigen zwo Unzen mit jeder Pulſirung aus dem Herzen
herausgehen. Oder man ſezze, daß bei jedem Herz-
ſchlage etwas im Herzen zuruͤkgelaſſen werde, welches der
naͤchſte Herzſchlag nicht einmal wieder fortſchafte, ſo
wird ſich der Strom des Schlagaderblutes in der That
um ſo viel vermindern. Man nehme aber an, daß ſol-
ches nur eine Quente Bluts betragen wuͤrde; ſo folget
daraus, wenn nach jedem Herzſchlage eine Quente im
Herzen zuruͤkke bleibt, daß nach tauſend Pulſirungen
ſich tauſend Quenten darinnen verhalten muͤſſen, und da
wuͤrde es in der That laͤcherlich ſeyn, wenn man behau-
pten wollte, daß eine ſolche Menge in dem Herzen koͤnte
aufbehalten werden. Es ſey demnach die Menge Blut,
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/472>, abgerufen am 22.11.2024.
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