grossen Mangel von menschlichen Leichnamen, zu den Thieren ihre Zuflucht nahmen, bei denen das Herz aller- dings eine ganz andre Lage hat. Denn bei den vierfüßi- gen befindet sich das Brustbein fast mit dem Horizonte parallel, und auf diesem lieget das Herz dergestalt, daß der Grund desselben fast völlig, in dem auf den Rükken liegenden Körper, höher, oder dem Kopfe näher, und die Spizze gleichfalls beinahe vollkommen niedriger, oder näher nach dem Bauche hin, zu stehen kömmt, ob sie gleich ein wenig von dem Zwerchfelle absteht (i). Fer- ner fehlt es wenig, daß nicht die Linie, welche die Brust in der Mitte durchschneidet, auch eben sowol den Herzke- gel in zwo gleiche Helften theilen sollte (k). Da nun der Mensch und die Thiere in diesem Stükke so sehr von ein- ander abgehen, so muß uns billig sowol der Streit derer Durlacher Aerzte über die Lage des Herzens, als auch ihr Urtheil darüber, welches sie von einem geöfneten Mut- terschweine hergenommen, sehr lächerlich vorkommen, zu- mal da man in derselben mit solchen grossen Unwillen des Herzogs gezeiget hat, daß das Herz mehr auf der linken Seite liege, daß so gar derjenige den Hof meiden mu- ste (l), der behauptet hatte, daß sich dasselbe in der Mit- te der Brust befinde.
Die Eröfnungen der Thiere, und vielleicht auch eine nicht gar zu genaue Betrachtung des von seinen Verbin- dungen gänzlich losgemachten Herzens haben veranlasset, daß die zwo Kammern und die zwo Ohren des Herzens, eben sowol ihre Namen von der rechten und linken Seite bekommen haben, als sie diesen Theilen bei den Thieren mit Recht waren beigelegt worden. Ferner hat man in noch ziemlich neuen anatomischen Kupfern (m) die falsche
Lage
(i)[Spaltenumbruch]Morgagni angef. Ort, n. 51.
(k)Morgagnin. 55. monroo Essay on compar. anatomy, S. 40. da er vom Hunde redet.
(l)[Spaltenumbruch]thonervs Obs. med. 102.
(m)BidlooT. XXIV.Ver- heyenT. XIX. f. 2.
Die Herzohren.
groſſen Mangel von menſchlichen Leichnamen, zu den Thieren ihre Zuflucht nahmen, bei denen das Herz aller- dings eine ganz andre Lage hat. Denn bei den vierfuͤßi- gen befindet ſich das Bruſtbein faſt mit dem Horizonte parallel, und auf dieſem lieget das Herz dergeſtalt, daß der Grund deſſelben faſt voͤllig, in dem auf den Ruͤkken liegenden Koͤrper, hoͤher, oder dem Kopfe naͤher, und die Spizze gleichfalls beinahe vollkommen niedriger, oder naͤher nach dem Bauche hin, zu ſtehen koͤmmt, ob ſie gleich ein wenig von dem Zwerchfelle abſteht (i). Fer- ner fehlt es wenig, daß nicht die Linie, welche die Bruſt in der Mitte durchſchneidet, auch eben ſowol den Herzke- gel in zwo gleiche Helften theilen ſollte (k). Da nun der Menſch und die Thiere in dieſem Stuͤkke ſo ſehr von ein- ander abgehen, ſo muß uns billig ſowol der Streit derer Durlacher Aerzte uͤber die Lage des Herzens, als auch ihr Urtheil daruͤber, welches ſie von einem geoͤfneten Mut- terſchweine hergenommen, ſehr laͤcherlich vorkommen, zu- mal da man in derſelben mit ſolchen groſſen Unwillen des Herzogs gezeiget hat, daß das Herz mehr auf der linken Seite liege, daß ſo gar derjenige den Hof meiden mu- ſte (l), der behauptet hatte, daß ſich daſſelbe in der Mit- te der Bruſt befinde.
Die Eroͤfnungen der Thiere, und vielleicht auch eine nicht gar zu genaue Betrachtung des von ſeinen Verbin- dungen gaͤnzlich losgemachten Herzens haben veranlaſſet, daß die zwo Kammern und die zwo Ohren des Herzens, eben ſowol ihre Namen von der rechten und linken Seite bekommen haben, als ſie dieſen Theilen bei den Thieren mit Recht waren beigelegt worden. Ferner hat man in noch ziemlich neuen anatomiſchen Kupfern (m) die falſche
Lage
(i)[Spaltenumbruch]Morgagni angef. Ort, n. 51.
(k)Morgagnin. 55. monroo Eſſay on compar. anatomy, S. 40. da er vom Hunde redet.
(l)[Spaltenumbruch]thonervs Obſ. med. 102.
(m)BidlooT. XXIV.Ver- heyenT. XIX. f. 2.
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Die Herzohren.
groſſen Mangel von menſchlichen Leichnamen, zu den
Thieren ihre Zuflucht nahmen, bei denen das Herz aller-
dings eine ganz andre Lage hat. Denn bei den vierfuͤßi-
gen befindet ſich das Bruſtbein faſt mit dem Horizonte
parallel, und auf dieſem lieget das Herz dergeſtalt, daß
der Grund deſſelben faſt voͤllig, in dem auf den Ruͤkken
liegenden Koͤrper, hoͤher, oder dem Kopfe naͤher, und
die Spizze gleichfalls beinahe vollkommen niedriger, oder
naͤher nach dem Bauche hin, zu ſtehen koͤmmt, ob ſie
gleich ein wenig von dem Zwerchfelle abſteht (i). Fer-
ner fehlt es wenig, daß nicht die Linie, welche die Bruſt
in der Mitte durchſchneidet, auch eben ſowol den Herzke-
gel in zwo gleiche Helften theilen ſollte (k). Da nun der
Menſch und die Thiere in dieſem Stuͤkke ſo ſehr von ein-
ander abgehen, ſo muß uns billig ſowol der Streit derer
Durlacher Aerzte uͤber die Lage des Herzens, als auch ihr
Urtheil daruͤber, welches ſie von einem geoͤfneten Mut-
terſchweine hergenommen, ſehr laͤcherlich vorkommen, zu-
mal da man in derſelben mit ſolchen groſſen Unwillen des
Herzogs gezeiget hat, daß das Herz mehr auf der linken
Seite liege, daß ſo gar derjenige den Hof meiden mu-
ſte (l), der behauptet hatte, daß ſich daſſelbe in der Mit-
te der Bruſt befinde.
Die Eroͤfnungen der Thiere, und vielleicht auch eine
nicht gar zu genaue Betrachtung des von ſeinen Verbin-
dungen gaͤnzlich losgemachten Herzens haben veranlaſſet,
daß die zwo Kammern und die zwo Ohren des Herzens,
eben ſowol ihre Namen von der rechten und linken Seite
bekommen haben, als ſie dieſen Theilen bei den Thieren
mit Recht waren beigelegt worden. Ferner hat man in
noch ziemlich neuen anatomiſchen Kupfern (m) die falſche
Lage
(i)
Morgagni angef. Ort, n. 51.
(k) Morgagni n. 55. monroo
Eſſay on compar. anatomy, S. 40.
da er vom Hunde redet.
(l)
thonervs Obſ. med. 102.
(m) Bidloo T. XXIV. Ver-
heyen T. XIX. f. 2.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/631>, abgerufen am 22.11.2024.
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