nur die Wallfischkiefern in Augenschein nehmen, um gewis zu seyn, daß die grossen Bartfasern derselben aus andren klei- nern ähnlichen Bündeln entstehen. Sie offenbaren sich eben auf die Art in den Sehnen, den Bändern, und der har- ten Gehirnhaut, so wie an andern Orten. Sie vermi- schen sich in dem zelligen Gewebe, davon wir gleich reden wollen, mit den Fächern desselben. Man kann sie dicht zusammengehäuft, und von ziemlicher Kürze in den Knor- peln (r) aufzeigen. Sie besizzen alle einerlei und folgende Eigenschaften.
Eine Faser ist elastisch, sie springt, nach aufge- hobner Biegung wieder in ihre alte Stelle zurük, und sie wird wieder so kurz, als sie anfangs war, ehe man sie dehnte. Sogar besizzet sie noch im Knochen diese Ei- genschaften, wenn man davon dünne Fäden ablöset. Die mehresten lassen sich, wenn die Kräfte langsam zie- hen, der Länge nach ausdehnen, wiewohl sie sich wieder in die vorige Lage sezzen, sobald die Anstrengung nach- läst. Dagegen nimt eine Faser, die Muskelfasern ausgeschlossen, keinen Theil an der Reizbarkeit (s). Man mag sie, so lange sie noch unverstümmelt sind, be- rühren, und zu reizen suchen, wie man will, so werden sie sich doch niemals zu verkürzen suchen. Wir nehmen auch die Natur einer Faser zu erklären, keine fressende Wasser oder das Feuer zu Hülfe: denn dergleichen Ge- waltthätigkeiten kräuseln und ziehen freilich alle thierische Fasern zusammen (t), wenn sie bereits längst erstorben sind. Die Fasern sind für sich allein betrachtet unem- pfindlich; sie hören es aber auf zu sein, sobald sich ihnen die Nerven nähern (u). Ferner sind sie, ihrem Wesen nach blutlos und von fester Beschaffenheit (x),
so
(r)[Spaltenumbruch]hvnter in phil. trans. N. 470.
(s) von Hallersur l'irritabi- lite. S. 53. erste Abh.
(t) Ebend. Abschn. 19. 2te Abh.
(u)[Spaltenumbruch]De gorter. angef. Ort. S. 267. Streitschr. sur lesp art. sensib. S. 42.
(x) Ebenders.
Erſtes Buch. Elementartheile
nur die Wallfiſchkiefern in Augenſchein nehmen, um gewis zu ſeyn, daß die groſſen Bartfaſern derſelben aus andren klei- nern aͤhnlichen Buͤndeln entſtehen. Sie offenbaren ſich eben auf die Art in den Sehnen, den Baͤndern, und der har- ten Gehirnhaut, ſo wie an andern Orten. Sie vermi- ſchen ſich in dem zelligen Gewebe, davon wir gleich reden wollen, mit den Faͤchern deſſelben. Man kann ſie dicht zuſammengehaͤuft, und von ziemlicher Kuͤrze in den Knor- peln (r) aufzeigen. Sie beſizzen alle einerlei und folgende Eigenſchaften.
Eine Faſer iſt elaſtiſch, ſie ſpringt, nach aufge- hobner Biegung wieder in ihre alte Stelle zuruͤk, und ſie wird wieder ſo kurz, als ſie anfangs war, ehe man ſie dehnte. Sogar beſizzet ſie noch im Knochen dieſe Ei- genſchaften, wenn man davon duͤnne Faͤden abloͤſet. Die mehreſten laſſen ſich, wenn die Kraͤfte langſam zie- hen, der Laͤnge nach ausdehnen, wiewohl ſie ſich wieder in die vorige Lage ſezzen, ſobald die Anſtrengung nach- laͤſt. Dagegen nimt eine Faſer, die Muskelfaſern ausgeſchloſſen, keinen Theil an der Reizbarkeit (s). Man mag ſie, ſo lange ſie noch unverſtuͤmmelt ſind, be- ruͤhren, und zu reizen ſuchen, wie man will, ſo werden ſie ſich doch niemals zu verkuͤrzen ſuchen. Wir nehmen auch die Natur einer Faſer zu erklaͤren, keine freſſende Waſſer oder das Feuer zu Huͤlfe: denn dergleichen Ge- waltthaͤtigkeiten kraͤuſeln und ziehen freilich alle thieriſche Faſern zuſammen (t), wenn ſie bereits laͤngſt erſtorben ſind. Die Faſern ſind fuͤr ſich allein betrachtet unem- pfindlich; ſie hoͤren es aber auf zu ſein, ſobald ſich ihnen die Nerven naͤhern (u). Ferner ſind ſie, ihrem Weſen nach blutlos und von feſter Beſchaffenheit (x),
ſo
(r)[Spaltenumbruch]hvnter in phil. trans. N. 470.
(s) von Hallerſur l’irritabi- lité. S. 53. erſte Abh.
(t) Ebend. Abſchn. 19. 2te Abh.
(u)[Spaltenumbruch]De gorter. angef. Ort. S. 267. Streitſchr. ſur lesp art. ſenſib. S. 42.
(x) Ebenderſ.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0070"n="14"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Erſtes Buch. Elementartheile</hi></fw><lb/>
nur die Wallfiſchkiefern in Augenſchein nehmen, um gewis<lb/>
zu ſeyn, daß die groſſen Bartfaſern derſelben aus andren klei-<lb/>
nern aͤhnlichen Buͤndeln entſtehen. Sie offenbaren ſich<lb/>
eben auf die Art in den Sehnen, den Baͤndern, und der har-<lb/>
ten Gehirnhaut, ſo wie an andern Orten. Sie vermi-<lb/>ſchen ſich in dem zelligen Gewebe, davon wir gleich reden<lb/>
wollen, mit den Faͤchern deſſelben. Man kann ſie dicht<lb/>
zuſammengehaͤuft, und von ziemlicher Kuͤrze in den Knor-<lb/>
peln <noteplace="foot"n="(r)"><cb/><hirendition="#aq"><hirendition="#g"><hirendition="#k">hvnter</hi></hi> in phil. trans.</hi><lb/>
N. 470.</note> aufzeigen. Sie beſizzen alle einerlei und folgende<lb/>
Eigenſchaften.</p><lb/><p>Eine Faſer iſt <hirendition="#fr">elaſtiſch,</hi>ſie ſpringt, nach aufge-<lb/>
hobner Biegung wieder in ihre alte Stelle zuruͤk, und ſie<lb/>
wird wieder ſo kurz, als ſie anfangs war, ehe man ſie<lb/>
dehnte. Sogar beſizzet ſie noch im Knochen dieſe Ei-<lb/>
genſchaften, wenn man davon duͤnne Faͤden abloͤſet.<lb/>
Die mehreſten laſſen ſich, wenn die Kraͤfte langſam zie-<lb/>
hen, der Laͤnge nach ausdehnen, wiewohl ſie ſich wieder<lb/>
in die vorige Lage ſezzen, ſobald die Anſtrengung nach-<lb/>
laͤſt. Dagegen nimt eine Faſer, die Muskelfaſern<lb/>
ausgeſchloſſen, keinen Theil an der Reizbarkeit <noteplace="foot"n="(s)">von <hirendition="#fr">Haller</hi><hirendition="#aq">ſur l’irritabi-<lb/>
lité.</hi> S. 53. erſte Abh.</note>.<lb/>
Man mag ſie, ſo lange ſie noch unverſtuͤmmelt ſind, be-<lb/>
ruͤhren, und zu reizen ſuchen, wie man will, ſo werden<lb/>ſie ſich doch niemals zu verkuͤrzen ſuchen. Wir nehmen<lb/>
auch die Natur einer Faſer zu erklaͤren, keine freſſende<lb/>
Waſſer oder das Feuer zu Huͤlfe: denn dergleichen Ge-<lb/>
waltthaͤtigkeiten kraͤuſeln und ziehen freilich alle thieriſche<lb/>
Faſern zuſammen <noteplace="foot"n="(t)">Ebend. Abſchn. 19. 2te Abh.</note>, wenn ſie bereits laͤngſt erſtorben<lb/>ſind. Die Faſern ſind fuͤr ſich allein betrachtet <hirendition="#fr">unem-<lb/>
pfindlich;</hi>ſie hoͤren es aber auf zu ſein, ſobald ſich<lb/>
ihnen die Nerven naͤhern <noteplace="foot"n="(u)"><cb/><hirendition="#aq">De <hirendition="#g"><hirendition="#k">gorter.</hi></hi></hi> angef. Ort.<lb/>
S. 267. Streitſchr. <hirendition="#aq">ſur lesp art.<lb/>ſenſib.</hi> S. 42.</note>. Ferner ſind ſie, ihrem<lb/>
Weſen nach <hirendition="#fr">blutlos</hi> und von <hirendition="#fr">feſter</hi> Beſchaffenheit <noteplace="foot"n="(x)">Ebenderſ.</note>,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſo</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[14/0070]
Erſtes Buch. Elementartheile
nur die Wallfiſchkiefern in Augenſchein nehmen, um gewis
zu ſeyn, daß die groſſen Bartfaſern derſelben aus andren klei-
nern aͤhnlichen Buͤndeln entſtehen. Sie offenbaren ſich
eben auf die Art in den Sehnen, den Baͤndern, und der har-
ten Gehirnhaut, ſo wie an andern Orten. Sie vermi-
ſchen ſich in dem zelligen Gewebe, davon wir gleich reden
wollen, mit den Faͤchern deſſelben. Man kann ſie dicht
zuſammengehaͤuft, und von ziemlicher Kuͤrze in den Knor-
peln (r) aufzeigen. Sie beſizzen alle einerlei und folgende
Eigenſchaften.
Eine Faſer iſt elaſtiſch, ſie ſpringt, nach aufge-
hobner Biegung wieder in ihre alte Stelle zuruͤk, und ſie
wird wieder ſo kurz, als ſie anfangs war, ehe man ſie
dehnte. Sogar beſizzet ſie noch im Knochen dieſe Ei-
genſchaften, wenn man davon duͤnne Faͤden abloͤſet.
Die mehreſten laſſen ſich, wenn die Kraͤfte langſam zie-
hen, der Laͤnge nach ausdehnen, wiewohl ſie ſich wieder
in die vorige Lage ſezzen, ſobald die Anſtrengung nach-
laͤſt. Dagegen nimt eine Faſer, die Muskelfaſern
ausgeſchloſſen, keinen Theil an der Reizbarkeit (s).
Man mag ſie, ſo lange ſie noch unverſtuͤmmelt ſind, be-
ruͤhren, und zu reizen ſuchen, wie man will, ſo werden
ſie ſich doch niemals zu verkuͤrzen ſuchen. Wir nehmen
auch die Natur einer Faſer zu erklaͤren, keine freſſende
Waſſer oder das Feuer zu Huͤlfe: denn dergleichen Ge-
waltthaͤtigkeiten kraͤuſeln und ziehen freilich alle thieriſche
Faſern zuſammen (t), wenn ſie bereits laͤngſt erſtorben
ſind. Die Faſern ſind fuͤr ſich allein betrachtet unem-
pfindlich; ſie hoͤren es aber auf zu ſein, ſobald ſich
ihnen die Nerven naͤhern (u). Ferner ſind ſie, ihrem
Weſen nach blutlos und von feſter Beſchaffenheit (x),
ſo
(r)
hvnter in phil. trans.
N. 470.
(s) von Haller ſur l’irritabi-
lité. S. 53. erſte Abh.
(t) Ebend. Abſchn. 19. 2te Abh.
(u)
De gorter. angef. Ort.
S. 267. Streitſchr. ſur lesp art.
ſenſib. S. 42.
(x) Ebenderſ.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/70>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.