Es folget nunmehr das rechte Herzohr, welches das aus der Holader herausgetriebene Blut aufnimmt. So bald dieses Blut bis zum obersten Anhang fortgetrieben worden (p), so schwillt das ganze Ohr auf, richtet sich in die Höhe, breitet seine Kämme auseinander, wird steif, und es scheinet ein violettes Blut durch die Wän- de desselben durch. Daß aber die Vorstellungen, so sich einige gemacht haben, als ob es die Gestalt eines ungleich- seitigen Vierekkes (Trapezium) (q) hätte, ganz unrichtig sind, wird derjenige leicht einsehen, der nur in etwas überlegt, daß eine jegliche Gestalt des Herzohres, es sey auch was für eine es wolle, dem aus denen Blutadern hervorkommenden Blute leichtlich nachgeben werde, so bald nur dasselbe einen weitern und grössern Umfang hat, als die Blutader. Und so hat die Natur bei denen Thie- ren die Herzohren nach verschiedener Gestalt gebildet, sie sind aber allezeit weiter, als die Holader.
Es ziehet sich demnach dieses Ohr, da es höchst reiz- bar ist, sogleich, wenn es das Blut aufgenommen hat, zu- sammen (r), es wird blaß (s), und treibet das empfan- gene Blut mit einer sonderbaren Hurtigkeit wieder her- aus. Es sind aber zween Wege vorhanden, auf denen dieses fortgepressete Blut ausweichen kann. Der erste eröfnet sich in beide Holadern. Man trift nämlich in keinem mir bekannten Thiere einige Klappe zwischen dem Herzohre und der Holader, ausser der bekannten unvoll- kommenen Eustachischen Klappe, an. Und daher pflegt das Blut in allen Thieren, die ich jemals geöfnet
habe
(p)[Spaltenumbruch]Exp. 492. u. f.
(q)Hambergerde dilatat. cord. n. XXII.
(r)[Spaltenumbruch]
Siehe den vorhergehenden 6ten §.
(s)Harvey S. 40. 58. Lanci- sius S. 68.
Viertes Buch. Das Herz.
§. 10. Das Schlagen des rechten Herzohres.
Es folget nunmehr das rechte Herzohr, welches das aus der Holader herausgetriebene Blut aufnimmt. So bald dieſes Blut bis zum oberſten Anhang fortgetrieben worden (p), ſo ſchwillt das ganze Ohr auf, richtet ſich in die Hoͤhe, breitet ſeine Kaͤmme auseinander, wird ſteif, und es ſcheinet ein violettes Blut durch die Waͤn- de deſſelben durch. Daß aber die Vorſtellungen, ſo ſich einige gemacht haben, als ob es die Geſtalt eines ungleich- ſeitigen Vierekkes (Trapezium) (q) haͤtte, ganz unrichtig ſind, wird derjenige leicht einſehen, der nur in etwas uͤberlegt, daß eine jegliche Geſtalt des Herzohres, es ſey auch was fuͤr eine es wolle, dem aus denen Blutadern hervorkommenden Blute leichtlich nachgeben werde, ſo bald nur daſſelbe einen weitern und groͤſſern Umfang hat, als die Blutader. Und ſo hat die Natur bei denen Thie- ren die Herzohren nach verſchiedener Geſtalt gebildet, ſie ſind aber allezeit weiter, als die Holader.
Es ziehet ſich demnach dieſes Ohr, da es hoͤchſt reiz- bar iſt, ſogleich, wenn es das Blut aufgenommen hat, zu- ſammen (r), es wird blaß (s), und treibet das empfan- gene Blut mit einer ſonderbaren Hurtigkeit wieder her- aus. Es ſind aber zween Wege vorhanden, auf denen dieſes fortgepreſſete Blut ausweichen kann. Der erſte eroͤfnet ſich in beide Holadern. Man trift naͤmlich in keinem mir bekannten Thiere einige Klappe zwiſchen dem Herzohre und der Holader, auſſer der bekannten unvoll- kommenen Euſtachiſchen Klappe, an. Und daher pflegt das Blut in allen Thieren, die ich jemals geoͤfnet
habe
(p)[Spaltenumbruch]Exp. 492. u. f.
(q)Hambergerde dilatat. cord. n. XXII.
(r)[Spaltenumbruch]
Siehe den vorhergehenden 6ten §.
(s)Harvey S. 40. 58. Lanci- ſius S. 68.
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Viertes Buch. Das Herz.
§. 10.
Das Schlagen des rechten Herzohres.
Es folget nunmehr das rechte Herzohr, welches das
aus der Holader herausgetriebene Blut aufnimmt. So
bald dieſes Blut bis zum oberſten Anhang fortgetrieben
worden (p), ſo ſchwillt das ganze Ohr auf, richtet ſich
in die Hoͤhe, breitet ſeine Kaͤmme auseinander, wird
ſteif, und es ſcheinet ein violettes Blut durch die Waͤn-
de deſſelben durch. Daß aber die Vorſtellungen, ſo ſich
einige gemacht haben, als ob es die Geſtalt eines ungleich-
ſeitigen Vierekkes (Trapezium) (q) haͤtte, ganz unrichtig
ſind, wird derjenige leicht einſehen, der nur in etwas
uͤberlegt, daß eine jegliche Geſtalt des Herzohres, es ſey
auch was fuͤr eine es wolle, dem aus denen Blutadern
hervorkommenden Blute leichtlich nachgeben werde, ſo
bald nur daſſelbe einen weitern und groͤſſern Umfang hat,
als die Blutader. Und ſo hat die Natur bei denen Thie-
ren die Herzohren nach verſchiedener Geſtalt gebildet, ſie
ſind aber allezeit weiter, als die Holader.
Es ziehet ſich demnach dieſes Ohr, da es hoͤchſt reiz-
bar iſt, ſogleich, wenn es das Blut aufgenommen hat, zu-
ſammen (r), es wird blaß (s), und treibet das empfan-
gene Blut mit einer ſonderbaren Hurtigkeit wieder her-
aus. Es ſind aber zween Wege vorhanden, auf denen
dieſes fortgepreſſete Blut ausweichen kann. Der erſte
eroͤfnet ſich in beide Holadern. Man trift naͤmlich in
keinem mir bekannten Thiere einige Klappe zwiſchen dem
Herzohre und der Holader, auſſer der bekannten unvoll-
kommenen Euſtachiſchen Klappe, an. Und daher
pflegt das Blut in allen Thieren, die ich jemals geoͤfnet
habe
(p)
Exp. 492. u. f.
(q) Hamberger de dilatat. cord.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 762. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/818>, abgerufen am 22.11.2024.
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