Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite
des menschlichen Körpers. Zellgewebe.

Das bisher erzälte machet das Zergliedrungsmesser
erweislich, und es ist eine an sich wohl bekannte Sache.
Jndessen schlisset man billig von dem weitleuftigen Ge-
biete dieses Zellgewebes, auf dessen für unsren Körper
ausnehmenden Nuzzen. Um also das Fett und den in-
nern Dunst im Körper, für die unsre Zellhaut Fächer
und Hölungen bauet, aus dem Gesichtspunkte zu rükken,
betrachte ich hier nur das Hauptgeschäfte des Zellgewe-
bes, welches darauf ankömt, daß es allen und jeden
Theilen unsers Körpers ihre gehörige Festigkeit bestim-
met, wodurch der Schöpfer seine unendlich weise Ab-
sichten befördern will. Zerstöret man dieses Gewebe,
so schwanken die Nerven, Muskeln, Gefässe und Mem-
branen aller Orten ungewis umher, sie wiederstehen
denen Säften nicht länger, die in ihnen laufen, sie
werden von dem Muskelsisteme nicht mehr nachdrüklich
genung beherrscht und im Gehorsam erhalten, sie werden
von ihrer Stelle nach andern hingeworfen. So wie
man nur dasjenige Zellgewebe, welches die Schlag- und
Blutadern von aussen bekleidet, aus dem Wege räumt,
so blühen so gleich die Pulsadergeschwülste und Blut-
aderkröpfe an den verlezten Stellen hervor, und man kan
diese, laut unsren Versuchen, künstlich nachmachen (h).
Durch dergleichen Verstümlung, wird ein Nerve länger,
als gehörig, da denselben zuvor so viele unzälbare Fäden,
ohne Zweifel, zu dessen gröstem Nuzzen, verkürzen und
so zu sagen runzeln musten. Eben dies Geflechte von
Fächerchen verbindet die Membranen unter einander, es
theilet dem Gedärme seine Dauer mit, es stärkt den
Magen und die gesamte Behältnisse im Körper, da diese
ausserdem in ihrem erschlafften Zustande allen Angrif-
fen von der Luft und den Flüssigkeiten nachgeben müsten
und unnüzze würden, woferne nicht die Muskelartige

Mem-
(h) [Spaltenumbruch] haller. Memoir. II. sur
le mouvem. du sang.
S. 238. und
[Spaltenumbruch] 364. Exp. 93. 94. 96. 97. 98. 101.
145. 180. 230.
des menſchlichen Koͤrpers. Zellgewebe.

Das bisher erzaͤlte machet das Zergliedrungsmeſſer
erweislich, und es iſt eine an ſich wohl bekannte Sache.
Jndeſſen ſchliſſet man billig von dem weitleuftigen Ge-
biete dieſes Zellgewebes, auf deſſen fuͤr unſren Koͤrper
ausnehmenden Nuzzen. Um alſo das Fett und den in-
nern Dunſt im Koͤrper, fuͤr die unſre Zellhaut Faͤcher
und Hoͤlungen bauet, aus dem Geſichtspunkte zu ruͤkken,
betrachte ich hier nur das Hauptgeſchaͤfte des Zellgewe-
bes, welches darauf ankoͤmt, daß es allen und jeden
Theilen unſers Koͤrpers ihre gehoͤrige Feſtigkeit beſtim-
met, wodurch der Schoͤpfer ſeine unendlich weiſe Ab-
ſichten befoͤrdern will. Zerſtoͤret man dieſes Gewebe,
ſo ſchwanken die Nerven, Muskeln, Gefaͤſſe und Mem-
branen aller Orten ungewis umher, ſie wiederſtehen
denen Saͤften nicht laͤnger, die in ihnen laufen, ſie
werden von dem Muskelſiſteme nicht mehr nachdruͤklich
genung beherrſcht und im Gehorſam erhalten, ſie werden
von ihrer Stelle nach andern hingeworfen. So wie
man nur dasjenige Zellgewebe, welches die Schlag- und
Blutadern von auſſen bekleidet, aus dem Wege raͤumt,
ſo bluͤhen ſo gleich die Pulsadergeſchwuͤlſte und Blut-
aderkroͤpfe an den verlezten Stellen hervor, und man kan
dieſe, laut unſren Verſuchen, kuͤnſtlich nachmachen (h).
Durch dergleichen Verſtuͤmlung, wird ein Nerve laͤnger,
als gehoͤrig, da denſelben zuvor ſo viele unzaͤlbare Faͤden,
ohne Zweifel, zu deſſen groͤſtem Nuzzen, verkuͤrzen und
ſo zu ſagen runzeln muſten. Eben dies Geflechte von
Faͤcherchen verbindet die Membranen unter einander, es
theilet dem Gedaͤrme ſeine Dauer mit, es ſtaͤrkt den
Magen und die geſamte Behaͤltniſſe im Koͤrper, da dieſe
auſſerdem in ihrem erſchlafften Zuſtande allen Angrif-
fen von der Luft und den Fluͤſſigkeiten nachgeben muͤſten
und unnuͤzze wuͤrden, woferne nicht die Muskelartige

Mem-
(h) [Spaltenumbruch] haller. Memoir. II. ſur
le mouvem. du ſang.
S. 238. und
[Spaltenumbruch] 364. Exp. 93. 94. 96. 97. 98. 101.
145. 180. 230.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0087" n="31"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">des men&#x017F;chlichen Ko&#x0364;rpers. Zellgewebe.</hi> </fw><lb/>
          <p>Das bisher erza&#x0364;lte machet das Zergliedrungsme&#x017F;&#x017F;er<lb/>
erweislich, und es i&#x017F;t eine an &#x017F;ich wohl bekannte Sache.<lb/>
Jnde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chli&#x017F;&#x017F;et man billig von dem weitleuftigen Ge-<lb/>
biete die&#x017F;es Zellgewebes, auf de&#x017F;&#x017F;en fu&#x0364;r un&#x017F;ren Ko&#x0364;rper<lb/>
ausnehmenden Nuzzen. Um al&#x017F;o das Fett und den in-<lb/>
nern Dun&#x017F;t im Ko&#x0364;rper, fu&#x0364;r die un&#x017F;re Zellhaut Fa&#x0364;cher<lb/>
und Ho&#x0364;lungen bauet, aus dem Ge&#x017F;ichtspunkte zu ru&#x0364;kken,<lb/>
betrachte ich hier nur das Hauptge&#x017F;cha&#x0364;fte des Zellgewe-<lb/>
bes, welches darauf anko&#x0364;mt, daß es allen und jeden<lb/>
Theilen un&#x017F;ers Ko&#x0364;rpers ihre geho&#x0364;rige Fe&#x017F;tigkeit be&#x017F;tim-<lb/>
met, wodurch der Scho&#x0364;pfer &#x017F;eine unendlich wei&#x017F;e Ab-<lb/>
&#x017F;ichten befo&#x0364;rdern will. Zer&#x017F;to&#x0364;ret man die&#x017F;es Gewebe,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chwanken die Nerven, Muskeln, Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Mem-<lb/>
branen aller Orten ungewis umher, &#x017F;ie wieder&#x017F;tehen<lb/>
denen Sa&#x0364;ften nicht la&#x0364;nger, die in ihnen laufen, &#x017F;ie<lb/>
werden von dem Muskel&#x017F;i&#x017F;teme nicht mehr nachdru&#x0364;klich<lb/>
genung beherr&#x017F;cht und im Gehor&#x017F;am erhalten, &#x017F;ie werden<lb/>
von ihrer Stelle nach andern hingeworfen. So wie<lb/>
man nur dasjenige Zellgewebe, welches die Schlag- und<lb/>
Blutadern von au&#x017F;&#x017F;en bekleidet, aus dem Wege ra&#x0364;umt,<lb/>
&#x017F;o blu&#x0364;hen &#x017F;o gleich die Pulsaderge&#x017F;chwu&#x0364;l&#x017F;te und Blut-<lb/>
aderkro&#x0364;pfe an den verlezten Stellen hervor, und man kan<lb/>
die&#x017F;e, laut un&#x017F;ren Ver&#x017F;uchen, ku&#x0364;n&#x017F;tlich nachmachen <note place="foot" n="(h)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">haller</hi>.</hi> Memoir. II. &#x017F;ur<lb/>
le mouvem. du &#x017F;ang.</hi> S. 238. und<lb/><cb/>
364. <hi rendition="#aq">Exp.</hi> 93. 94. 96. 97. 98. 101.<lb/>
145. 180. 230.</note>.<lb/>
Durch dergleichen Ver&#x017F;tu&#x0364;mlung, wird ein Nerve la&#x0364;nger,<lb/>
als geho&#x0364;rig, da den&#x017F;elben zuvor &#x017F;o viele unza&#x0364;lbare Fa&#x0364;den,<lb/>
ohne Zweifel, zu de&#x017F;&#x017F;en gro&#x0364;&#x017F;tem Nuzzen, verku&#x0364;rzen und<lb/>
&#x017F;o zu &#x017F;agen runzeln mu&#x017F;ten. Eben dies Geflechte von<lb/>
Fa&#x0364;cherchen verbindet die Membranen unter einander, es<lb/>
theilet dem Geda&#x0364;rme &#x017F;eine Dauer mit, es &#x017F;ta&#x0364;rkt den<lb/>
Magen und die ge&#x017F;amte Beha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e im Ko&#x0364;rper, da die&#x017F;e<lb/>
au&#x017F;&#x017F;erdem in ihrem er&#x017F;chlafften Zu&#x017F;tande allen Angrif-<lb/>
fen von der Luft und den Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeiten nachgeben mu&#x0364;&#x017F;ten<lb/>
und unnu&#x0364;zze wu&#x0364;rden, woferne nicht die Muskelartige<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Mem-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0087] des menſchlichen Koͤrpers. Zellgewebe. Das bisher erzaͤlte machet das Zergliedrungsmeſſer erweislich, und es iſt eine an ſich wohl bekannte Sache. Jndeſſen ſchliſſet man billig von dem weitleuftigen Ge- biete dieſes Zellgewebes, auf deſſen fuͤr unſren Koͤrper ausnehmenden Nuzzen. Um alſo das Fett und den in- nern Dunſt im Koͤrper, fuͤr die unſre Zellhaut Faͤcher und Hoͤlungen bauet, aus dem Geſichtspunkte zu ruͤkken, betrachte ich hier nur das Hauptgeſchaͤfte des Zellgewe- bes, welches darauf ankoͤmt, daß es allen und jeden Theilen unſers Koͤrpers ihre gehoͤrige Feſtigkeit beſtim- met, wodurch der Schoͤpfer ſeine unendlich weiſe Ab- ſichten befoͤrdern will. Zerſtoͤret man dieſes Gewebe, ſo ſchwanken die Nerven, Muskeln, Gefaͤſſe und Mem- branen aller Orten ungewis umher, ſie wiederſtehen denen Saͤften nicht laͤnger, die in ihnen laufen, ſie werden von dem Muskelſiſteme nicht mehr nachdruͤklich genung beherrſcht und im Gehorſam erhalten, ſie werden von ihrer Stelle nach andern hingeworfen. So wie man nur dasjenige Zellgewebe, welches die Schlag- und Blutadern von auſſen bekleidet, aus dem Wege raͤumt, ſo bluͤhen ſo gleich die Pulsadergeſchwuͤlſte und Blut- aderkroͤpfe an den verlezten Stellen hervor, und man kan dieſe, laut unſren Verſuchen, kuͤnſtlich nachmachen (h). Durch dergleichen Verſtuͤmlung, wird ein Nerve laͤnger, als gehoͤrig, da denſelben zuvor ſo viele unzaͤlbare Faͤden, ohne Zweifel, zu deſſen groͤſtem Nuzzen, verkuͤrzen und ſo zu ſagen runzeln muſten. Eben dies Geflechte von Faͤcherchen verbindet die Membranen unter einander, es theilet dem Gedaͤrme ſeine Dauer mit, es ſtaͤrkt den Magen und die geſamte Behaͤltniſſe im Koͤrper, da dieſe auſſerdem in ihrem erſchlafften Zuſtande allen Angrif- fen von der Luft und den Fluͤſſigkeiten nachgeben muͤſten und unnuͤzze wuͤrden, woferne nicht die Muskelartige Mem- (h) haller. Memoir. II. ſur le mouvem. du ſang. S. 238. und 364. Exp. 93. 94. 96. 97. 98. 101. 145. 180. 230.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/87
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/87>, abgerufen am 24.11.2024.