Membran, mit der nervenhaften, und der äussern Be- kleidung, eins mit dem andren, durch Hülfe der Zell- fasern verbunden wäre. Befestigte ferner das Zellge- webe nicht das Darmfell an das Zwergfell, an den Brustknochen das Mittelfell, an die Sehnen des grö- sten Bauchmuskels das Darmfell, so würde weder das Baucheingeweide an seinem Orte bleiben, noch der Herz- beutel, und folglich auch nicht das Herz selbst, eine Festigkeit besizzen, und es würden die Brüche nicht lange mehr aussenbleiben. Da eben die Zellhaut die Ge- meinschaft unter den Drüsenkörnchen und dem Einge- weide unterhält, so schreibt sie zugleich dem Eingeweide seine abgemeßne Zähigkeit vor; und man trift auch dies Eingeweide dauerhaft und äusserst fest, wo das Zellge- webe wenig und nur mager ist, dagegen aber weich an, wenn das Geflechte häufig, langgestrekt und fettreich erscheint. Es verbindet das Ohr mit dem Kopfe, und es ist das gewöhnlichste Band, womit die Natur benach- barte Theile zusammenhänget. Daher kömt es eben, daß die über den Nieren gelagerte Drüsen, sobald man die Fäden des Zellgewebes enzwei schneidet, nach ent- fernten Gegenden, die weit von den Nieren liegen, und gegen die Stämme ansehnlicher Gefässe hingetrieben werden (i), und sich verirren.
Ob nun schon das Zellgewebe dem menschlichen Kör- per und den mehresten Theilen ihre Festigkeit gibt, so er- hält doch auch dasselbe eben die Theile so bewegbar, als es ihre Lage und deren Unveränderlichkeit erfordert. Es ist Ursache, daß verbundne Theile sich mit einiger Frei- heit über einander bewegen können, daß sie nicht zusam- men wachsen, noch steif werden: und das rührt davon her, weil das Zellgewebe clastische und dehnbare Fäden
besizzet.
(i) Nach der Abbildung die Bartholin davon gibt in anat. 4. re[n]ov. T. 20.
Erſtes Buch. Elementartheile
Membran, mit der nervenhaften, und der aͤuſſern Be- kleidung, eins mit dem andren, durch Huͤlfe der Zell- faſern verbunden waͤre. Befeſtigte ferner das Zellge- webe nicht das Darmfell an das Zwergfell, an den Bruſtknochen das Mittelfell, an die Sehnen des groͤ- ſten Bauchmuskels das Darmfell, ſo wuͤrde weder das Baucheingeweide an ſeinem Orte bleiben, noch der Herz- beutel, und folglich auch nicht das Herz ſelbſt, eine Feſtigkeit beſizzen, und es wuͤrden die Bruͤche nicht lange mehr auſſenbleiben. Da eben die Zellhaut die Ge- meinſchaft unter den Druͤſenkoͤrnchen und dem Einge- weide unterhaͤlt, ſo ſchreibt ſie zugleich dem Eingeweide ſeine abgemeßne Zaͤhigkeit vor; und man trift auch dies Eingeweide dauerhaft und aͤuſſerſt feſt, wo das Zellge- webe wenig und nur mager iſt, dagegen aber weich an, wenn das Geflechte haͤufig, langgeſtrekt und fettreich erſcheint. Es verbindet das Ohr mit dem Kopfe, und es iſt das gewoͤhnlichſte Band, womit die Natur benach- barte Theile zuſammenhaͤnget. Daher koͤmt es eben, daß die uͤber den Nieren gelagerte Druͤſen, ſobald man die Faͤden des Zellgewebes enzwei ſchneidet, nach ent- fernten Gegenden, die weit von den Nieren liegen, und gegen die Staͤmme anſehnlicher Gefaͤſſe hingetrieben werden (i), und ſich verirren.
Ob nun ſchon das Zellgewebe dem menſchlichen Koͤr- per und den mehreſten Theilen ihre Feſtigkeit gibt, ſo er- haͤlt doch auch daſſelbe eben die Theile ſo bewegbar, als es ihre Lage und deren Unveraͤnderlichkeit erfordert. Es iſt Urſache, daß verbundne Theile ſich mit einiger Frei- heit uͤber einander bewegen koͤnnen, daß ſie nicht zuſam- men wachſen, noch ſteif werden: und das ruͤhrt davon her, weil das Zellgewebe claſtiſche und dehnbare Faͤden
beſizzet.
(i) Nach der Abbildung die Bartholin davon gibt in anat. 4. re[n]ov. T. 20.
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Erſtes Buch. Elementartheile
Membran, mit der nervenhaften, und der aͤuſſern Be-
kleidung, eins mit dem andren, durch Huͤlfe der Zell-
faſern verbunden waͤre. Befeſtigte ferner das Zellge-
webe nicht das Darmfell an das Zwergfell, an den
Bruſtknochen das Mittelfell, an die Sehnen des groͤ-
ſten Bauchmuskels das Darmfell, ſo wuͤrde weder das
Baucheingeweide an ſeinem Orte bleiben, noch der Herz-
beutel, und folglich auch nicht das Herz ſelbſt, eine
Feſtigkeit beſizzen, und es wuͤrden die Bruͤche nicht
lange mehr auſſenbleiben. Da eben die Zellhaut die Ge-
meinſchaft unter den Druͤſenkoͤrnchen und dem Einge-
weide unterhaͤlt, ſo ſchreibt ſie zugleich dem Eingeweide
ſeine abgemeßne Zaͤhigkeit vor; und man trift auch dies
Eingeweide dauerhaft und aͤuſſerſt feſt, wo das Zellge-
webe wenig und nur mager iſt, dagegen aber weich an,
wenn das Geflechte haͤufig, langgeſtrekt und fettreich
erſcheint. Es verbindet das Ohr mit dem Kopfe, und
es iſt das gewoͤhnlichſte Band, womit die Natur benach-
barte Theile zuſammenhaͤnget. Daher koͤmt es eben,
daß die uͤber den Nieren gelagerte Druͤſen, ſobald man
die Faͤden des Zellgewebes enzwei ſchneidet, nach ent-
fernten Gegenden, die weit von den Nieren liegen, und
gegen die Staͤmme anſehnlicher Gefaͤſſe hingetrieben
werden (i), und ſich verirren.
Ob nun ſchon das Zellgewebe dem menſchlichen Koͤr-
per und den mehreſten Theilen ihre Feſtigkeit gibt, ſo er-
haͤlt doch auch daſſelbe eben die Theile ſo bewegbar, als
es ihre Lage und deren Unveraͤnderlichkeit erfordert. Es
iſt Urſache, daß verbundne Theile ſich mit einiger Frei-
heit uͤber einander bewegen koͤnnen, daß ſie nicht zuſam-
men wachſen, noch ſteif werden: und das ruͤhrt davon
her, weil das Zellgewebe claſtiſche und dehnbare Faͤden
beſizzet.
(i) Nach der Abbildung die Bartholin davon gibt in anat. 4.
renov. T. 20.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/88>, abgerufen am 21.11.2024.
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