Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

des menschlichen Körpers. Zellgewebe.
besizzet. Daher fügt es sich, daß Muskeln mit der Haut
zu einem Stükke werden, sobald das Zellgewebe, das sich
unter der Haut ausbreitet, vernichtet worden; sie verlie-
ren alsdenn den besten Theil ihrer Bewegbarkeit, und lei-
den dabei so sehr, daß das Uebel einer Gelenksteifigkeit
gleich zu achten ist (k). Eben das ist auch die Ursache,
daß Drüsen, die sich erst zu bewegen alle Freiheit hatten,
mit der Haut zu einem Ganzen werden, sobald das Zell-
gewebe vermittelst einiger weissen Säfte zu einem troknen
Geschwulste verhärtet ist: ohne daran zu gedenken, was
die Nuzbarkeit dieses Gewebes noch ferner entwikkeln
könnte (l).

Endlich bestimmet dasselbe die Gestalten und Biegun-
gen derer Körpertheile vorzüglich. Das Saamenbläs-
chen (m), welches, sich selbst überlassen, und wenn es von
den Zellfäden abgesondert worden, ein kleiner Darm mit
vielen Blindgedärmen ist, wird durch Hülfe der Zellfä-
den in einen sehr kurzen, verwikkelten, gleichsam viel-
beutligen Knaul zusammen gerunzelt. Der Hals der
Gallenblase bekömt seine dem Kopfe eines Vögelchens
ähnliche Krümmung von dem Zellgewebe; er verlieh-
ret aber sogleich dieselbe, wenn man dies Gewebe auf die
Seite schaft. Die Grimmdarmsklappe (n) bekömt allein
von diesen Zellfäden ihr Wesen, vermittelst deren der
Grimm- und Krumdarm vereinigt wird, und sobald diese
Fäden verschwinden, so verschwindet auch zugleich die
Klappe mit denenselben. Der Bogen, den die Schlaf-
pulsader unter dem Hirnschedel beschreibt (o), entsteht
nicht allein von dem Zellgewebe, sondern es wird auch

die
(k) [Spaltenumbruch] Jn der Abhandlung vom
Fette wird es ausführlicher be-
rührt werden.
(l) boerhaave, Prael. ad inst.
rei. med.
N. 412.
(m) S. dieses Bläschens Be-
[Spaltenumbruch] schreib. in halleri Pr. lin. Phys.
N. 784. ingl. in Phil. trans. N.
494. u. im Progr. de viis seminis.
(n) Prim. lin. Phys. N. 719.
Progr. de valvula coli. Gott. 1742.
(o) Icon. anat. Fascic. VII. S. 1.

des menſchlichen Koͤrpers. Zellgewebe.
beſizzet. Daher fuͤgt es ſich, daß Muskeln mit der Haut
zu einem Stuͤkke werden, ſobald das Zellgewebe, das ſich
unter der Haut ausbreitet, vernichtet worden; ſie verlie-
ren alsdenn den beſten Theil ihrer Bewegbarkeit, und lei-
den dabei ſo ſehr, daß das Uebel einer Gelenkſteifigkeit
gleich zu achten iſt (k). Eben das iſt auch die Urſache,
daß Druͤſen, die ſich erſt zu bewegen alle Freiheit hatten,
mit der Haut zu einem Ganzen werden, ſobald das Zell-
gewebe vermittelſt einiger weiſſen Saͤfte zu einem troknen
Geſchwulſte verhaͤrtet iſt: ohne daran zu gedenken, was
die Nuzbarkeit dieſes Gewebes noch ferner entwikkeln
koͤnnte (l).

Endlich beſtimmet daſſelbe die Geſtalten und Biegun-
gen derer Koͤrpertheile vorzuͤglich. Das Saamenblaͤs-
chen (m), welches, ſich ſelbſt uͤberlaſſen, und wenn es von
den Zellfaͤden abgeſondert worden, ein kleiner Darm mit
vielen Blindgedaͤrmen iſt, wird durch Huͤlfe der Zellfaͤ-
den in einen ſehr kurzen, verwikkelten, gleichſam viel-
beutligen Knaul zuſammen gerunzelt. Der Hals der
Gallenblaſe bekoͤmt ſeine dem Kopfe eines Voͤgelchens
aͤhnliche Kruͤmmung von dem Zellgewebe; er verlieh-
ret aber ſogleich dieſelbe, wenn man dies Gewebe auf die
Seite ſchaft. Die Grimmdarmsklappe (n) bekoͤmt allein
von dieſen Zellfaͤden ihr Weſen, vermittelſt deren der
Grimm- und Krumdarm vereinigt wird, und ſobald dieſe
Faͤden verſchwinden, ſo verſchwindet auch zugleich die
Klappe mit denenſelben. Der Bogen, den die Schlaf-
pulsader unter dem Hirnſchedel beſchreibt (o), entſteht
nicht allein von dem Zellgewebe, ſondern es wird auch

die
(k) [Spaltenumbruch] Jn der Abhandlung vom
Fette wird es ausfuͤhrlicher be-
ruͤhrt werden.
(l) boerhaave, Prael. ad inſt.
rei. med.
N. 412.
(m) S. dieſes Blaͤschens Be-
[Spaltenumbruch] ſchreib. in halleri Pr. lin. Phyſ.
N. 784. ingl. in Phil. trans. N.
494. u. im Progr. de viis ſeminis.
(n) Prim. lin. Phyſ. N. 719.
Progr. de valvula coli. Gott. 1742.
(o) Icon. anat. Faſcic. VII. S. 1.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0089" n="33"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des men&#x017F;chlichen Ko&#x0364;rpers. Zellgewebe.</hi></fw><lb/>
be&#x017F;izzet. Daher fu&#x0364;gt es &#x017F;ich, daß Muskeln mit der Haut<lb/>
zu einem Stu&#x0364;kke werden, &#x017F;obald das Zellgewebe, das &#x017F;ich<lb/>
unter der Haut ausbreitet, vernichtet worden; &#x017F;ie verlie-<lb/>
ren alsdenn den be&#x017F;ten Theil ihrer Bewegbarkeit, und lei-<lb/>
den dabei &#x017F;o &#x017F;ehr, daß das Uebel einer Gelenk&#x017F;teifigkeit<lb/>
gleich zu achten i&#x017F;t <note place="foot" n="(k)"><cb/>
Jn der Abhandlung vom<lb/>
Fette wird es ausfu&#x0364;hrlicher be-<lb/>
ru&#x0364;hrt werden.</note>. Eben das i&#x017F;t auch die Ur&#x017F;ache,<lb/>
daß Dru&#x0364;&#x017F;en, die &#x017F;ich er&#x017F;t zu bewegen alle Freiheit hatten,<lb/>
mit der Haut zu einem Ganzen werden, &#x017F;obald das Zell-<lb/>
gewebe vermittel&#x017F;t einiger wei&#x017F;&#x017F;en Sa&#x0364;fte zu einem troknen<lb/>
Ge&#x017F;chwul&#x017F;te verha&#x0364;rtet i&#x017F;t: ohne daran zu gedenken, was<lb/>
die Nuzbarkeit die&#x017F;es Gewebes noch ferner entwikkeln<lb/>
ko&#x0364;nnte <note place="foot" n="(l)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">boerhaave</hi></hi>, Prael. ad in&#x017F;t.<lb/>
rei. med.</hi> N. 412.</note>.</p><lb/>
          <p>Endlich be&#x017F;timmet da&#x017F;&#x017F;elbe die Ge&#x017F;talten und Biegun-<lb/>
gen derer Ko&#x0364;rpertheile vorzu&#x0364;glich. Das Saamenbla&#x0364;s-<lb/>
chen <note place="foot" n="(m)">S. die&#x017F;es Bla&#x0364;schens Be-<lb/><cb/>
&#x017F;chreib. <hi rendition="#aq">in <hi rendition="#k">halleri</hi> Pr. lin. Phy&#x017F;.</hi><lb/>
N. 784. ingl. <hi rendition="#aq">in Phil. trans.</hi> N.<lb/>
494. u. im <hi rendition="#aq">Progr. de viis &#x017F;eminis.</hi></note>, welches, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, und wenn es von<lb/>
den Zellfa&#x0364;den abge&#x017F;ondert worden, ein kleiner Darm mit<lb/>
vielen Blindgeda&#x0364;rmen i&#x017F;t, wird durch Hu&#x0364;lfe der Zellfa&#x0364;-<lb/>
den in einen &#x017F;ehr kurzen, verwikkelten, gleich&#x017F;am viel-<lb/>
beutligen Knaul zu&#x017F;ammen gerunzelt. Der Hals der<lb/>
Gallenbla&#x017F;e beko&#x0364;mt &#x017F;eine dem Kopfe eines Vo&#x0364;gelchens<lb/>
a&#x0364;hnliche Kru&#x0364;mmung von dem Zellgewebe; er verlieh-<lb/>
ret aber &#x017F;ogleich die&#x017F;elbe, wenn man dies Gewebe auf die<lb/>
Seite &#x017F;chaft. Die Grimmdarmsklappe <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq">Prim. lin. Phy&#x017F;.</hi> N. 719.<lb/><hi rendition="#aq">Progr. de valvula coli. Gott.</hi> 1742.</note> beko&#x0364;mt allein<lb/>
von die&#x017F;en Zellfa&#x0364;den ihr We&#x017F;en, vermittel&#x017F;t deren der<lb/>
Grimm- und Krumdarm vereinigt wird, und &#x017F;obald die&#x017F;e<lb/>
Fa&#x0364;den ver&#x017F;chwinden, &#x017F;o ver&#x017F;chwindet auch zugleich die<lb/>
Klappe mit denen&#x017F;elben. Der Bogen, den die Schlaf-<lb/>
pulsader unter dem Hirn&#x017F;chedel be&#x017F;chreibt <note place="foot" n="(o)"><hi rendition="#aq">Icon. anat. Fa&#x017F;cic. VII.</hi> S. 1.</note>, ent&#x017F;teht<lb/>
nicht allein von dem Zellgewebe, &#x017F;ondern es wird auch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0089] des menſchlichen Koͤrpers. Zellgewebe. beſizzet. Daher fuͤgt es ſich, daß Muskeln mit der Haut zu einem Stuͤkke werden, ſobald das Zellgewebe, das ſich unter der Haut ausbreitet, vernichtet worden; ſie verlie- ren alsdenn den beſten Theil ihrer Bewegbarkeit, und lei- den dabei ſo ſehr, daß das Uebel einer Gelenkſteifigkeit gleich zu achten iſt (k). Eben das iſt auch die Urſache, daß Druͤſen, die ſich erſt zu bewegen alle Freiheit hatten, mit der Haut zu einem Ganzen werden, ſobald das Zell- gewebe vermittelſt einiger weiſſen Saͤfte zu einem troknen Geſchwulſte verhaͤrtet iſt: ohne daran zu gedenken, was die Nuzbarkeit dieſes Gewebes noch ferner entwikkeln koͤnnte (l). Endlich beſtimmet daſſelbe die Geſtalten und Biegun- gen derer Koͤrpertheile vorzuͤglich. Das Saamenblaͤs- chen (m), welches, ſich ſelbſt uͤberlaſſen, und wenn es von den Zellfaͤden abgeſondert worden, ein kleiner Darm mit vielen Blindgedaͤrmen iſt, wird durch Huͤlfe der Zellfaͤ- den in einen ſehr kurzen, verwikkelten, gleichſam viel- beutligen Knaul zuſammen gerunzelt. Der Hals der Gallenblaſe bekoͤmt ſeine dem Kopfe eines Voͤgelchens aͤhnliche Kruͤmmung von dem Zellgewebe; er verlieh- ret aber ſogleich dieſelbe, wenn man dies Gewebe auf die Seite ſchaft. Die Grimmdarmsklappe (n) bekoͤmt allein von dieſen Zellfaͤden ihr Weſen, vermittelſt deren der Grimm- und Krumdarm vereinigt wird, und ſobald dieſe Faͤden verſchwinden, ſo verſchwindet auch zugleich die Klappe mit denenſelben. Der Bogen, den die Schlaf- pulsader unter dem Hirnſchedel beſchreibt (o), entſteht nicht allein von dem Zellgewebe, ſondern es wird auch die (k) Jn der Abhandlung vom Fette wird es ausfuͤhrlicher be- ruͤhrt werden. (l) boerhaave, Prael. ad inſt. rei. med. N. 412. (m) S. dieſes Blaͤschens Be- ſchreib. in halleri Pr. lin. Phyſ. N. 784. ingl. in Phil. trans. N. 494. u. im Progr. de viis ſeminis. (n) Prim. lin. Phyſ. N. 719. Progr. de valvula coli. Gott. 1742. (o) Icon. anat. Faſcic. VII. S. 1.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/89
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/89>, abgerufen am 24.11.2024.