Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch. Das Herz.
gehänget, bei einem jeden Herzschlage in die Höhe getrie-
ben (b).

Daß übrigens das Herz das Blut nur fortpresse,
nicht aber fortstosse, scheinet mir eine blosse Spizfindigkeit
zu seyn. Dasjenige, was wir Herz nennen, ist ein Mus-
kel, und es kommt eigentlich allen Muskeln zu, wenn
wir dieses Wort in dem strengesten Verstande nehmen
wollen, daß sie stossen; daher sehe ich nicht, warum die-
ser berühmte Mann das Herz, welches unter allen Mus-
keln der bewegbarste, und in der Bewegung der aller-
dauerhafteste ist, von dem gemeinschaftlichen Geschäfte
derer übrigen Muskeln ausschliessen will?

§. 37.
Was eigentlich von der Zusammenziehungskraft
derer Schlagadern als richtig und gewiß
könne angenommen werden.

Nunmehro wende ich mich zu denenjenigen Kräften,
welche man an die Stelle des von seinem Amte verdräng-
ten Herzens sezzet. Jch will zwar denen rothen Schlag-
adern ihre Zusammenziehungskraft nicht absprechen (c);
ich mag auch, mit einigen Zergliederern von Montpel-
lier (d), nicht behaupten, daß man bei einem lebendigen
Thiere, das warmes Blut führet, keine Zusammenzie-
hung der Schlagader wahrnehmen könne. Jch bediene
mich auch keineswegs derer Gründe, die von dem Bau
der Schlagadern hergenommen sind (e), wider ihre zu-

sam-
(b) [Spaltenumbruch] Senac T. II. S. 153.
(c) Siehe des 2ten Buchs ersten
Abschnitt, §. 7.
(d) Bei dem Stähelin de Pul-
su,
S. 21.
(e) Procope Analise de la tri-
turation,
S. 64. 79. der Beweis-
grund des berühmten Mannes ist
[Spaltenumbruch] folgender: Wenn die Kraft derer
Fasern, die nach der Länge derer
Schlagadern fortgehen, grösser ist,
so wird sich die Schlagader nie zu-
sammenziehen können; ist aber die
Kraft derer in die Rundung lau-
fenden Fasern stärker, so wird sich
die Schlagader niemals erweitern
können.

Viertes Buch. Das Herz.
gehaͤnget, bei einem jeden Herzſchlage in die Hoͤhe getrie-
ben (b).

Daß uͤbrigens das Herz das Blut nur fortpreſſe,
nicht aber fortſtoſſe, ſcheinet mir eine bloſſe Spizfindigkeit
zu ſeyn. Dasjenige, was wir Herz nennen, iſt ein Mus-
kel, und es kommt eigentlich allen Muskeln zu, wenn
wir dieſes Wort in dem ſtrengeſten Verſtande nehmen
wollen, daß ſie ſtoſſen; daher ſehe ich nicht, warum die-
ſer beruͤhmte Mann das Herz, welches unter allen Mus-
keln der bewegbarſte, und in der Bewegung der aller-
dauerhafteſte iſt, von dem gemeinſchaftlichen Geſchaͤfte
derer uͤbrigen Muskeln ausſchlieſſen will?

§. 37.
Was eigentlich von der Zuſammenziehungskraft
derer Schlagadern als richtig und gewiß
koͤnne angenommen werden.

Nunmehro wende ich mich zu denenjenigen Kraͤften,
welche man an die Stelle des von ſeinem Amte verdraͤng-
ten Herzens ſezzet. Jch will zwar denen rothen Schlag-
adern ihre Zuſammenziehungskraft nicht abſprechen (c);
ich mag auch, mit einigen Zergliederern von Montpel-
lier (d), nicht behaupten, daß man bei einem lebendigen
Thiere, das warmes Blut fuͤhret, keine Zuſammenzie-
hung der Schlagader wahrnehmen koͤnne. Jch bediene
mich auch keineswegs derer Gruͤnde, die von dem Bau
der Schlagadern hergenommen ſind (e), wider ihre zu-

ſam-
(b) [Spaltenumbruch] Senac T. II. S. 153.
(c) Siehe des 2ten Buchs erſten
Abſchnitt, §. 7.
(d) Bei dem Stähelin de Pul-
ſu,
S. 21.
(e) Procope Analiſe de la tri-
turation,
S. 64. 79. der Beweis-
grund des beruͤhmten Mannes iſt
[Spaltenumbruch] folgender: Wenn die Kraft derer
Faſern, die nach der Laͤnge derer
Schlagadern fortgehen, groͤſſer iſt,
ſo wird ſich die Schlagader nie zu-
ſammenziehen koͤnnen; iſt aber die
Kraft derer in die Rundung lau-
fenden Faſern ſtaͤrker, ſo wird ſich
die Schlagader niemals erweitern
koͤnnen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0896" n="840"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Viertes Buch. Das Herz.</hi></fw><lb/>
geha&#x0364;nget, bei einem jeden Herz&#x017F;chlage in die Ho&#x0364;he getrie-<lb/>
ben <note place="foot" n="(b)"><cb/><hi rendition="#fr">Senac</hi><hi rendition="#aq">T. II.</hi> S. 153.</note>.</p><lb/>
            <p>Daß u&#x0364;brigens das Herz das Blut nur fortpre&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
nicht aber fort&#x017F;to&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;cheinet mir eine blo&#x017F;&#x017F;e Spizfindigkeit<lb/>
zu &#x017F;eyn. Dasjenige, was wir Herz nennen, i&#x017F;t ein Mus-<lb/>
kel, und es kommt eigentlich allen Muskeln zu, wenn<lb/>
wir die&#x017F;es Wort in dem &#x017F;trenge&#x017F;ten Ver&#x017F;tande nehmen<lb/>
wollen, daß &#x017F;ie &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en; daher &#x017F;ehe ich nicht, warum die-<lb/>
&#x017F;er beru&#x0364;hmte Mann das Herz, welches unter allen Mus-<lb/>
keln der bewegbar&#x017F;te, und in der Bewegung der aller-<lb/>
dauerhafte&#x017F;te i&#x017F;t, von dem gemein&#x017F;chaftlichen Ge&#x017F;cha&#x0364;fte<lb/>
derer u&#x0364;brigen Muskeln aus&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en will?</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 37.<lb/>
Was eigentlich von der Zu&#x017F;ammenziehungskraft<lb/>
derer Schlagadern als richtig und gewiß<lb/>
ko&#x0364;nne angenommen werden.</head><lb/>
            <p>Nunmehro wende ich mich zu denenjenigen Kra&#x0364;ften,<lb/>
welche man an die Stelle des von &#x017F;einem Amte verdra&#x0364;ng-<lb/>
ten Herzens &#x017F;ezzet. Jch will zwar denen rothen Schlag-<lb/>
adern ihre Zu&#x017F;ammenziehungskraft nicht ab&#x017F;prechen <note place="foot" n="(c)">Siehe des 2ten Buchs er&#x017F;ten<lb/>
Ab&#x017F;chnitt, §. 7.</note>;<lb/>
ich mag auch, mit einigen Zergliederern von Montpel-<lb/>
lier <note place="foot" n="(d)">Bei dem <hi rendition="#fr">Stähelin</hi> <hi rendition="#aq">de Pul-<lb/>
&#x017F;u,</hi> S. 21.</note>, nicht behaupten, daß man bei einem lebendigen<lb/>
Thiere, das warmes Blut fu&#x0364;hret, keine Zu&#x017F;ammenzie-<lb/>
hung der Schlagader wahrnehmen ko&#x0364;nne. Jch bediene<lb/>
mich auch keineswegs derer Gru&#x0364;nde, die von dem Bau<lb/>
der Schlagadern hergenommen &#x017F;ind <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#fr">Procope</hi><hi rendition="#aq">Anali&#x017F;e de la tri-<lb/>
turation,</hi> S. 64. 79. der Beweis-<lb/>
grund des beru&#x0364;hmten Mannes i&#x017F;t<lb/><cb/>
folgender: Wenn die Kraft derer<lb/>
Fa&#x017F;ern, die nach der La&#x0364;nge derer<lb/>
Schlagadern fortgehen, gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o wird &#x017F;ich die Schlagader nie zu-<lb/>
&#x017F;ammenziehen ko&#x0364;nnen; i&#x017F;t aber die<lb/>
Kraft derer in die Rundung lau-<lb/>
fenden Fa&#x017F;ern &#x017F;ta&#x0364;rker, &#x017F;o wird &#x017F;ich<lb/>
die Schlagader niemals erweitern<lb/>
ko&#x0364;nnen.</note>, wider ihre zu-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;am-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[840/0896] Viertes Buch. Das Herz. gehaͤnget, bei einem jeden Herzſchlage in die Hoͤhe getrie- ben (b). Daß uͤbrigens das Herz das Blut nur fortpreſſe, nicht aber fortſtoſſe, ſcheinet mir eine bloſſe Spizfindigkeit zu ſeyn. Dasjenige, was wir Herz nennen, iſt ein Mus- kel, und es kommt eigentlich allen Muskeln zu, wenn wir dieſes Wort in dem ſtrengeſten Verſtande nehmen wollen, daß ſie ſtoſſen; daher ſehe ich nicht, warum die- ſer beruͤhmte Mann das Herz, welches unter allen Mus- keln der bewegbarſte, und in der Bewegung der aller- dauerhafteſte iſt, von dem gemeinſchaftlichen Geſchaͤfte derer uͤbrigen Muskeln ausſchlieſſen will? §. 37. Was eigentlich von der Zuſammenziehungskraft derer Schlagadern als richtig und gewiß koͤnne angenommen werden. Nunmehro wende ich mich zu denenjenigen Kraͤften, welche man an die Stelle des von ſeinem Amte verdraͤng- ten Herzens ſezzet. Jch will zwar denen rothen Schlag- adern ihre Zuſammenziehungskraft nicht abſprechen (c); ich mag auch, mit einigen Zergliederern von Montpel- lier (d), nicht behaupten, daß man bei einem lebendigen Thiere, das warmes Blut fuͤhret, keine Zuſammenzie- hung der Schlagader wahrnehmen koͤnne. Jch bediene mich auch keineswegs derer Gruͤnde, die von dem Bau der Schlagadern hergenommen ſind (e), wider ihre zu- ſam- (b) Senac T. II. S. 153. (c) Siehe des 2ten Buchs erſten Abſchnitt, §. 7. (d) Bei dem Stähelin de Pul- ſu, S. 21. (e) Procope Analiſe de la tri- turation, S. 64. 79. der Beweis- grund des beruͤhmten Mannes iſt folgender: Wenn die Kraft derer Faſern, die nach der Laͤnge derer Schlagadern fortgehen, groͤſſer iſt, ſo wird ſich die Schlagader nie zu- ſammenziehen koͤnnen; iſt aber die Kraft derer in die Rundung lau- fenden Faſern ſtaͤrker, ſo wird ſich die Schlagader niemals erweitern koͤnnen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/896
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 840. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/896>, abgerufen am 22.11.2024.