einigen, um diesen Knoten zu bilden, und die in der That der allergeschikteste Zergliederer an einem lebendigen Thiere niemals zerschneiden kann, ohne zu gleicher Zeit eine oder die andere grosse Schlagader, die Schlüssel-Wirbel- oder die untere Schilddrüsenschlagader, zugleich mit zu öfnen, wovon der Erfolg allezeit tödlich gewesen. Es bleibet also noch immer ein starker Vorrath von Nerven für das Herz übrig, wenn auch gleich die auf eine grausame Art emsige Hand des Zergliederers alle beide grosse Nerven- stämme, den achten, und den Jnterkostalstamm, am Nak- ken zerschnitten hat.
Es ist auch noch ein anderer Versuch übrig, wobei man fast die gesamte Classe aller ins Herz laufenden Ner- ven auf einmal verstümmelt: wenn nämlich das Rük- kenmark etwas hoch am Halse hinauf verlezzet wird. Denn der ganze Jnterkostalnerve nimmt seinen Ursprung von diesem Marke, etliche kleine Aeste ausgenommen, welche, nachdem sie vom zwoten Aste des fünften Paa- res, und vom sechsten entstanden sind, sodann sich herab- wärts begeben, und deren grössester Theil vielleicht in die- jenigen weichen Nerven hinübergehet, die aus dem obern Knoten des Nakkennerven herauskommen. Es ist zwar noch der Nerve des achten Paares übrig, allein es laufen von diesem Stamme in dem menschlichen Körper weni- ge, und an der linken Seite noch wenigere kleine Nerven nach dem Herzen hin.
Da nun also das Rükkenmark der vornehmste Ur- sprung derer Herznerven ist, so lesen wir daher bei ver- schiedenen Schriftstellern, daß, wenn dasselbe ganz oben am Halse zerschnitten, und folglich der Ursprung des Ner- vensistems zerstöret worden, welches unterhalb dieser Ge- gend aus dem Rükkenmarke hervorkommt, die Thiere als- denn plözlich das Leben verlieren. Galenus ist der er- ste, der hiervon ein Experiment bekannt gemacht hat. Ein Ochse stirbt sogleich, wenn man ihm an dem ersten Rük-
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Urſachen des Herzſchlages.
einigen, um dieſen Knoten zu bilden, und die in der That der allergeſchikteſte Zergliederer an einem lebendigen Thiere niemals zerſchneiden kann, ohne zu gleicher Zeit eine oder die andere groſſe Schlagader, die Schluͤſſel-Wirbel- oder die untere Schilddruͤſenſchlagader, zugleich mit zu oͤfnen, wovon der Erfolg allezeit toͤdlich geweſen. Es bleibet alſo noch immer ein ſtarker Vorrath von Nerven fuͤr das Herz uͤbrig, wenn auch gleich die auf eine grauſame Art emſige Hand des Zergliederers alle beide groſſe Nerven- ſtaͤmme, den achten, und den Jnterkoſtalſtamm, am Nak- ken zerſchnitten hat.
Es iſt auch noch ein anderer Verſuch uͤbrig, wobei man faſt die geſamte Claſſe aller ins Herz laufenden Ner- ven auf einmal verſtuͤmmelt: wenn naͤmlich das Ruͤk- kenmark etwas hoch am Halſe hinauf verlezzet wird. Denn der ganze Jnterkoſtalnerve nimmt ſeinen Urſprung von dieſem Marke, etliche kleine Aeſte ausgenommen, welche, nachdem ſie vom zwoten Aſte des fuͤnften Paa- res, und vom ſechſten entſtanden ſind, ſodann ſich herab- waͤrts begeben, und deren groͤſſeſter Theil vielleicht in die- jenigen weichen Nerven hinuͤbergehet, die aus dem obern Knoten des Nakkennerven herauskommen. Es iſt zwar noch der Nerve des achten Paares uͤbrig, allein es laufen von dieſem Stamme in dem menſchlichen Koͤrper weni- ge, und an der linken Seite noch wenigere kleine Nerven nach dem Herzen hin.
Da nun alſo das Ruͤkkenmark der vornehmſte Ur- ſprung derer Herznerven iſt, ſo leſen wir daher bei ver- ſchiedenen Schriftſtellern, daß, wenn daſſelbe ganz oben am Halſe zerſchnitten, und folglich der Urſprung des Ner- venſiſtems zerſtoͤret worden, welches unterhalb dieſer Ge- gend aus dem Ruͤkkenmarke hervorkommt, die Thiere als- denn ploͤzlich das Leben verlieren. Galenus iſt der er- ſte, der hiervon ein Experiment bekannt gemacht hat. Ein Ochſe ſtirbt ſogleich, wenn man ihm an dem erſten Ruͤk-
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Urſachen des Herzſchlages.
einigen, um dieſen Knoten zu bilden, und die in der That der
allergeſchikteſte Zergliederer an einem lebendigen Thiere
niemals zerſchneiden kann, ohne zu gleicher Zeit eine oder
die andere groſſe Schlagader, die Schluͤſſel-Wirbel- oder
die untere Schilddruͤſenſchlagader, zugleich mit zu oͤfnen,
wovon der Erfolg allezeit toͤdlich geweſen. Es bleibet
alſo noch immer ein ſtarker Vorrath von Nerven fuͤr das
Herz uͤbrig, wenn auch gleich die auf eine grauſame Art
emſige Hand des Zergliederers alle beide groſſe Nerven-
ſtaͤmme, den achten, und den Jnterkoſtalſtamm, am Nak-
ken zerſchnitten hat.
Es iſt auch noch ein anderer Verſuch uͤbrig, wobei
man faſt die geſamte Claſſe aller ins Herz laufenden Ner-
ven auf einmal verſtuͤmmelt: wenn naͤmlich das Ruͤk-
kenmark etwas hoch am Halſe hinauf verlezzet wird.
Denn der ganze Jnterkoſtalnerve nimmt ſeinen Urſprung
von dieſem Marke, etliche kleine Aeſte ausgenommen,
welche, nachdem ſie vom zwoten Aſte des fuͤnften Paa-
res, und vom ſechſten entſtanden ſind, ſodann ſich herab-
waͤrts begeben, und deren groͤſſeſter Theil vielleicht in die-
jenigen weichen Nerven hinuͤbergehet, die aus dem obern
Knoten des Nakkennerven herauskommen. Es iſt zwar
noch der Nerve des achten Paares uͤbrig, allein es laufen
von dieſem Stamme in dem menſchlichen Koͤrper weni-
ge, und an der linken Seite noch wenigere kleine Nerven
nach dem Herzen hin.
Da nun alſo das Ruͤkkenmark der vornehmſte Ur-
ſprung derer Herznerven iſt, ſo leſen wir daher bei ver-
ſchiedenen Schriftſtellern, daß, wenn daſſelbe ganz oben
am Halſe zerſchnitten, und folglich der Urſprung des Ner-
venſiſtems zerſtoͤret worden, welches unterhalb dieſer Ge-
gend aus dem Ruͤkkenmarke hervorkommt, die Thiere als-
denn ploͤzlich das Leben verlieren. Galenus iſt der er-
ſte, der hiervon ein Experiment bekannt gemacht hat. Ein
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 887. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/943>, abgerufen am 23.11.2024.
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