Wenn nun aus dem Zellgewebe Membranen, wenn aus Membranen, die sich aufrollen, Gefässe, wenn aus Gefässen, und deren zellförmigen Scheiden, die Ein- geweide gebildet werden, wenn überdem die Fleisch- klümpchen der einzelnen Drüsenkügelchen ein blosses Zell- gewebe sind, so erhellet daraus, was vor ein ansehnlicher Theil von unsrem Körper aus derjenigen Materie beste- het, die man so viel Jarhunderte lang für eine Nichts- würdigkeit angesehen hat.
Vielleicht sind dieses noch nicht einmal die Grenzen von dem zellförmigen; denn die Sehnen, wenigstens ei- nige, breiten sich augenscheinlich in eine zellförmige Mem- brane, die einer harten Membrane ganz gleich kömt, un- ter dem Namen des Sehnenbandes (aponeurosis) aus; andre lassen sich, wenn man sie nur mit den Fingern von einander zieht, in eine wirkliche Membrane verwandeln. Jch habe diese Probe seit langer Zeit mit der Sehne des Fussolenmäusleins angestellt. Es wird diese Vermu- tung noch viel wahrscheinlicher, wenn man überlegt, daß die Sehnen, eben so wie das Zellgewebe, weder reizbar, noch empfindlich sind. Allein ich sezze noch die genaue- re Untersuchung hierüber bis zu einer andren Gelegen- heit aus.
Ferner scheinen die Knorpel vermutlich aus dem ela- stischen Zellgewebe ihren Ursprung zu nehmen; denn es lassen sich die Knorpel an erwachsnen Personen, und an Knaben noch besser, besonders an den Ribben, auf eben die Weise, wie die zellhafte Membrane der grossen Schlag- ader, nach und nach in Schuppen auflokkern: und um- gekehrt verändert eine Krankheit das Zellgewebe in einen wahren Knorpel, wie an den Membranen der Kröpfe öfters vorkömt, und wie wir anderswo zeigen werden. Vor der Hand nenne ich nur einen geschikten Zeugen, dem man völlig glauben kann (y).
Daß
(y)warner Cases in surgery. S. 164.
Erſtes Buch. Elementartheile
Wenn nun aus dem Zellgewebe Membranen, wenn aus Membranen, die ſich aufrollen, Gefaͤſſe, wenn aus Gefaͤſſen, und deren zellfoͤrmigen Scheiden, die Ein- geweide gebildet werden, wenn uͤberdem die Fleiſch- kluͤmpchen der einzelnen Druͤſenkuͤgelchen ein bloſſes Zell- gewebe ſind, ſo erhellet daraus, was vor ein anſehnlicher Theil von unſrem Koͤrper aus derjenigen Materie beſte- het, die man ſo viel Jarhunderte lang fuͤr eine Nichts- wuͤrdigkeit angeſehen hat.
Vielleicht ſind dieſes noch nicht einmal die Grenzen von dem zellfoͤrmigen; denn die Sehnen, wenigſtens ei- nige, breiten ſich augenſcheinlich in eine zellfoͤrmige Mem- brane, die einer harten Membrane ganz gleich koͤmt, un- ter dem Namen des Sehnenbandes (aponeuroſis) aus; andre laſſen ſich, wenn man ſie nur mit den Fingern von einander zieht, in eine wirkliche Membrane verwandeln. Jch habe dieſe Probe ſeit langer Zeit mit der Sehne des Fusſolenmaͤusleins angeſtellt. Es wird dieſe Vermu- tung noch viel wahrſcheinlicher, wenn man uͤberlegt, daß die Sehnen, eben ſo wie das Zellgewebe, weder reizbar, noch empfindlich ſind. Allein ich ſezze noch die genaue- re Unterſuchung hieruͤber bis zu einer andren Gelegen- heit aus.
Ferner ſcheinen die Knorpel vermutlich aus dem ela- ſtiſchen Zellgewebe ihren Urſprung zu nehmen; denn es laſſen ſich die Knorpel an erwachſnen Perſonen, und an Knaben noch beſſer, beſonders an den Ribben, auf eben die Weiſe, wie die zellhafte Membrane der groſſen Schlag- ader, nach und nach in Schuppen auflokkern: und um- gekehrt veraͤndert eine Krankheit das Zellgewebe in einen wahren Knorpel, wie an den Membranen der Kroͤpfe oͤfters vorkoͤmt, und wie wir anderswo zeigen werden. Vor der Hand nenne ich nur einen geſchikten Zeugen, dem man voͤllig glauben kann (y).
Daß
(y)warner Caſes in ſurgery. S. 164.
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Erſtes Buch. Elementartheile
Wenn nun aus dem Zellgewebe Membranen, wenn
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Gefaͤſſen, und deren zellfoͤrmigen Scheiden, die Ein-
geweide gebildet werden, wenn uͤberdem die Fleiſch-
kluͤmpchen der einzelnen Druͤſenkuͤgelchen ein bloſſes Zell-
gewebe ſind, ſo erhellet daraus, was vor ein anſehnlicher
Theil von unſrem Koͤrper aus derjenigen Materie beſte-
het, die man ſo viel Jarhunderte lang fuͤr eine Nichts-
wuͤrdigkeit angeſehen hat.
Vielleicht ſind dieſes noch nicht einmal die Grenzen
von dem zellfoͤrmigen; denn die Sehnen, wenigſtens ei-
nige, breiten ſich augenſcheinlich in eine zellfoͤrmige Mem-
brane, die einer harten Membrane ganz gleich koͤmt, un-
ter dem Namen des Sehnenbandes (aponeuroſis) aus;
andre laſſen ſich, wenn man ſie nur mit den Fingern von
einander zieht, in eine wirkliche Membrane verwandeln.
Jch habe dieſe Probe ſeit langer Zeit mit der Sehne des
Fusſolenmaͤusleins angeſtellt. Es wird dieſe Vermu-
tung noch viel wahrſcheinlicher, wenn man uͤberlegt, daß
die Sehnen, eben ſo wie das Zellgewebe, weder reizbar,
noch empfindlich ſind. Allein ich ſezze noch die genaue-
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heit aus.
Ferner ſcheinen die Knorpel vermutlich aus dem ela-
ſtiſchen Zellgewebe ihren Urſprung zu nehmen; denn es
laſſen ſich die Knorpel an erwachſnen Perſonen, und an
Knaben noch beſſer, beſonders an den Ribben, auf eben
die Weiſe, wie die zellhafte Membrane der groſſen Schlag-
ader, nach und nach in Schuppen auflokkern: und um-
gekehrt veraͤndert eine Krankheit das Zellgewebe in einen
wahren Knorpel, wie an den Membranen der Kroͤpfe
oͤfters vorkoͤmt, und wie wir anderswo zeigen werden.
Vor der Hand nenne ich nur einen geſchikten Zeugen,
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(y) warner Caſes in ſurgery. S. 164.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/96>, abgerufen am 21.11.2024.
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