Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.Viertes Buch. Das Herz. bei keinem einzigen Menschen ein willkührlicher Muskelin die Classe dererjenigen übergehe, die von selbsten wir- ken, oder daß ein Muskel des Lebens sich unter diejeni- gen begebe, die dem Willen unterworfen sind. Es hat sich niemals das Herz, niemals der Magen, oder die Gedärme, nach dem Willen der Seele bequemt; es ist auch niemand vermögend gewesen, den Pulsschlag nach eigenem Gefallen zu beschleunigen oder aufzuhalten, oder sich zu erbrechen, oder die Gedärme, ohne Beihülfe des natürlichen Triebes, von dem Unrathe zu entledigen, und es hat auch noch keiner die Kraft eines Reizes, oder die Verschiedenheit einer Unempfindlichkeit und Reizung, unter der Erweiterung oder Verkürzung des Herzens em- pfunden (d). Derjenige Oberster, welchen man der ein- stimmigen Erfahrung aller Jahrhunderte ganz allein ent- gegen sezt, hat entweder blos vermittelst der Lage auf dem Rükken (e) seinen Pulsschlag matt zu gehen genö- thiget, oder er hat dieses mit dem langsamen Athemho- len bewerkstelliget, wofern in der That an dieser ganzen Geschichte etwas wahres ist. Man nimmt hier die Ge- wohnheit vergebens zu Hülfe, indem diese niemals die Classen derer Muskeln, wie sie einmal von der Natur geordnet worden, zu verwirren pflegt. Das Athemho- len dauret Nacht und Tag, unter unendlichem Abwech- seln: und doch hat nie ein Sterblicher das Vermögen verloren, nach Gefallen entweder geschwinder zu athmen, oder den Athem hinwiederum anzuhalten. Das so öf- tere Nikken mit den Augenliedern, benimmt der Regie- rung der Seele in hundert Jahren nicht das mindeste, und man behält immer noch die Freiheit, sie entweder öf- terer zusammen zu ziehen, oder eine Zeitlang von dieser Zu- (d) [Spaltenumbruch]
shebbeare Practice S. 68. (e) Dieses ist die Erklärung, die
der berühmte Bond, ein Schrift- steller von der Stahlischen Par- [Spaltenumbruch] thei, über diese wunderbare Er- scheinung gegeben hat, am angef. Ort S. 35. Viertes Buch. Das Herz. bei keinem einzigen Menſchen ein willkuͤhrlicher Muskelin die Claſſe dererjenigen uͤbergehe, die von ſelbſten wir- ken, oder daß ein Muskel des Lebens ſich unter diejeni- gen begebe, die dem Willen unterworfen ſind. Es hat ſich niemals das Herz, niemals der Magen, oder die Gedaͤrme, nach dem Willen der Seele bequemt; es iſt auch niemand vermoͤgend geweſen, den Pulsſchlag nach eigenem Gefallen zu beſchleunigen oder aufzuhalten, oder ſich zu erbrechen, oder die Gedaͤrme, ohne Beihuͤlfe des natuͤrlichen Triebes, von dem Unrathe zu entledigen, und es hat auch noch keiner die Kraft eines Reizes, oder die Verſchiedenheit einer Unempfindlichkeit und Reizung, unter der Erweiterung oder Verkuͤrzung des Herzens em- pfunden (d). Derjenige Oberſter, welchen man der ein- ſtimmigen Erfahrung aller Jahrhunderte ganz allein ent- gegen ſezt, hat entweder blos vermittelſt der Lage auf dem Ruͤkken (e) ſeinen Pulsſchlag matt zu gehen genoͤ- thiget, oder er hat dieſes mit dem langſamen Athemho- len bewerkſtelliget, wofern in der That an dieſer ganzen Geſchichte etwas wahres iſt. Man nimmt hier die Ge- wohnheit vergebens zu Huͤlfe, indem dieſe niemals die Claſſen derer Muskeln, wie ſie einmal von der Natur geordnet worden, zu verwirren pflegt. Das Athemho- len dauret Nacht und Tag, unter unendlichem Abwech- ſeln: und doch hat nie ein Sterblicher das Vermoͤgen verloren, nach Gefallen entweder geſchwinder zu athmen, oder den Athem hinwiederum anzuhalten. Das ſo oͤf- tere Nikken mit den Augenliedern, benimmt der Regie- rung der Seele in hundert Jahren nicht das mindeſte, und man behaͤlt immer noch die Freiheit, ſie entweder oͤf- terer zuſammen zu ziehen, oder eine Zeitlang von dieſer Zu- (d) [Spaltenumbruch]
shebbeare Practice S. 68. (e) Dieſes iſt die Erklaͤrung, die
der beruͤhmte Bond, ein Schrift- ſteller von der Stahliſchen Par- [Spaltenumbruch] thei, uͤber dieſe wunderbare Er- ſcheinung gegeben hat, am angef. Ort S. 35. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0980" n="924"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Viertes Buch. Das Herz.</hi></fw><lb/> bei keinem einzigen Menſchen ein willkuͤhrlicher Muskel<lb/> in die Claſſe dererjenigen uͤbergehe, die von ſelbſten wir-<lb/> ken, oder daß ein Muskel des Lebens ſich unter diejeni-<lb/> gen begebe, die dem Willen unterworfen ſind. Es hat<lb/> ſich niemals das Herz, niemals der Magen, oder die<lb/> Gedaͤrme, nach dem Willen der Seele bequemt; es iſt<lb/> auch niemand vermoͤgend geweſen, den Pulsſchlag nach<lb/> eigenem Gefallen zu beſchleunigen oder aufzuhalten, oder<lb/> ſich zu erbrechen, oder die Gedaͤrme, ohne Beihuͤlfe des<lb/> natuͤrlichen Triebes, von dem Unrathe zu entledigen, und<lb/> es hat auch noch keiner die Kraft eines Reizes, oder die<lb/> Verſchiedenheit einer Unempfindlichkeit und Reizung,<lb/> unter der Erweiterung oder Verkuͤrzung des Herzens em-<lb/> pfunden <note place="foot" n="(d)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">shebbeare</hi> Practice</hi> S. 68.</note>. Derjenige Oberſter, welchen man der ein-<lb/> ſtimmigen Erfahrung aller Jahrhunderte ganz allein ent-<lb/> gegen ſezt, hat entweder blos vermittelſt der Lage auf<lb/> dem Ruͤkken <note place="foot" n="(e)">Dieſes iſt die Erklaͤrung, die<lb/> der beruͤhmte <hi rendition="#fr">Bond,</hi> ein Schrift-<lb/> ſteller von der <hi rendition="#fr">Stahliſchen</hi> Par-<lb/><cb/> thei, uͤber dieſe wunderbare Er-<lb/> ſcheinung gegeben hat, am angef.<lb/> Ort S. 35.</note> ſeinen Pulsſchlag matt zu gehen genoͤ-<lb/> thiget, oder er hat dieſes mit dem langſamen Athemho-<lb/> len bewerkſtelliget, wofern in der That an dieſer ganzen<lb/> Geſchichte etwas wahres iſt. Man nimmt hier die Ge-<lb/> wohnheit vergebens zu Huͤlfe, indem dieſe niemals die<lb/> Claſſen derer Muskeln, wie ſie einmal von der Natur<lb/> geordnet worden, zu verwirren pflegt. Das Athemho-<lb/> len dauret Nacht und Tag, unter unendlichem Abwech-<lb/> ſeln: und doch hat nie ein Sterblicher das Vermoͤgen<lb/> verloren, nach Gefallen entweder geſchwinder zu athmen,<lb/> oder den Athem hinwiederum anzuhalten. Das ſo oͤf-<lb/> tere Nikken mit den Augenliedern, benimmt der Regie-<lb/> rung der Seele in hundert Jahren nicht das mindeſte,<lb/> und man behaͤlt immer noch die Freiheit, ſie entweder oͤf-<lb/> terer zuſammen zu ziehen, oder eine Zeitlang von dieſer<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Zu-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [924/0980]
Viertes Buch. Das Herz.
bei keinem einzigen Menſchen ein willkuͤhrlicher Muskel
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ken, oder daß ein Muskel des Lebens ſich unter diejeni-
gen begebe, die dem Willen unterworfen ſind. Es hat
ſich niemals das Herz, niemals der Magen, oder die
Gedaͤrme, nach dem Willen der Seele bequemt; es iſt
auch niemand vermoͤgend geweſen, den Pulsſchlag nach
eigenem Gefallen zu beſchleunigen oder aufzuhalten, oder
ſich zu erbrechen, oder die Gedaͤrme, ohne Beihuͤlfe des
natuͤrlichen Triebes, von dem Unrathe zu entledigen, und
es hat auch noch keiner die Kraft eines Reizes, oder die
Verſchiedenheit einer Unempfindlichkeit und Reizung,
unter der Erweiterung oder Verkuͤrzung des Herzens em-
pfunden (d). Derjenige Oberſter, welchen man der ein-
ſtimmigen Erfahrung aller Jahrhunderte ganz allein ent-
gegen ſezt, hat entweder blos vermittelſt der Lage auf
dem Ruͤkken (e) ſeinen Pulsſchlag matt zu gehen genoͤ-
thiget, oder er hat dieſes mit dem langſamen Athemho-
len bewerkſtelliget, wofern in der That an dieſer ganzen
Geſchichte etwas wahres iſt. Man nimmt hier die Ge-
wohnheit vergebens zu Huͤlfe, indem dieſe niemals die
Claſſen derer Muskeln, wie ſie einmal von der Natur
geordnet worden, zu verwirren pflegt. Das Athemho-
len dauret Nacht und Tag, unter unendlichem Abwech-
ſeln: und doch hat nie ein Sterblicher das Vermoͤgen
verloren, nach Gefallen entweder geſchwinder zu athmen,
oder den Athem hinwiederum anzuhalten. Das ſo oͤf-
tere Nikken mit den Augenliedern, benimmt der Regie-
rung der Seele in hundert Jahren nicht das mindeſte,
und man behaͤlt immer noch die Freiheit, ſie entweder oͤf-
terer zuſammen zu ziehen, oder eine Zeitlang von dieſer
Zu-
(d)
shebbeare Practice S. 68.
(e) Dieſes iſt die Erklaͤrung, die
der beruͤhmte Bond, ein Schrift-
ſteller von der Stahliſchen Par-
thei, uͤber dieſe wunderbare Er-
ſcheinung gegeben hat, am angef.
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