Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch. Das Herz.
ihnen bereits das Herz ausgeschnitten hatte, und es kom-
men auch hin und wieder mehr dergleichen Beispiele vor,
von der Schildkröte (f), dem Salamander (g), und dem
Krampffische (h). Auch die Thiere die warmes Blut
haben, wie das unserige, behalten eben diese Kraft zu
schreien, zu gehen, und sogar noch zu laufen, wenn ihnen
bereits das Herz herausgerissen ist. Man hat die Ver-
suche an einem Huhn (i), Hunde (k), einer Kazze (l),
und am Faulthiere (m) gemacht, und Galenus meldet,
daß die Opferthiere, nachdem man das Herz aus der
Brust genommen, noch geschrien haben (n).

Wofern nun alles dieses seine gute Richtigkeit hat,
wie man denn in der That an der Wahrheit dessen nicht
zweifeln kann, so folget daraus, daß zwar der Wille
seinen Siz, nebst denen übrigen Eigenschaften der Seele,
im Haupte habe; daß aber auch hingegen im Herzen we-
der das Bewustseyn, noch der Wille, noch die Kraft zu
empfinden, angetroffen werde, folglich also auch die See-
le sich nicht daselbst befinde, indem alle Verrichtungen
derselben noch fortdauren, wenn das Herz bereits aus
dem Thiere ist genommen worden. Solchemnach hat
also die Seele ihren Siz nicht im Herzen, und kann auch
nicht die Ursache derer Bewegungen seyn, die das Herz
hervorbringt.

Es kann aber auch die im Kopfe befindliche Seele
keineswegs vermittelst derer Nerven über den Herzschlag

eini-
(f) [Spaltenumbruch] Sie kroch noch vierzig Stun-
den herum, beim J. Baptista Cal-
desi
S. 69. und zween Tage S. 76.
Siehe auch Faber über den Her-
nandez,
S. 730.
(g) Histoir. natur. des animaux,
T. II. P. II.
S. 199. Ol. Jaco-
bäus
S. 120. einige Stunden lang.
(h) Lorenzini in der Zerglie-
derung dieses Thieres.
(i) Ephem. N. C. Dec. II. ann. I.
[Spaltenumbruch] obs.
132. Heuermann Phisiolog.
S. 210.
(k) Columbus de re anat. L.
XII.
S. 261. Ephem. nat. cur.
Dec. I. ann. 8. obs.
10.
(l) Iessenius a iessen Anat. Pra-
gens.
S. 91. Eine Kazze lief noch
funfzehn Minuten lang.
(m) piso Hist. nat. Ind. L. V.
S. 322.
(n) De Hippocr. & Plat. decre-
tis, L. II. c.
7.

Viertes Buch. Das Herz.
ihnen bereits das Herz ausgeſchnitten hatte, und es kom-
men auch hin und wieder mehr dergleichen Beiſpiele vor,
von der Schildkroͤte (f), dem Salamander (g), und dem
Krampffiſche (h). Auch die Thiere die warmes Blut
haben, wie das unſerige, behalten eben dieſe Kraft zu
ſchreien, zu gehen, und ſogar noch zu laufen, wenn ihnen
bereits das Herz herausgeriſſen iſt. Man hat die Ver-
ſuche an einem Huhn (i), Hunde (k), einer Kazze (l),
und am Faulthiere (m) gemacht, und Galenus meldet,
daß die Opferthiere, nachdem man das Herz aus der
Bruſt genommen, noch geſchrien haben (n).

Wofern nun alles dieſes ſeine gute Richtigkeit hat,
wie man denn in der That an der Wahrheit deſſen nicht
zweifeln kann, ſo folget daraus, daß zwar der Wille
ſeinen Siz, nebſt denen uͤbrigen Eigenſchaften der Seele,
im Haupte habe; daß aber auch hingegen im Herzen we-
der das Bewuſtſeyn, noch der Wille, noch die Kraft zu
empfinden, angetroffen werde, folglich alſo auch die See-
le ſich nicht daſelbſt befinde, indem alle Verrichtungen
derſelben noch fortdauren, wenn das Herz bereits aus
dem Thiere iſt genommen worden. Solchemnach hat
alſo die Seele ihren Siz nicht im Herzen, und kann auch
nicht die Urſache derer Bewegungen ſeyn, die das Herz
hervorbringt.

Es kann aber auch die im Kopfe befindliche Seele
keineswegs vermittelſt derer Nerven uͤber den Herzſchlag

eini-
(f) [Spaltenumbruch] Sie kroch noch vierzig Stun-
den herum, beim J. Baptiſta Cal-
deſi
S. 69. und zween Tage S. 76.
Siehe auch Faber uͤber den Her-
nandez,
S. 730.
(g) Hiſtoir. natur. des animaux,
T. II. P. II.
S. 199. Ol. Jaco-
bäus
S. 120. einige Stunden lang.
(h) Lorenzini in der Zerglie-
derung dieſes Thieres.
(i) Ephem. N. C. Dec. II. ann. I.
[Spaltenumbruch] obſ.
132. Heuermann Phiſiolog.
S. 210.
(k) Columbus de re anat. L.
XII.
S. 261. Ephem. nat. cur.
Dec. I. ann. 8. obſ.
10.
(l) Ieſſenius a iessen Anat. Pra-
genſ.
S. 91. Eine Kazze lief noch
funfzehn Minuten lang.
(m) piso Hiſt. nat. Ind. L. V.
S. 322.
(n) De Hippocr. & Plat. decre-
tis, L. II. c.
7.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0986" n="930"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Viertes Buch. Das Herz.</hi></fw><lb/>
ihnen bereits das Herz ausge&#x017F;chnitten hatte, und es kom-<lb/>
men auch hin und wieder mehr dergleichen Bei&#x017F;piele vor,<lb/>
von der Schildkro&#x0364;te <note place="foot" n="(f)"><cb/>
Sie kroch noch vierzig Stun-<lb/>
den herum, beim J. Bapti&#x017F;ta <hi rendition="#fr">Cal-<lb/>
de&#x017F;i</hi> S. 69. und zween Tage S. 76.<lb/>
Siehe auch <hi rendition="#fr">Faber</hi> u&#x0364;ber den <hi rendition="#fr">Her-<lb/>
nandez,</hi> S. 730.</note>, dem Salamander <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq">Hi&#x017F;toir. natur. des animaux,<lb/>
T. II. P. II.</hi> S. 199. Ol. <hi rendition="#fr">Jaco-<lb/>
bäus</hi> S. 120. einige Stunden lang.</note>, und dem<lb/>
Krampffi&#x017F;che <note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#fr">Lorenzini</hi> in der Zerglie-<lb/>
derung die&#x017F;es Thieres.</note>. Auch die Thiere die warmes Blut<lb/>
haben, wie das un&#x017F;erige, behalten eben die&#x017F;e Kraft zu<lb/>
&#x017F;chreien, zu gehen, und &#x017F;ogar noch zu laufen, wenn ihnen<lb/>
bereits das Herz herausgeri&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t. Man hat die Ver-<lb/>
&#x017F;uche an einem Huhn <note place="foot" n="(i)"><hi rendition="#aq">Ephem. N. C. Dec. II. ann. I.<lb/><cb/>
ob&#x017F;.</hi> 132. <hi rendition="#fr">Heuermann</hi> Phi&#x017F;iolog.<lb/>
S. 210.</note>, Hunde <note place="foot" n="(k)"><hi rendition="#fr">Columbus</hi><hi rendition="#aq">de re anat. L.<lb/>
XII.</hi> S. 261. <hi rendition="#aq">Ephem. nat. cur.<lb/>
Dec. I. ann. 8. ob&#x017F;.</hi> 10.</note>, einer Kazze <note place="foot" n="(l)"><hi rendition="#aq">Ie&#x017F;&#x017F;enius a <hi rendition="#k">iessen</hi> Anat. Pra-<lb/>
gen&#x017F;.</hi> S. 91. Eine Kazze lief noch<lb/>
funfzehn Minuten lang.</note>,<lb/>
und am Faulthiere <note place="foot" n="(m)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">piso</hi></hi> Hi&#x017F;t. nat. Ind. L. V.</hi><lb/>
S. 322.</note> gemacht, und <hi rendition="#fr">Galenus</hi> meldet,<lb/>
daß die Opferthiere, nachdem man das Herz aus der<lb/>
Bru&#x017F;t genommen, noch ge&#x017F;chrien haben <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq">De Hippocr. &amp; Plat. decre-<lb/>
tis, L. II. c.</hi> 7.</note>.</p><lb/>
            <p>Wofern nun alles die&#x017F;es &#x017F;eine gute Richtigkeit hat,<lb/>
wie man denn in der That an der Wahrheit de&#x017F;&#x017F;en nicht<lb/>
zweifeln kann, &#x017F;o folget daraus, daß zwar der Wille<lb/>
&#x017F;einen Siz, neb&#x017F;t denen u&#x0364;brigen Eigen&#x017F;chaften der Seele,<lb/>
im Haupte habe; daß aber auch hingegen im Herzen we-<lb/>
der das Bewu&#x017F;t&#x017F;eyn, noch der Wille, noch die Kraft zu<lb/>
empfinden, angetroffen werde, folglich al&#x017F;o auch die See-<lb/>
le &#x017F;ich nicht da&#x017F;elb&#x017F;t befinde, indem alle Verrichtungen<lb/>
der&#x017F;elben noch fortdauren, wenn das Herz bereits aus<lb/>
dem Thiere i&#x017F;t genommen worden. Solchemnach hat<lb/>
al&#x017F;o die Seele ihren Siz nicht im Herzen, und kann auch<lb/>
nicht die Ur&#x017F;ache derer Bewegungen &#x017F;eyn, die das Herz<lb/>
hervorbringt.</p><lb/>
            <p>Es kann aber auch die im Kopfe befindliche Seele<lb/>
keineswegs vermittel&#x017F;t derer Nerven u&#x0364;ber den Herz&#x017F;chlag<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eini-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[930/0986] Viertes Buch. Das Herz. ihnen bereits das Herz ausgeſchnitten hatte, und es kom- men auch hin und wieder mehr dergleichen Beiſpiele vor, von der Schildkroͤte (f), dem Salamander (g), und dem Krampffiſche (h). Auch die Thiere die warmes Blut haben, wie das unſerige, behalten eben dieſe Kraft zu ſchreien, zu gehen, und ſogar noch zu laufen, wenn ihnen bereits das Herz herausgeriſſen iſt. Man hat die Ver- ſuche an einem Huhn (i), Hunde (k), einer Kazze (l), und am Faulthiere (m) gemacht, und Galenus meldet, daß die Opferthiere, nachdem man das Herz aus der Bruſt genommen, noch geſchrien haben (n). Wofern nun alles dieſes ſeine gute Richtigkeit hat, wie man denn in der That an der Wahrheit deſſen nicht zweifeln kann, ſo folget daraus, daß zwar der Wille ſeinen Siz, nebſt denen uͤbrigen Eigenſchaften der Seele, im Haupte habe; daß aber auch hingegen im Herzen we- der das Bewuſtſeyn, noch der Wille, noch die Kraft zu empfinden, angetroffen werde, folglich alſo auch die See- le ſich nicht daſelbſt befinde, indem alle Verrichtungen derſelben noch fortdauren, wenn das Herz bereits aus dem Thiere iſt genommen worden. Solchemnach hat alſo die Seele ihren Siz nicht im Herzen, und kann auch nicht die Urſache derer Bewegungen ſeyn, die das Herz hervorbringt. Es kann aber auch die im Kopfe befindliche Seele keineswegs vermittelſt derer Nerven uͤber den Herzſchlag eini- (f) Sie kroch noch vierzig Stun- den herum, beim J. Baptiſta Cal- deſi S. 69. und zween Tage S. 76. Siehe auch Faber uͤber den Her- nandez, S. 730. (g) Hiſtoir. natur. des animaux, T. II. P. II. S. 199. Ol. Jaco- bäus S. 120. einige Stunden lang. (h) Lorenzini in der Zerglie- derung dieſes Thieres. (i) Ephem. N. C. Dec. II. ann. I. obſ. 132. Heuermann Phiſiolog. S. 210. (k) Columbus de re anat. L. XII. S. 261. Ephem. nat. cur. Dec. I. ann. 8. obſ. 10. (l) Ieſſenius a iessen Anat. Pra- genſ. S. 91. Eine Kazze lief noch funfzehn Minuten lang. (m) piso Hiſt. nat. Ind. L. V. S. 322. (n) De Hippocr. & Plat. decre- tis, L. II. c. 7.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/986
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 930. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/986>, abgerufen am 22.11.2024.