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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

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der Verschiedenheit der Säfte.
wird (e), und von der erst geschiednen ist hier blos die
Rede: sie haben ferner zwo sehr verschiedne Klassen der
Dinge (f), nämlich das Dikke und das Zähe mit einan-
der verwirrt. Es hängt nämlich die Klebrigkeit nicht
von der Grösse der Theilchen (g), sondern von der stärkern
Kraft zusammenzuhängen, ab. Unter den meßkundi-
gen Aezten macht ein berümter Mann (h) die Stoffe
einer zähen Flüßigkeit so gar kleiner. Verhielte sich
die Kraft der Anziehung, oder des Zusammenhängens,
wie die Oberflächen, so werden kleine Stoffe in der That,
wenn beiderlei Figuren gleich bleiben, eine grössere Ober-
fläche bekommen müssen.

Vergleichet man übrigens diese Hipotese mit den
Versuchen, so scheinet sie damit eben so gut zu passen,
als sie mit den Gründen der Matematik übereinstimmt.
Vergleichet man die Kraft des Herzens mit einer anato-
mischen Sprizze, das Blut hingegen mit der eingesprizzten
Wachsmaterie, so ist gewis, daß Wachs und Talch blos
in die gröste Gefässe eindringt, und nur mit grosser
Mühe die kleinen erfüllen will, da es zugleich eine dikke
und zähe Materie ist. Das dünne Terpentinöl macht
sich hingegen bis in die kleinste Gefässe der Augen und
andrer Theile am Menschen Plazz. So ist, Kraft mei-
ner eignen Versuche, ebenfalls gewis von der Lunge z. E.
daß der Leim vom Welsfische in die Luftröhrenäste farh-
los ankömmt, und daß er die blauen Theilchen des in-
dianischen Giftes in den Lungenschlagadern im Sti-
che läst.

So viel von den Säften. Nimmt man nun die
verschiedne Oefnungen der Gefäsmündungen vor die
Hand, so wird daraus in der That warscheinlich, daß

Blut-
(e) [Spaltenumbruch] Dieses erinnert Lancis.
Galeria di Minerva. T. VII. S. 98.
(f) Wie Thomas Morgan, wel-
cher Oel dikker, als Fett macht.
angef. Ort. S. 342.
(g) [Spaltenumbruch] P. A. Michelotti angef.
Ort. S. 35. Joh. de gorter de
secretione II. n.
53.
(h) lamvre de secretione
S. 28.
X x 5

der Verſchiedenheit der Saͤfte.
wird (e), und von der erſt geſchiednen iſt hier blos die
Rede: ſie haben ferner zwo ſehr verſchiedne Klaſſen der
Dinge (f), naͤmlich das Dikke und das Zaͤhe mit einan-
der verwirrt. Es haͤngt naͤmlich die Klebrigkeit nicht
von der Groͤſſe der Theilchen (g), ſondern von der ſtaͤrkern
Kraft zuſammenzuhaͤngen, ab. Unter den meßkundi-
gen Aezten macht ein beruͤmter Mann (h) die Stoffe
einer zaͤhen Fluͤßigkeit ſo gar kleiner. Verhielte ſich
die Kraft der Anziehung, oder des Zuſammenhaͤngens,
wie die Oberflaͤchen, ſo werden kleine Stoffe in der That,
wenn beiderlei Figuren gleich bleiben, eine groͤſſere Ober-
flaͤche bekommen muͤſſen.

Vergleichet man uͤbrigens dieſe Hipoteſe mit den
Verſuchen, ſo ſcheinet ſie damit eben ſo gut zu paſſen,
als ſie mit den Gruͤnden der Matematik uͤbereinſtimmt.
Vergleichet man die Kraft des Herzens mit einer anato-
miſchen Sprizze, das Blut hingegen mit der eingeſprizzten
Wachsmaterie, ſo iſt gewis, daß Wachs und Talch blos
in die groͤſte Gefaͤſſe eindringt, und nur mit groſſer
Muͤhe die kleinen erfuͤllen will, da es zugleich eine dikke
und zaͤhe Materie iſt. Das duͤnne Terpentinoͤl macht
ſich hingegen bis in die kleinſte Gefaͤſſe der Augen und
andrer Theile am Menſchen Plazz. So iſt, Kraft mei-
ner eignen Verſuche, ebenfalls gewis von der Lunge z. E.
daß der Leim vom Welsfiſche in die Luftroͤhrenaͤſte farh-
los ankoͤmmt, und daß er die blauen Theilchen des in-
dianiſchen Giftes in den Lungenſchlagadern im Sti-
che laͤſt.

So viel von den Saͤften. Nimmt man nun die
verſchiedne Oefnungen der Gefaͤsmuͤndungen vor die
Hand, ſo wird daraus in der That warſcheinlich, daß

Blut-
(e) [Spaltenumbruch] Dieſes erinnert Lancis.
Galeria di Minerva. T. VII. S. 98.
(f) Wie Thomas Morgan, wel-
cher Oel dikker, als Fett macht.
angef. Ort. S. 342.
(g) [Spaltenumbruch] P. A. Michelotti angef.
Ort. S. 35. Joh. de gorter de
ſecretione II. n.
53.
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S. 28.
X x 5
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[697/0717] der Verſchiedenheit der Saͤfte. wird (e), und von der erſt geſchiednen iſt hier blos die Rede: ſie haben ferner zwo ſehr verſchiedne Klaſſen der Dinge (f), naͤmlich das Dikke und das Zaͤhe mit einan- der verwirrt. Es haͤngt naͤmlich die Klebrigkeit nicht von der Groͤſſe der Theilchen (g), ſondern von der ſtaͤrkern Kraft zuſammenzuhaͤngen, ab. Unter den meßkundi- gen Aezten macht ein beruͤmter Mann (h) die Stoffe einer zaͤhen Fluͤßigkeit ſo gar kleiner. Verhielte ſich die Kraft der Anziehung, oder des Zuſammenhaͤngens, wie die Oberflaͤchen, ſo werden kleine Stoffe in der That, wenn beiderlei Figuren gleich bleiben, eine groͤſſere Ober- flaͤche bekommen muͤſſen. Vergleichet man uͤbrigens dieſe Hipoteſe mit den Verſuchen, ſo ſcheinet ſie damit eben ſo gut zu paſſen, als ſie mit den Gruͤnden der Matematik uͤbereinſtimmt. Vergleichet man die Kraft des Herzens mit einer anato- miſchen Sprizze, das Blut hingegen mit der eingeſprizzten Wachsmaterie, ſo iſt gewis, daß Wachs und Talch blos in die groͤſte Gefaͤſſe eindringt, und nur mit groſſer Muͤhe die kleinen erfuͤllen will, da es zugleich eine dikke und zaͤhe Materie iſt. Das duͤnne Terpentinoͤl macht ſich hingegen bis in die kleinſte Gefaͤſſe der Augen und andrer Theile am Menſchen Plazz. So iſt, Kraft mei- ner eignen Verſuche, ebenfalls gewis von der Lunge z. E. daß der Leim vom Welsfiſche in die Luftroͤhrenaͤſte farh- los ankoͤmmt, und daß er die blauen Theilchen des in- dianiſchen Giftes in den Lungenſchlagadern im Sti- che laͤſt. So viel von den Saͤften. Nimmt man nun die verſchiedne Oefnungen der Gefaͤsmuͤndungen vor die Hand, ſo wird daraus in der That warſcheinlich, daß Blut- (e) Dieſes erinnert Lancis. Galeria di Minerva. T. VII. S. 98. (f) Wie Thomas Morgan, wel- cher Oel dikker, als Fett macht. angef. Ort. S. 342. (g) P. A. Michelotti angef. Ort. S. 35. Joh. de gorter de ſecretione II. n. 53. (h) lamvre de ſecretione S. 28. X x 5

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/717>, abgerufen am 22.11.2024.