Freiheit des Blutes durch die Lunge zu laufen, blos von einer mittelmäßigen Ausdehnung dieser Schlagader ab.
Doch es ist die Lugenschlagader nicht die einzige, de- ren Länge zunimmt. Ein jedes blinde Gefäs, wächst, wenn man den Wiederstand von allen Seiten wegnimmt, oder die treibende Kraft vermehrt, nicht nur im Durch- messer, sondern zugleich in der Länge, wie wir an dem männlichen Gliede ein Exempel haben, auch wenn man es nach dem Tode mit Wachs anfüllt. Nun haben wir gezeigt, daß durch das Einatmen der Lungenschlagader der Wiederstand benommen werde. Es fliest aber auch ausserdem, wenn die Lunge sehr ausgedehnt ist, Blut (b), Wasser (c), und andre Säfte aus der Lugenschlagader nach ihrer Blutader hin.
Unser Lehrer(d) leitet diese Erscheinung auf eine sehr einfache Weise, von der Ruhe der Lunge her, die im starken Einatmen statt habe; und er überredet sich, es könne das Blut nicht durch dieses Eingeweide durchkom- men, wo es nicht sehr ausgedehnt würde. Doch die Versuche haben es dargethan, daß es allerdings durch- kommen könne (e).
Fast dergleichen sagt Bartholomäus von Moor(f), daß die mit Luft erfüllte Gefässe, die sonst knorplig wären, währendem Einatmen die ausgedehnte rothe Gefässe zu- sammendrükken. Eine andre, gewöhnlichere Theorie ist es, diese Hinderung des umlaufenden Blutes, von der vergrösserten Federkraft, und dem Drukke der in die Lun- ge eingezognen Luft, und von der Berührung des wär- mern Blutes herzuleiten.
Es ist nämlich das Blut fast im 96 Grade des Fah- renheitschen Thermometers warm (g): und im Frühlinge
(b)[Spaltenumbruch]
S. 246.
(c) Ebendas.
(d)J. R. M. n. 619. und beinahe dergleichen der vortr. SENAC [Spaltenumbruch]
Essays de phys. S. 386. 2 Ausgab.
(e) Vorherg. § 12.
(f)Instaurat. med. S. 357. 11. f.
(g) 5. Buch.
IIII. Abſchn. deſſen Erſcheinungen.
Freiheit des Blutes durch die Lunge zu laufen, blos von einer mittelmaͤßigen Ausdehnung dieſer Schlagader ab.
Doch es iſt die Lugenſchlagader nicht die einzige, de- ren Laͤnge zunimmt. Ein jedes blinde Gefaͤs, waͤchſt, wenn man den Wiederſtand von allen Seiten wegnimmt, oder die treibende Kraft vermehrt, nicht nur im Durch- meſſer, ſondern zugleich in der Laͤnge, wie wir an dem maͤnnlichen Gliede ein Exempel haben, auch wenn man es nach dem Tode mit Wachs anfuͤllt. Nun haben wir gezeigt, daß durch das Einatmen der Lungenſchlagader der Wiederſtand benommen werde. Es flieſt aber auch auſſerdem, wenn die Lunge ſehr ausgedehnt iſt, Blut (b), Waſſer (c), und andre Saͤfte aus der Lugenſchlagader nach ihrer Blutader hin.
Unſer Lehrer(d) leitet dieſe Erſcheinung auf eine ſehr einfache Weiſe, von der Ruhe der Lunge her, die im ſtarken Einatmen ſtatt habe; und er uͤberredet ſich, es koͤnne das Blut nicht durch dieſes Eingeweide durchkom- men, wo es nicht ſehr ausgedehnt wuͤrde. Doch die Verſuche haben es dargethan, daß es allerdings durch- kommen koͤnne (e).
Faſt dergleichen ſagt Bartholomaͤus von Moor(f), daß die mit Luft erfuͤllte Gefaͤſſe, die ſonſt knorplig waͤren, waͤhrendem Einatmen die ausgedehnte rothe Gefaͤſſe zu- ſammendruͤkken. Eine andre, gewoͤhnlichere Theorie iſt es, dieſe Hinderung des umlaufenden Blutes, von der vergroͤſſerten Federkraft, und dem Drukke der in die Lun- ge eingezognen Luft, und von der Beruͤhrung des waͤr- mern Blutes herzuleiten.
Es iſt naͤmlich das Blut faſt im 96 Grade des Fah- renheitſchen Thermometers warm (g): und im Fruͤhlinge
(b)[Spaltenumbruch]
S. 246.
(c) Ebendaſ.
(d)J. R. M. n. 619. und beinahe dergleichen der vortr. SENAC [Spaltenumbruch]
Eſſays de phyſ. S. 386. 2 Ausgab.
(e) Vorherg. § 12.
(f)Inſtaurat. med. S. 357. 11. f.
(g) 5. Buch.
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IIII. Abſchn. deſſen Erſcheinungen.
Freiheit des Blutes durch die Lunge zu laufen, blos von
einer mittelmaͤßigen Ausdehnung dieſer Schlagader ab.
Doch es iſt die Lugenſchlagader nicht die einzige, de-
ren Laͤnge zunimmt. Ein jedes blinde Gefaͤs, waͤchſt,
wenn man den Wiederſtand von allen Seiten wegnimmt,
oder die treibende Kraft vermehrt, nicht nur im Durch-
meſſer, ſondern zugleich in der Laͤnge, wie wir an dem
maͤnnlichen Gliede ein Exempel haben, auch wenn man
es nach dem Tode mit Wachs anfuͤllt. Nun haben wir
gezeigt, daß durch das Einatmen der Lungenſchlagader
der Wiederſtand benommen werde. Es flieſt aber auch
auſſerdem, wenn die Lunge ſehr ausgedehnt iſt, Blut (b),
Waſſer (c), und andre Saͤfte aus der Lugenſchlagader
nach ihrer Blutader hin.
Unſer Lehrer (d) leitet dieſe Erſcheinung auf eine ſehr
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ſtarken Einatmen ſtatt habe; und er uͤberredet ſich, es
koͤnne das Blut nicht durch dieſes Eingeweide durchkom-
men, wo es nicht ſehr ausgedehnt wuͤrde. Doch die
Verſuche haben es dargethan, daß es allerdings durch-
kommen koͤnne (e).
Faſt dergleichen ſagt Bartholomaͤus von Moor (f),
daß die mit Luft erfuͤllte Gefaͤſſe, die ſonſt knorplig waͤren,
waͤhrendem Einatmen die ausgedehnte rothe Gefaͤſſe zu-
ſammendruͤkken. Eine andre, gewoͤhnlichere Theorie iſt
es, dieſe Hinderung des umlaufenden Blutes, von der
vergroͤſſerten Federkraft, und dem Drukke der in die Lun-
ge eingezognen Luft, und von der Beruͤhrung des waͤr-
mern Blutes herzuleiten.
Es iſt naͤmlich das Blut faſt im 96 Grade des Fah-
renheitſchen Thermometers warm (g): und im Fruͤhlinge
(b)
S. 246.
(c) Ebendaſ.
(d) J. R. M. n. 619. und beinahe
dergleichen der vortr. SENAC
Eſſays de phyſ. S. 386. 2 Ausgab.
(e) Vorherg. § 12.
(f) Inſtaurat. med. S. 357. 11. f.
(g) 5. Buch.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/405>, abgerufen am 22.11.2024.
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