§. 16. Die Veränderung der Stimme durch die Ge- müthsbewegungen.
Die allergemeinste Ursache, eine Stimme heraus zu bringen, ist diese, da der Mann das Weib zu sich ruft. Die| Leibe macht so gar Jnsekkten laut. So wie die Männer unter den Fröfchen (p), so singen auch blos die Männer unter den Cicaden (q), und es lokken die Heu- schrekken (r), und andere Jnsekkten, ihre Weiber durch das Geigen an sich.
Daher trifft man nicht sowol in der Klasse der Jnsek- ten; sondern vielmehr unter den Vögeln, und Vierfüßi- gen, Stimmen an, die das Schrekken, den Zorn, die Liebe zu den Jungen, die schmeichelerische Zärtlichkeit der Mütter, die Freude (s), den Schmerz ausdrükken. Die Thiere rufen damit| ihres gleichen zusammen, und es suchen dadurch einige Empfindungen, die uns undeutlich blei- ben, Thiere einer Heerde, den Jhrigen zu eröffnen. Dergleichen Stimmen sind auch stummen Menschen, oder auch solchen, die nicht reden gelernt haben, gemein, und selbst die Thiere können die verschiedenen Bedeutungen einer Stimme an einem Menschen, der lustig ist, sie her- bei lokkt, oder der ihnen was austheilen will, unterscheiden.
§. 17.
(p)[Spaltenumbruch]ROESEL von dem grünen Gesangfrosche, der Laubfrosch heist. So bald dieser sein mannbares Al- ter erreicht, und seine Gattin aufsu- chen will, lernt er singen.
(q)REAVMVR. lavren- tivs. angef. Ort. Was unter Thieren singt, gehört zum männ- [Spaltenumbruch]
lichen Geschlechte, swammerd. Bibl. S. 504.
(r)SWAMMERD. Blood- looze Dierkens. S. 94.
(s) Vergl. CARDANVM de ranis. S. 183.
III. Abſchn. Die Toͤne.
§. 16. Die Veraͤnderung der Stimme durch die Ge- muͤthsbewegungen.
Die allergemeinſte Urſache, eine Stimme heraus zu bringen, iſt dieſe, da der Mann das Weib zu ſich ruft. Die| Leibe macht ſo gar Jnſekkten laut. So wie die Maͤnner unter den Froͤfchen (p), ſo ſingen auch blos die Maͤnner unter den Cicaden (q), und es lokken die Heu- ſchrekken (r), und andere Jnſekkten, ihre Weiber durch das Geigen an ſich.
Daher trifft man nicht ſowol in der Klaſſe der Jnſek- ten; ſondern vielmehr unter den Voͤgeln, und Vierfuͤßi- gen, Stimmen an, die das Schrekken, den Zorn, die Liebe zu den Jungen, die ſchmeicheleriſche Zaͤrtlichkeit der Muͤtter, die Freude (s), den Schmerz ausdruͤkken. Die Thiere rufen damit| ihres gleichen zuſammen, und es ſuchen dadurch einige Empfindungen, die uns undeutlich blei- ben, Thiere einer Heerde, den Jhrigen zu eroͤffnen. Dergleichen Stimmen ſind auch ſtummen Menſchen, oder auch ſolchen, die nicht reden gelernt haben, gemein, und ſelbſt die Thiere koͤnnen die verſchiedenen Bedeutungen einer Stimme an einem Menſchen, der luſtig iſt, ſie her- bei lokkt, oder der ihnen was austheilen will, unterſcheiden.
§. 17.
(p)[Spaltenumbruch]ROESEL von dem gruͤnen Geſangfroſche, der Laubfroſch heiſt. So bald dieſer ſein mannbares Al- ter erreicht, und ſeine Gattin aufſu- chen will, lernt er ſingen.
(q)REAVMVR. lavren- tivſ. angef. Ort. Was unter Thieren ſingt, gehoͤrt zum maͤnn- [Spaltenumbruch]
lichen Geſchlechte, ſwammerd. Bibl. S. 504.
(r)SWAMMERD. Blood- looze Dierkens. S. 94.
(s) Vergl. CARDANVM de ranis. S. 183.
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[717[719]/0725]
III. Abſchn. Die Toͤne.
§. 16.
Die Veraͤnderung der Stimme durch die Ge-
muͤthsbewegungen.
Die allergemeinſte Urſache, eine Stimme heraus zu
bringen, iſt dieſe, da der Mann das Weib zu ſich ruft.
Die| Leibe macht ſo gar Jnſekkten laut. So wie die
Maͤnner unter den Froͤfchen (p), ſo ſingen auch blos die
Maͤnner unter den Cicaden (q), und es lokken die Heu-
ſchrekken (r), und andere Jnſekkten, ihre Weiber durch
das Geigen an ſich.
Daher trifft man nicht ſowol in der Klaſſe der Jnſek-
ten; ſondern vielmehr unter den Voͤgeln, und Vierfuͤßi-
gen, Stimmen an, die das Schrekken, den Zorn, die
Liebe zu den Jungen, die ſchmeicheleriſche Zaͤrtlichkeit der
Muͤtter, die Freude (s), den Schmerz ausdruͤkken. Die
Thiere rufen damit| ihres gleichen zuſammen, und es ſuchen
dadurch einige Empfindungen, die uns undeutlich blei-
ben, Thiere einer Heerde, den Jhrigen zu eroͤffnen.
Dergleichen Stimmen ſind auch ſtummen Menſchen, oder
auch ſolchen, die nicht reden gelernt haben, gemein, und
ſelbſt die Thiere koͤnnen die verſchiedenen Bedeutungen
einer Stimme an einem Menſchen, der luſtig iſt, ſie her-
bei lokkt, oder der ihnen was austheilen will, unterſcheiden.
§. 17.
(p)
ROESEL von dem gruͤnen
Geſangfroſche, der Laubfroſch heiſt.
So bald dieſer ſein mannbares Al-
ter erreicht, und ſeine Gattin aufſu-
chen will, lernt er ſingen.
(q) REAVMVR. lavren-
tivſ. angef. Ort. Was unter
Thieren ſingt, gehoͤrt zum maͤnn-
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Bibl. S. 504.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 717[719]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/725>, abgerufen am 22.11.2024.
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