Der Gesang ist die Sprache der Liebe, und der Fröh- ligkeit, und diese Sprache ist Vögeln, und Menschen ei- gen (t); die Natur derselben verlangt zwar keine Noth- wendigkeit, sich durch Buchstaben auszudrükken, allein die Mannifaltigkeit, und der Uebergang von den feinen Tönen, in die gröbern, und so umgekehrt, von den gro- ben in die feine, ist bei den Gesängen allemal wesentlich. Ueberhaupt wird die Stimme, wenn man singt, feiner, als sie bei einer Rede ist. Diejenigen nehmllch, welche singen, geben, wenn sie gleich die gröbsten Töne machen, dennoch Laute von sich, die um die Quart, oder Quinte von dem Tone verschieden sind, der einem Redenden ge- mein ist (u).
Der gröste Unterscheid zwischen dem Singen, und Re- hen, besteht in den wellenförmigen Bewegungen, und, um diese deutlicher zu machen, bleibt der Luftröhrenkopf nicht in Ruhe; sondern er schwebt gleichsam in dem Gleichgewichte, welches die erhebenden, und niederziehen- den Kräfte bestimmen. Es kann aber ein jeder dieses Schwanken an sich selbst warnehmen, wenn man nur im Singen den Finger an den Luftröhrenkopf hält. Da also das Singen vieler Muskeln bedarf, so ermüdet es, und man kann es nicht lange aushalten (y); daß dazu ein Wiederschall, und eine Spannung der Fasern erfordert werde, läst sich nach dem oben angeführten Beispiele der Sängerin muthmaßen, an deren Luftröhrenkopfe man die Knorpel steifer, und zärter fand (z).
(x)
Wie
(t)[Spaltenumbruch]
Blos in der männlichen Nach- tigall schmillt, u strengt sich der Luft- röhrenkopfan, Engl. songbirds. S. 85. Der Mann unter den kriechenden hat unter der Luftröhre gleichsam einen Jrrgarten, das Weib nicht. albin. [Spaltenumbruch]
of birds. T. I. n. 100.
(u)amman. S. 24.
(y) B. 8. A. 2. N. 12.
(z)taglini. ang. Ort. S. 106.
(x)dodart. Mem. von 1706. S. 144. 145.
Die Stimme. IX. Buch.
§. 17. Der Geſang.
Der Geſang iſt die Sprache der Liebe, und der Froͤh- ligkeit, und dieſe Sprache iſt Voͤgeln, und Menſchen ei- gen (t); die Natur derſelben verlangt zwar keine Noth- wendigkeit, ſich durch Buchſtaben auszudruͤkken, allein die Mannifaltigkeit, und der Uebergang von den feinen Toͤnen, in die groͤbern, und ſo umgekehrt, von den gro- ben in die feine, iſt bei den Geſaͤngen allemal weſentlich. Ueberhaupt wird die Stimme, wenn man ſingt, feiner, als ſie bei einer Rede iſt. Diejenigen nehmllch, welche ſingen, geben, wenn ſie gleich die groͤbſten Toͤne machen, dennoch Laute von ſich, die um die Quart, oder Quinte von dem Tone verſchieden ſind, der einem Redenden ge- mein iſt (u).
Der groͤſte Unterſcheid zwiſchen dem Singen, und Re- hen, beſteht in den wellenfoͤrmigen Bewegungen, und, um dieſe deutlicher zu machen, bleibt der Luftroͤhrenkopf nicht in Ruhe; ſondern er ſchwebt gleichſam in dem Gleichgewichte, welches die erhebenden, und niederziehen- den Kraͤfte beſtimmen. Es kann aber ein jeder dieſes Schwanken an ſich ſelbſt warnehmen, wenn man nur im Singen den Finger an den Luftroͤhrenkopf haͤlt. Da alſo das Singen vieler Muskeln bedarf, ſo ermuͤdet es, und man kann es nicht lange aushalten (y); daß dazu ein Wiederſchall, und eine Spannung der Faſern erfordert werde, laͤſt ſich nach dem oben angefuͤhrten Beiſpiele der Saͤngerin muthmaßen, an deren Luftroͤhrenkopfe man die Knorpel ſteifer, und zaͤrter fand (z).
(x)
Wie
(t)[Spaltenumbruch]
Blos in der maͤnnlichen Nach- tigall ſchmillt, u ſtrengt ſich der Luft- roͤhrenkopfan, Engl. ſongbirds. S. 85. Der Mann unter den kriechenden hat unter der Luftroͤhre gleichſam einen Jrrgarten, das Weib nicht. albin. [Spaltenumbruch]
of birds. T. I. n. 100.
(u)amman. S. 24.
(y) B. 8. A. 2. N. 12.
(z)taglini. ang. Ort. S. 106.
(x)dodart. Mem. von 1706. S. 144. 145.
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[718[720]/0726]
Die Stimme. IX. Buch.
§. 17.
Der Geſang.
Der Geſang iſt die Sprache der Liebe, und der Froͤh-
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gen (t); die Natur derſelben verlangt zwar keine Noth-
wendigkeit, ſich durch Buchſtaben auszudruͤkken, allein
die Mannifaltigkeit, und der Uebergang von den feinen
Toͤnen, in die groͤbern, und ſo umgekehrt, von den gro-
ben in die feine, iſt bei den Geſaͤngen allemal weſentlich.
Ueberhaupt wird die Stimme, wenn man ſingt, feiner,
als ſie bei einer Rede iſt. Diejenigen nehmllch, welche
ſingen, geben, wenn ſie gleich die groͤbſten Toͤne machen,
dennoch Laute von ſich, die um die Quart, oder Quinte
von dem Tone verſchieden ſind, der einem Redenden ge-
mein iſt (u).
Der groͤſte Unterſcheid zwiſchen dem Singen, und Re-
hen, beſteht in den wellenfoͤrmigen Bewegungen, und,
um dieſe deutlicher zu machen, bleibt der Luftroͤhrenkopf
nicht in Ruhe; ſondern er ſchwebt gleichſam in dem
Gleichgewichte, welches die erhebenden, und niederziehen-
den Kraͤfte beſtimmen. Es kann aber ein jeder dieſes
Schwanken an ſich ſelbſt warnehmen, wenn man nur im
Singen den Finger an den Luftroͤhrenkopf haͤlt. Da alſo
das Singen vieler Muskeln bedarf, ſo ermuͤdet es, und
man kann es nicht lange aushalten (y); daß dazu ein
Wiederſchall, und eine Spannung der Faſern erfordert
werde, laͤſt ſich nach dem oben angefuͤhrten Beiſpiele der
Saͤngerin muthmaßen, an deren Luftroͤhrenkopfe man
die Knorpel ſteifer, und zaͤrter fand (z).
Wie
(x)
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Blos in der maͤnnlichen Nach-
tigall ſchmillt, u ſtrengt ſich der Luft-
roͤhrenkopfan, Engl. ſongbirds. S. 85.
Der Mann unter den kriechenden hat
unter der Luftroͤhre gleichſam einen
Jrrgarten, das Weib nicht. albin.
of birds. T. I. n. 100.
(u) amman. S. 24.
(y) B. 8. A. 2. N. 12.
(z) taglini. ang. Ort. S. 106.
(x) dodart. Mem. von 1706.
S. 144. 145.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 718[720]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/726>, abgerufen am 22.11.2024.
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