Wie die Folge von Tönen, und die Simphonien un- serm Ohre | angenehm werden, das soll mit besserm Rechte anderswo erkläret werden (a). Wir fügen hier blos noch dieses hinzu, daß vornehmlich zum Singen eine geübte Gehörkraft gehöre, welche die kleinsten Fehler anstößig findet; ferner daß eine vollkommene Simmetrie der Werk- zeuge, von denen die Stimme gemacht wird, und daß folglich gleichförmig gespannte Bänder (b), und eine gleich große Muskelkraft an beiden Seiten, daß gleich starke Knorpel des Luftröhrenkopfes an beiden Seiten, (denn ich habe selten die Oefnung aus der Mitte verrükkt gefunden), ferner daß gleich hohe Kammern (c), die man dennoch öfters ungleich befunden, daß gleich grosse Hör- ner des Zungenbeins (d), und was dergleichen mehr ist, dazu erfordert werden. Bei welchen eine von diesen Ei- genschaften fehlet, die werden niemals klar singen, und die Töne hervorbringen können, welche sie wollen. Sie mögen nemlich die eine Seite des Lufröhrenkopfes zu ei- nem gewissen Ton ins Geschikke bringen, wie sie immer wollen, so wird doch die andere Seite dazu nicht harmo- nisch mit einstimmen (e), und allemal einen falschen Ton angeben.
Man pflegt hierbei die Frage aufzuwerfen, warum die zur Zeit noch zarte, und feine Stimme der Knaben, gegen die Mannbarkeit (f), ungleich, und schlecht, und nachgehens grob werde, wenn sie die Zeit der Mannbar- keit zurükk gelegt haben (g). Hierauf antwortet unser berüm- ter Freund, daß die Fasern der Glottis; da nunmehr der Körper sein völliges Wachsthum erreichet, dikker
wer-
(a)[Spaltenumbruch]Liber de auditu.
(b)DODART Mem. von 1706. S. 142.
(c)morgagn. adv. V. S. 67.
(d) Ungleich fand sie dvvern. Comment. Acad. Petropol. T. VII. S. 216.
(e)[Spaltenumbruch]
Vorherg. N. 8.
(f)ARIST. hist. animal. L. VII. c. i. tissot de la mue de la xoix. S. 159.
(g)ARIST. fügt die Liebe hin- zu. Nach 4 bis 5 Monaten, tissot angef. Ort.
H. Phisiol. 3 B. Z z
III. Abſchn. Die Toͤne.
Wie die Folge von Toͤnen, und die Simphonien un- ſerm Ohre | angenehm werden, das ſoll mit beſſerm Rechte anderswo erklaͤret werden (a). Wir fuͤgen hier blos noch dieſes hinzu, daß vornehmlich zum Singen eine geuͤbte Gehoͤrkraft gehoͤre, welche die kleinſten Fehler anſtoͤßig findet; ferner daß eine vollkommene Simmetrie der Werk- zeuge, von denen die Stimme gemacht wird, und daß folglich gleichfoͤrmig geſpannte Baͤnder (b), und eine gleich große Muskelkraft an beiden Seiten, daß gleich ſtarke Knorpel des Luftroͤhrenkopfes an beiden Seiten, (denn ich habe ſelten die Oefnung aus der Mitte verruͤkkt gefunden), ferner daß gleich hohe Kammern (c), die man dennoch oͤfters ungleich befunden, daß gleich groſſe Hoͤr- ner des Zungenbeins (d), und was dergleichen mehr iſt, dazu erfordert werden. Bei welchen eine von dieſen Ei- genſchaften fehlet, die werden niemals klar ſingen, und die Toͤne hervorbringen koͤnnen, welche ſie wollen. Sie moͤgen nemlich die eine Seite des Lufroͤhrenkopfes zu ei- nem gewiſſen Ton ins Geſchikke bringen, wie ſie immer wollen, ſo wird doch die andere Seite dazu nicht harmo- niſch mit einſtimmen (e), und allemal einen falſchen Ton angeben.
Man pflegt hierbei die Frage aufzuwerfen, warum die zur Zeit noch zarte, und feine Stimme der Knaben, gegen die Mannbarkeit (f), ungleich, und ſchlecht, und nachgehens grob werde, wenn ſie die Zeit der Mannbar- keit zuruͤkk gelegt haben (g). Hierauf antwortet unſer beruͤm- ter Freund, daß die Faſern der Glottis; da nunmehr der Koͤrper ſein voͤlliges Wachsthum erreichet, dikker
wer-
(a)[Spaltenumbruch]Liber de auditu.
(b)DODART Mem. von 1706. S. 142.
(c)morgagn. adv. V. S. 67.
(d) Ungleich fand ſie dvvern. Comment. Acad. Petropol. T. VII. S. 216.
(e)[Spaltenumbruch]
Vorherg. N. 8.
(f)ARIST. hiſt. animal. L. VII. c. i. tiſſot de la mue de la xoix. S. 159.
(g)ARIST. fuͤgt die Liebe hin- zu. Nach 4 bis 5 Monaten, tiſſot angef. Ort.
H. Phiſiol. 3 B. Z z
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[719[721]/0727]
III. Abſchn. Die Toͤne.
Wie die Folge von Toͤnen, und die Simphonien un-
ſerm Ohre | angenehm werden, das ſoll mit beſſerm Rechte
anderswo erklaͤret werden (a). Wir fuͤgen hier blos noch
dieſes hinzu, daß vornehmlich zum Singen eine geuͤbte
Gehoͤrkraft gehoͤre, welche die kleinſten Fehler anſtoͤßig
findet; ferner daß eine vollkommene Simmetrie der Werk-
zeuge, von denen die Stimme gemacht wird, und daß
folglich gleichfoͤrmig geſpannte Baͤnder (b), und eine
gleich große Muskelkraft an beiden Seiten, daß gleich
ſtarke Knorpel des Luftroͤhrenkopfes an beiden Seiten,
(denn ich habe ſelten die Oefnung aus der Mitte verruͤkkt
gefunden), ferner daß gleich hohe Kammern (c), die man
dennoch oͤfters ungleich befunden, daß gleich groſſe Hoͤr-
ner des Zungenbeins (d), und was dergleichen mehr iſt,
dazu erfordert werden. Bei welchen eine von dieſen Ei-
genſchaften fehlet, die werden niemals klar ſingen, und
die Toͤne hervorbringen koͤnnen, welche ſie wollen. Sie
moͤgen nemlich die eine Seite des Lufroͤhrenkopfes zu ei-
nem gewiſſen Ton ins Geſchikke bringen, wie ſie immer
wollen, ſo wird doch die andere Seite dazu nicht harmo-
niſch mit einſtimmen (e), und allemal einen falſchen
Ton angeben.
Man pflegt hierbei die Frage aufzuwerfen, warum
die zur Zeit noch zarte, und feine Stimme der Knaben,
gegen die Mannbarkeit (f), ungleich, und ſchlecht, und
nachgehens grob werde, wenn ſie die Zeit der Mannbar-
keit zuruͤkk gelegt haben (g). Hierauf antwortet unſer beruͤm-
ter Freund, daß die Faſern der Glottis; da nunmehr
der Koͤrper ſein voͤlliges Wachsthum erreichet, dikker
wer-
(a)
Liber de auditu.
(b) DODART Mem. von 1706.
S. 142.
(c) morgagn. adv. V. S. 67.
(d) Ungleich fand ſie dvvern.
Comment. Acad. Petropol. T. VII.
S. 216.
(e)
Vorherg. N. 8.
(f) ARIST. hiſt. animal. L.
VII. c. i. tiſſot de la mue de
la xoix. S. 159.
(g) ARIST. fuͤgt die Liebe hin-
zu. Nach 4 bis 5 Monaten, tiſſot
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 719[721]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/727>, abgerufen am 22.11.2024.
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