Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
III. Abschnitt. Ursachen.
§. 29.
Was diesen Reiz in Bewegung bringe.

Man bildet sich gemeiniglich ein, daß der Wille ein
subtiles Element in die Nerven, und folglich auch in die
Muskeln, einführe. Zu diesem Einführen aber gehört
eine Kraft, und die Entelechia, von der die Folge ist,
daß im Nervenflüssigen eine Bewegung hervorgebracht
wird, vermöge welcher dieses Flüssige, noch gewaltsamer,
als vorher, in die Muskeln eindringt. Es ist nun die
Frage, was dieses Vermögen vor eine Ursache habe.

Die Stahlianer, und welche sonst den phisischen
Einflus verfechten, sagen, es sei die Seele. Jhr komme
es zu, entweder für sich allein (s), oder wenigstens doch zu-
gleich nebst dem Körper, Bewegungen zu erzeugen. Folg-
lich würde von der Seele eine neue Bewegung erzeugt
werden, vermöge welcher die Nervengeister in den Delta-
muskel eindringen müsten, so oft ich dieses haben wollte.

Jch mag mich in diese schwere Fragen nicht einlassen
und sie kurz zu berüren, ist mir nicht möglich. Es be-
hauptet demnach Kartesius, Leibniz, und die meisten
Mathematiker, daß in der ganzen Natur keine neue Be-
wegung entstehe oder verschwinde; daß hingegen Körper
nach dem Kreise stossen und gestossen werden, und daß in
einem Theile des Ganzen, von der Bewegung so viel verlo-
ren gehe, als dem andern Theile zuwachse; da Neuton
gegenteils, mit Genemhaltung der ganzen Natur, behau-
ptet, daß sich neue Bewegungen erzeugen, und die alten
zernichten lassen. Folglich würde diejenige Bewegung,
welche meinen Nervensaft mit Gewalt in den Deltamus-
kel treibt, von der Seele nicht hervorgebracht werden.

Man hat die Sache von einer andern Seite her an-
gegriffen, um den Ursprung dieser Entelechia zu erklä-

ren.
(s) pag. 517.
III. Abſchnitt. Urſachen.
§. 29.
Was dieſen Reiz in Bewegung bringe.

Man bildet ſich gemeiniglich ein, daß der Wille ein
ſubtiles Element in die Nerven, und folglich auch in die
Muſkeln, einfuͤhre. Zu dieſem Einfuͤhren aber gehoͤrt
eine Kraft, und die Entelechia, von der die Folge iſt,
daß im Nervenfluͤſſigen eine Bewegung hervorgebracht
wird, vermoͤge welcher dieſes Fluͤſſige, noch gewaltſamer,
als vorher, in die Muſkeln eindringt. Es iſt nun die
Frage, was dieſes Vermoͤgen vor eine Urſache habe.

Die Stahlianer, und welche ſonſt den phiſiſchen
Einflus verfechten, ſagen, es ſei die Seele. Jhr komme
es zu, entweder fuͤr ſich allein (s), oder wenigſtens doch zu-
gleich nebſt dem Koͤrper, Bewegungen zu erzeugen. Folg-
lich wuͤrde von der Seele eine neue Bewegung erzeugt
werden, vermoͤge welcher die Nervengeiſter in den Delta-
muſkel eindringen muͤſten, ſo oft ich dieſes haben wollte.

Jch mag mich in dieſe ſchwere Fragen nicht einlaſſen
und ſie kurz zu beruͤren, iſt mir nicht moͤglich. Es be-
hauptet demnach Karteſius, Leibniz, und die meiſten
Mathematiker, daß in der ganzen Natur keine neue Be-
wegung entſtehe oder verſchwinde; daß hingegen Koͤrper
nach dem Kreiſe ſtoſſen und geſtoſſen werden, und daß in
einem Theile des Ganzen, von der Bewegung ſo viel verlo-
ren gehe, als dem andern Theile zuwachſe; da Neuton
gegenteils, mit Genemhaltung der ganzen Natur, behau-
ptet, daß ſich neue Bewegungen erzeugen, und die alten
zernichten laſſen. Folglich wuͤrde diejenige Bewegung,
welche meinen Nervenſaft mit Gewalt in den Deltamuſ-
kel treibt, von der Seele nicht hervorgebracht werden.

Man hat die Sache von einer andern Seite her an-
gegriffen, um den Urſprung dieſer Entelechia zu erklaͤ-

ren.
(s) pag. 517.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0207" n="189"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Ur&#x017F;achen.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">§. 29.<lb/>
Was die&#x017F;en Reiz in Bewegung bringe.</hi> </head><lb/>
          <p>Man bildet &#x017F;ich gemeiniglich ein, daß der Wille ein<lb/>
&#x017F;ubtiles Element in die Nerven, und folglich auch in die<lb/>
Mu&#x017F;keln, einfu&#x0364;hre. Zu die&#x017F;em Einfu&#x0364;hren aber geho&#x0364;rt<lb/>
eine Kraft, und die Entelechia, von der die Folge i&#x017F;t,<lb/>
daß im Nervenflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen eine Bewegung hervorgebracht<lb/>
wird, vermo&#x0364;ge welcher die&#x017F;es Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige, noch gewalt&#x017F;amer,<lb/>
als vorher, in die Mu&#x017F;keln eindringt. Es i&#x017F;t nun die<lb/>
Frage, was die&#x017F;es Vermo&#x0364;gen vor eine Ur&#x017F;ache habe.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#fr">Stahlianer,</hi> und welche &#x017F;on&#x017F;t den phi&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Einflus verfechten, &#x017F;agen, es &#x017F;ei die Seele. Jhr komme<lb/>
es zu, entweder fu&#x0364;r &#x017F;ich allein <note place="foot" n="(s)"><hi rendition="#aq">pag.</hi> 517.</note>, oder wenig&#x017F;tens doch zu-<lb/>
gleich neb&#x017F;t dem Ko&#x0364;rper, Bewegungen zu erzeugen. Folg-<lb/>
lich wu&#x0364;rde von der Seele eine neue Bewegung erzeugt<lb/>
werden, vermo&#x0364;ge welcher die Nervengei&#x017F;ter in den Delta-<lb/>
mu&#x017F;kel eindringen mu&#x0364;&#x017F;ten, &#x017F;o oft ich die&#x017F;es haben wollte.</p><lb/>
          <p>Jch mag mich in die&#x017F;e &#x017F;chwere Fragen nicht einla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und &#x017F;ie kurz zu beru&#x0364;ren, i&#x017F;t mir nicht mo&#x0364;glich. Es be-<lb/>
hauptet demnach <hi rendition="#fr">Karte&#x017F;ius, Leibniz,</hi> und die mei&#x017F;ten<lb/>
Mathematiker, daß in der ganzen Natur keine neue Be-<lb/>
wegung ent&#x017F;tehe oder ver&#x017F;chwinde; daß hingegen Ko&#x0364;rper<lb/>
nach dem Krei&#x017F;e &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en und ge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en werden, und daß in<lb/>
einem Theile des Ganzen, von der Bewegung &#x017F;o viel verlo-<lb/>
ren gehe, als dem andern Theile zuwach&#x017F;e; da <hi rendition="#fr">Neuton</hi><lb/>
gegenteils, mit Genemhaltung der ganzen Natur, behau-<lb/>
ptet, daß &#x017F;ich neue Bewegungen erzeugen, und die alten<lb/>
zernichten la&#x017F;&#x017F;en. Folglich wu&#x0364;rde diejenige Bewegung,<lb/>
welche meinen Nerven&#x017F;aft mit Gewalt in den Deltamu&#x017F;-<lb/>
kel treibt, von der Seele nicht hervorgebracht werden.</p><lb/>
          <p>Man hat die Sache von einer andern Seite her an-<lb/>
gegriffen, um den Ur&#x017F;prung die&#x017F;er <hi rendition="#fr">Entelechia</hi> zu erkla&#x0364;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ren.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0207] III. Abſchnitt. Urſachen. §. 29. Was dieſen Reiz in Bewegung bringe. Man bildet ſich gemeiniglich ein, daß der Wille ein ſubtiles Element in die Nerven, und folglich auch in die Muſkeln, einfuͤhre. Zu dieſem Einfuͤhren aber gehoͤrt eine Kraft, und die Entelechia, von der die Folge iſt, daß im Nervenfluͤſſigen eine Bewegung hervorgebracht wird, vermoͤge welcher dieſes Fluͤſſige, noch gewaltſamer, als vorher, in die Muſkeln eindringt. Es iſt nun die Frage, was dieſes Vermoͤgen vor eine Urſache habe. Die Stahlianer, und welche ſonſt den phiſiſchen Einflus verfechten, ſagen, es ſei die Seele. Jhr komme es zu, entweder fuͤr ſich allein (s), oder wenigſtens doch zu- gleich nebſt dem Koͤrper, Bewegungen zu erzeugen. Folg- lich wuͤrde von der Seele eine neue Bewegung erzeugt werden, vermoͤge welcher die Nervengeiſter in den Delta- muſkel eindringen muͤſten, ſo oft ich dieſes haben wollte. Jch mag mich in dieſe ſchwere Fragen nicht einlaſſen und ſie kurz zu beruͤren, iſt mir nicht moͤglich. Es be- hauptet demnach Karteſius, Leibniz, und die meiſten Mathematiker, daß in der ganzen Natur keine neue Be- wegung entſtehe oder verſchwinde; daß hingegen Koͤrper nach dem Kreiſe ſtoſſen und geſtoſſen werden, und daß in einem Theile des Ganzen, von der Bewegung ſo viel verlo- ren gehe, als dem andern Theile zuwachſe; da Neuton gegenteils, mit Genemhaltung der ganzen Natur, behau- ptet, daß ſich neue Bewegungen erzeugen, und die alten zernichten laſſen. Folglich wuͤrde diejenige Bewegung, welche meinen Nervenſaft mit Gewalt in den Deltamuſ- kel treibt, von der Seele nicht hervorgebracht werden. Man hat die Sache von einer andern Seite her an- gegriffen, um den Urſprung dieſer Entelechia zu erklaͤ- ren. (s) pag. 517.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/207
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/207>, abgerufen am 21.11.2024.