aus, überhaupt, wie man lieset, und sie nennt nicht zween Buchstaben zugleich. Ausserdem kann sie dunkel em- pfinden, und Schmerzen oder Wollust fülen, aber sich nichts deutlich weiter vorstellen. Wenn sie siehet, so sieht sie nur einen einzigen Punkt auf einmal deutlich, weil sie, wenn sie lieset, Buchstaben vor Buchstaben ausspricht, und nur einen einzigen deutlich sieht, die übrigen aber nach der Reihe mit dem Auge und Kopfe verfolget.
Dieses waren des Boerhaavens(x), und meine Gedanken, als Robert Whytt(y) dawider schrieb. Es kömmt aber der Einwurf dieses Mannes darauf an, daß sich nebst der deutlichen Jdee, noch andre undeutliche in der Seele zugleich vorstellen lassen. Und das ist auch ausgemacht, weil ich das ganze Buch vor mir sehe, wenn ich einen einzigen Buchstaben lese. Doch dadurch leidet unser Schlus nichts.
Nunmehr sage ich, wie es gar nicht scheine, daß unsre Seele, welche sich nur eine einzige Sache deutlich vorstellt, so viel Muskeln im Körper in Bewegung sezzen könne, welche sie doch wirklich, so oft sie will, in Bewegung sezzt. Wir wollen einen Sprung vor uns nehmen, man soll über einen Graben, der vier Fus breit ist, sezzen. Die Seele bequemt sich dazu. Es stossen demnach die gebogne Füsse, nachdem die Bewegung beliebt worden, von der Erde ab, es heben die Ausstrekker des Schienbeins, und die Beuger der Hüfte den Leib in die Höhe, sie entfernen ihn von der Erde, der Leib wirft sich vorwerts hin, und erreicht den Ort, wohin die Seele den Körper bestimmt hatte.
Die Seele hat von den Muskeln, welche sie regiert, keine Kenntnis (z), und sie macht sich von der äusserst schweren Aequation keinen Begriff, durch welche das
Gleich-
(x)[Spaltenumbruch]praelect. Tom. IV. n. 541. Wegen des Gesichtes stimmet mit uns überein HARTLEY p. 232. et le CLERC, und alle übrigen.
(y)[Spaltenumbruch]loc. cit.
(z)QUESNAI loc. cit. pag. 125.
III. Abſchnitt. Urſachen.
aus, uͤberhaupt, wie man lieſet, und ſie nennt nicht zween Buchſtaben zugleich. Auſſerdem kann ſie dunkel em- pfinden, und Schmerzen oder Wolluſt fuͤlen, aber ſich nichts deutlich weiter vorſtellen. Wenn ſie ſiehet, ſo ſieht ſie nur einen einzigen Punkt auf einmal deutlich, weil ſie, wenn ſie lieſet, Buchſtaben vor Buchſtaben ausſpricht, und nur einen einzigen deutlich ſieht, die uͤbrigen aber nach der Reihe mit dem Auge und Kopfe verfolget.
Dieſes waren des Boerhaavens(x), und meine Gedanken, als Robert Whytt(y) dawider ſchrieb. Es koͤmmt aber der Einwurf dieſes Mannes darauf an, daß ſich nebſt der deutlichen Jdee, noch andre undeutliche in der Seele zugleich vorſtellen laſſen. Und das iſt auch ausgemacht, weil ich das ganze Buch vor mir ſehe, wenn ich einen einzigen Buchſtaben leſe. Doch dadurch leidet unſer Schlus nichts.
Nunmehr ſage ich, wie es gar nicht ſcheine, daß unſre Seele, welche ſich nur eine einzige Sache deutlich vorſtellt, ſo viel Muſkeln im Koͤrper in Bewegung ſezzen koͤnne, welche ſie doch wirklich, ſo oft ſie will, in Bewegung ſezzt. Wir wollen einen Sprung vor uns nehmen, man ſoll uͤber einen Graben, der vier Fus breit iſt, ſezzen. Die Seele bequemt ſich dazu. Es ſtoſſen demnach die gebogne Fuͤſſe, nachdem die Bewegung beliebt worden, von der Erde ab, es heben die Ausſtrekker des Schienbeins, und die Beuger der Huͤfte den Leib in die Hoͤhe, ſie entfernen ihn von der Erde, der Leib wirft ſich vorwerts hin, und erreicht den Ort, wohin die Seele den Koͤrper beſtimmt hatte.
Die Seele hat von den Muſkeln, welche ſie regiert, keine Kenntnis (z), und ſie macht ſich von der aͤuſſerſt ſchweren Aequation keinen Begriff, durch welche das
Gleich-
(x)[Spaltenumbruch]praelect. Tom. IV. n. 541. Wegen des Geſichtes ſtimmet mit uns uͤberein HARTLEY p. 232. et le CLERC, und alle uͤbrigen.
(y)[Spaltenumbruch]loc. cit.
(z)QUESNAI loc. cit. pag. 125.
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Buchſtaben zugleich. Auſſerdem kann ſie dunkel em-
pfinden, und Schmerzen oder Wolluſt fuͤlen, aber ſich
nichts deutlich weiter vorſtellen. Wenn ſie ſiehet, ſo ſieht
ſie nur einen einzigen Punkt auf einmal deutlich, weil ſie,
wenn ſie lieſet, Buchſtaben vor Buchſtaben ausſpricht,
und nur einen einzigen deutlich ſieht, die uͤbrigen aber nach
der Reihe mit dem Auge und Kopfe verfolget.
Dieſes waren des Boerhaavens (x), und meine
Gedanken, als Robert Whytt (y) dawider ſchrieb. Es
koͤmmt aber der Einwurf dieſes Mannes darauf an, daß
ſich nebſt der deutlichen Jdee, noch andre undeutliche in
der Seele zugleich vorſtellen laſſen. Und das iſt auch
ausgemacht, weil ich das ganze Buch vor mir ſehe, wenn
ich einen einzigen Buchſtaben leſe. Doch dadurch leidet
unſer Schlus nichts.
Nunmehr ſage ich, wie es gar nicht ſcheine, daß unſre
Seele, welche ſich nur eine einzige Sache deutlich vorſtellt,
ſo viel Muſkeln im Koͤrper in Bewegung ſezzen koͤnne,
welche ſie doch wirklich, ſo oft ſie will, in Bewegung ſezzt.
Wir wollen einen Sprung vor uns nehmen, man ſoll uͤber
einen Graben, der vier Fus breit iſt, ſezzen. Die Seele
bequemt ſich dazu. Es ſtoſſen demnach die gebogne Fuͤſſe,
nachdem die Bewegung beliebt worden, von der Erde ab,
es heben die Ausſtrekker des Schienbeins, und die Beuger
der Huͤfte den Leib in die Hoͤhe, ſie entfernen ihn von der
Erde, der Leib wirft ſich vorwerts hin, und erreicht den
Ort, wohin die Seele den Koͤrper beſtimmt hatte.
Die Seele hat von den Muſkeln, welche ſie regiert,
keine Kenntnis (z), und ſie macht ſich von der aͤuſſerſt
ſchweren Aequation keinen Begriff, durch welche das
Gleich-
(x)
praelect. Tom. IV. n. 541.
Wegen des Geſichtes ſtimmet mit
uns uͤberein HARTLEY p. 232.
et le CLERC, und alle uͤbrigen.
(y)
loc. cit.
(z) QUESNAI loc. cit. pag.
125.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/209>, abgerufen am 21.11.2024.
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