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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Das Gesicht. XIV. Buch.
Membran und der Traubenhaut Zuwachs bekommen, so
verwandelt er sich in eine kleine Glocke, die gefleckt, in-
wendig weiß, voller Gefäße und nervigt ist, und sich mit
ihrer scharfen Spitze in die Capsel der Crystallinse hin-
einwirft. Auch diese trägt schon ganz allein zwei Tage
lang die aufgehängte Linse. Peirescus redet von zweien
kleinen Handhacken im Thumfische (f). Ausserdem hängt
in allen Fischen die Traubenhaut an der Glaßhaut sehr
feste an.

Da ich dieses betrachtete und in den Körpern der vier-
füßigen Thiere die Crystallinse von der Glaßhaut so frey
fand, daß sie sich nach Belieben wenden ließ, und die
fordere Fläche der Linse der Netzhaut zukehrete, und zu
gleicher Zeit die wäßrige Feuchtigkeit trübe fand, so bin
ich dadurch nunmehr bewogen zu glauben, daß die Cry-
stallinse einiges Band haben müsse, von dem sie in ge-
sunden und vollständigen Körpern eine sichere und bestän-
dige Lage erhalten muß. Jch glaube aber dem ohngeach-
tet doch, daß das Sternbändchen (corpus ciliare) dieses
Band ist, und daß es auf zweierlei Art die Crystallinse
trage. Erstlich, daß es mit seinen Spitzen, ob diese
gleich frei zu seyn scheinen, dennoch so viel als hinlänglich
ist, durch Hülfe des schwarzen Schleims an der Linse fest
klebe. Jch habe diese Festigkeit in einer Katze gesehen,
und wenn ich die Linse zog, so folgten die Strahlen des
Sternbändchens dem Zuge, ohne von derselben loszulas-
sen. Jhr Anhängen ist viel größer und unverletzlicher
im Reiher, bei dem der ganze Körper das Sternbänd-
chen an der Kapsel der Krystallinse unauflöslich feste hängt.
Die zwote Kraft bestehet in schwarzen Schleime, welcher
die vorragenden Linien eben dieses Körpers an die Furche
des Sternbändchens dergestalt anhängt, daß sie nicht,
ohne einige kleine Gewalt der Hand, abgesondert werden
können. Doch es scheinen diese Bande von der Fäulniß
zerstöhrt zu werden, welche den Schleim auflöst und die

wäßrige
(f) ZINN t. 2. f. 2.

Das Geſicht. XIV. Buch.
Membran und der Traubenhaut Zuwachs bekommen, ſo
verwandelt er ſich in eine kleine Glocke, die gefleckt, in-
wendig weiß, voller Gefaͤße und nervigt iſt, und ſich mit
ihrer ſcharfen Spitze in die Capſel der Cryſtallinſe hin-
einwirft. Auch dieſe traͤgt ſchon ganz allein zwei Tage
lang die aufgehaͤngte Linſe. Peireſcus redet von zweien
kleinen Handhacken im Thumfiſche (f). Auſſerdem haͤngt
in allen Fiſchen die Traubenhaut an der Glaßhaut ſehr
feſte an.

Da ich dieſes betrachtete und in den Koͤrpern der vier-
fuͤßigen Thiere die Cryſtallinſe von der Glaßhaut ſo frey
fand, daß ſie ſich nach Belieben wenden ließ, und die
fordere Flaͤche der Linſe der Netzhaut zukehrete, und zu
gleicher Zeit die waͤßrige Feuchtigkeit truͤbe fand, ſo bin
ich dadurch nunmehr bewogen zu glauben, daß die Cry-
ſtallinſe einiges Band haben muͤſſe, von dem ſie in ge-
ſunden und vollſtaͤndigen Koͤrpern eine ſichere und beſtaͤn-
dige Lage erhalten muß. Jch glaube aber dem ohngeach-
tet doch, daß das Sternbaͤndchen (corpus ciliare) dieſes
Band iſt, und daß es auf zweierlei Art die Cryſtallinſe
trage. Erſtlich, daß es mit ſeinen Spitzen, ob dieſe
gleich frei zu ſeyn ſcheinen, dennoch ſo viel als hinlaͤnglich
iſt, durch Huͤlfe des ſchwarzen Schleims an der Linſe feſt
klebe. Jch habe dieſe Feſtigkeit in einer Katze geſehen,
und wenn ich die Linſe zog, ſo folgten die Strahlen des
Sternbaͤndchens dem Zuge, ohne von derſelben loszulaſ-
ſen. Jhr Anhaͤngen iſt viel groͤßer und unverletzlicher
im Reiher, bei dem der ganze Koͤrper das Sternbaͤnd-
chen an der Kapſel der Kryſtallinſe unaufloͤslich feſte haͤngt.
Die zwote Kraft beſtehet in ſchwarzen Schleime, welcher
die vorragenden Linien eben dieſes Koͤrpers an die Furche
des Sternbaͤndchens dergeſtalt anhaͤngt, daß ſie nicht,
ohne einige kleine Gewalt der Hand, abgeſondert werden
koͤnnen. Doch es ſcheinen dieſe Bande von der Faͤulniß
zerſtoͤhrt zu werden, welche den Schleim aufloͤſt und die

waͤßrige
(f) ZINN t. 2. f. 2.
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[828/0846] Das Geſicht. XIV. Buch. Membran und der Traubenhaut Zuwachs bekommen, ſo verwandelt er ſich in eine kleine Glocke, die gefleckt, in- wendig weiß, voller Gefaͤße und nervigt iſt, und ſich mit ihrer ſcharfen Spitze in die Capſel der Cryſtallinſe hin- einwirft. Auch dieſe traͤgt ſchon ganz allein zwei Tage lang die aufgehaͤngte Linſe. Peireſcus redet von zweien kleinen Handhacken im Thumfiſche (f). Auſſerdem haͤngt in allen Fiſchen die Traubenhaut an der Glaßhaut ſehr feſte an. Da ich dieſes betrachtete und in den Koͤrpern der vier- fuͤßigen Thiere die Cryſtallinſe von der Glaßhaut ſo frey fand, daß ſie ſich nach Belieben wenden ließ, und die fordere Flaͤche der Linſe der Netzhaut zukehrete, und zu gleicher Zeit die waͤßrige Feuchtigkeit truͤbe fand, ſo bin ich dadurch nunmehr bewogen zu glauben, daß die Cry- ſtallinſe einiges Band haben muͤſſe, von dem ſie in ge- ſunden und vollſtaͤndigen Koͤrpern eine ſichere und beſtaͤn- dige Lage erhalten muß. Jch glaube aber dem ohngeach- tet doch, daß das Sternbaͤndchen (corpus ciliare) dieſes Band iſt, und daß es auf zweierlei Art die Cryſtallinſe trage. Erſtlich, daß es mit ſeinen Spitzen, ob dieſe gleich frei zu ſeyn ſcheinen, dennoch ſo viel als hinlaͤnglich iſt, durch Huͤlfe des ſchwarzen Schleims an der Linſe feſt klebe. Jch habe dieſe Feſtigkeit in einer Katze geſehen, und wenn ich die Linſe zog, ſo folgten die Strahlen des Sternbaͤndchens dem Zuge, ohne von derſelben loszulaſ- ſen. Jhr Anhaͤngen iſt viel groͤßer und unverletzlicher im Reiher, bei dem der ganze Koͤrper das Sternbaͤnd- chen an der Kapſel der Kryſtallinſe unaufloͤslich feſte haͤngt. Die zwote Kraft beſtehet in ſchwarzen Schleime, welcher die vorragenden Linien eben dieſes Koͤrpers an die Furche des Sternbaͤndchens dergeſtalt anhaͤngt, daß ſie nicht, ohne einige kleine Gewalt der Hand, abgeſondert werden koͤnnen. Doch es ſcheinen dieſe Bande von der Faͤulniß zerſtoͤhrt zu werden, welche den Schleim aufloͤſt und die waͤßrige (f) ZINN t. 2. f. 2.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 828. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/846>, abgerufen am 29.06.2024.