Endlich sind die Gewächse in den nordlichsten Län- dern seltner, weil der Erdboden weder Eßfrüchte, noch eßbare Wurzeln (m) in hinlänglicher Menge trägt; ja er bringt nicht einmal so viel Graß hervor, als die elende Einwoner zum Vollstopfen ihrer Strümpfe, und die Käl- te abzuhalten, nötig haben. Da in diesen Ländern die stiefmütterliche Natur dem Menschen seinen Unterhalt entzieht, so übernimmt gemeiniglich das Meer die Sorg- falt darüber, und versieht die Küsten mit einem Ueber- flusse von Fischen (n).
§. 5. Der Unterhalt von Fleisch und Fischen.
Jch weis nicht, ob nicht unter den Thieren die Fische zuerst zu einer Speise gemacht worden. Da sie stumm sind, so konnten sie nicht diejenige Wehklagen und Zei- chen ihres Schmerzens von sich geben, von denen, wie ich glaube, die Menschen vor der eingeführten Gewohn- heit eben so hinreissend zum Mitleiden bewogen sein müs- sen, als sie jezzo noch würden bewogen werden, wenn sie ein Thier, mit dem sie so lange in Vertraulichkeit gelebt, und welches man lieb gewonnen, erwürgen. Noch wis- sen die Benjanen bei ihrer uralten Religion, ausser den Fischen von keinem Fleischessen: und die Egiptier, welche zur Zeit Jsraels einen Abscheu für das Blut der Thiere bezeigt zu haben scheinen, bedienten sich dennoch der Fi- sche, so wie noch jezzo (a) in denen Monaten, wenn sie sich des Fleisches enthalten. Ja ich finde überhaupt mehr Völker, die Fische, als die Fleisch gegessen.
Ausser-
(m)[Spaltenumbruch]
Die frische saftige cassava selbst. WAFER p. 101. der Honig der colchidis ist giftig DIODOR L. XIV. c. 37.
(n)Hamb. Patriot. T. III. p. 404. vornämlich EGEDE Gamle [Spaltenumbruch]
Gronlands nye perlustration und bei der Hudsonbay a voyag. for the discovery of the Northwest passage p. 218.
(a)MAILLET I. c.
Der Magen. XIX. Buch.
Endlich ſind die Gewaͤchſe in den nordlichſten Laͤn- dern ſeltner, weil der Erdboden weder Eßfruͤchte, noch eßbare Wurzeln (m) in hinlaͤnglicher Menge traͤgt; ja er bringt nicht einmal ſo viel Graß hervor, als die elende Einwoner zum Vollſtopfen ihrer Struͤmpfe, und die Kaͤl- te abzuhalten, noͤtig haben. Da in dieſen Laͤndern die ſtiefmuͤtterliche Natur dem Menſchen ſeinen Unterhalt entzieht, ſo uͤbernimmt gemeiniglich das Meer die Sorg- falt daruͤber, und verſieht die Kuͤſten mit einem Ueber- fluſſe von Fiſchen (n).
§. 5. Der Unterhalt von Fleiſch und Fiſchen.
Jch weis nicht, ob nicht unter den Thieren die Fiſche zuerſt zu einer Speiſe gemacht worden. Da ſie ſtumm ſind, ſo konnten ſie nicht diejenige Wehklagen und Zei- chen ihres Schmerzens von ſich geben, von denen, wie ich glaube, die Menſchen vor der eingefuͤhrten Gewohn- heit eben ſo hinreiſſend zum Mitleiden bewogen ſein muͤſ- ſen, als ſie jezzo noch wuͤrden bewogen werden, wenn ſie ein Thier, mit dem ſie ſo lange in Vertraulichkeit gelebt, und welches man lieb gewonnen, erwuͤrgen. Noch wiſ- ſen die Benjanen bei ihrer uralten Religion, auſſer den Fiſchen von keinem Fleiſcheſſen: und die Egiptier, welche zur Zeit Jſraels einen Abſcheu fuͤr das Blut der Thiere bezeigt zu haben ſcheinen, bedienten ſich dennoch der Fi- ſche, ſo wie noch jezzo (a) in denen Monaten, wenn ſie ſich des Fleiſches enthalten. Ja ich finde uͤberhaupt mehr Voͤlker, die Fiſche, als die Fleiſch gegeſſen.
Auſſer-
(m)[Spaltenumbruch]
Die friſche ſaftige caſſava ſelbſt. WAFER p. 101. der Honig der colchidis iſt giftig DIODOR L. XIV. c. 37.
(n)Hamb. Patriot. T. III. p. 404. vornaͤmlich EGEDE Gamle [Spaltenumbruch]
Gronlands nye perluſtration und bei der Hudſonbay a voyag. for the diſcovery of the Northweſt paſſage p. 218.
(a)MAILLET I. c.
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[290[306]/0326]
Der Magen. XIX. Buch.
Endlich ſind die Gewaͤchſe in den nordlichſten Laͤn-
dern ſeltner, weil der Erdboden weder Eßfruͤchte, noch
eßbare Wurzeln (m) in hinlaͤnglicher Menge traͤgt; ja er
bringt nicht einmal ſo viel Graß hervor, als die elende
Einwoner zum Vollſtopfen ihrer Struͤmpfe, und die Kaͤl-
te abzuhalten, noͤtig haben. Da in dieſen Laͤndern die
ſtiefmuͤtterliche Natur dem Menſchen ſeinen Unterhalt
entzieht, ſo uͤbernimmt gemeiniglich das Meer die Sorg-
falt daruͤber, und verſieht die Kuͤſten mit einem Ueber-
fluſſe von Fiſchen (n).
§. 5.
Der Unterhalt von Fleiſch und Fiſchen.
Jch weis nicht, ob nicht unter den Thieren die Fiſche
zuerſt zu einer Speiſe gemacht worden. Da ſie ſtumm
ſind, ſo konnten ſie nicht diejenige Wehklagen und Zei-
chen ihres Schmerzens von ſich geben, von denen, wie
ich glaube, die Menſchen vor der eingefuͤhrten Gewohn-
heit eben ſo hinreiſſend zum Mitleiden bewogen ſein muͤſ-
ſen, als ſie jezzo noch wuͤrden bewogen werden, wenn ſie
ein Thier, mit dem ſie ſo lange in Vertraulichkeit gelebt,
und welches man lieb gewonnen, erwuͤrgen. Noch wiſ-
ſen die Benjanen bei ihrer uralten Religion, auſſer den
Fiſchen von keinem Fleiſcheſſen: und die Egiptier, welche
zur Zeit Jſraels einen Abſcheu fuͤr das Blut der Thiere
bezeigt zu haben ſcheinen, bedienten ſich dennoch der Fi-
ſche, ſo wie noch jezzo (a) in denen Monaten, wenn ſie
ſich des Fleiſches enthalten. Ja ich finde uͤberhaupt mehr
Voͤlker, die Fiſche, als die Fleiſch gegeſſen.
Auſſer-
(m)
Die friſche ſaftige caſſava
ſelbſt. WAFER p. 101. der Honig
der colchidis iſt giftig DIODOR
L. XIV. c. 37.
(n) Hamb. Patriot. T. III. p.
404. vornaͤmlich EGEDE Gamle
Gronlands nye perluſtration und
bei der Hudſonbay a voyag. for
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paſſage p. 218.
(a) MAILLET I. c.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 290[306]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/326>, abgerufen am 24.11.2024.
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