Nun folget gleich darauf das Zusammenziehen des Gedärmes(i), solches drükket die Flokken, und den Chilus, den die Klappen nicht zurükke sinken lassen, von dem nunmehr engern Gedärm, weiter in die Höhe (k).
Die Geschwindigkeit haben wir schon berührt. Es sezzte der berühmte Lieberkühn, daß sich das Gedärm in einer Minute sich zweimal enger und weiter mache.
Ein Flokkchen wäre eine Linie lang, und es gehe deren 500,000(m). Solchergestalt kommen 480 Ku- bikzoll, oder 28 Pfunde, innerhalb einer Stunde ins Blut.
Die Menge des Chilus ist nicht eben so gar klein.
Es zog Karl le Noble etliche Löffel voll aus seinem Sammelkasten heraus. Bei gewissen Versuchen wur- den alle Tage 4, 6 bis 8 Unzen davon fertig (n), wel- che man durch die geöffnete Brust herauslangte. Aus einer dergleichen Wunde flossen bei andrer Gelegenheit sechs bis sieben Pinten (o), und überhaupt, wiewohl erst in langer Zeit (p) 289 Pinten.
Dieses alles scheinet mit einer gesunden Vernunft überein zu stimmen: nur daß es, so lange als der Chilus resorbirt wird, eine beständig fortwirkende peristaltische Bewegung erfordert. Und doch vermuthe ich fast, daß der Chilus auf eine viel einfachere Weise, und bloß von der anziehenden Kraft, welche den Chilus über die tra- gende Klappen in die Höhe, und empor zieht, vom Ge- därme eingesogen wird: und daß diese Milch ferner von dem neuen Stoffe der, vermöge der Anziehung nachfol- genden Welle über das Gedärm hinaus getrieben werde. Es gestatten nämlich die Versuche, welche wir bisher ge- macht haben, nicht die peristaltische Bewegung eben so in eins fortgehen zu lassen, wie die Resorbirung des Chi- (l)
lus
(i)[Spaltenumbruch]LIEBERKUHN. n. 24. p. 24.
(k) Wie das Auge bezeugt LIE- BERKUHN. p. 26.
(m)[Spaltenumbruch]n. 23. p. 27.
(n)BASS. Dec. II. obs. 7.
(o)Hist. de l'Acad. 1710. n. 7.
(p)SAVIARD. obs. CXI.
(l)n. 2. p. 27.
Y 5
II. Abſchn. Beweg der Nahrungsmilch.
Nun folget gleich darauf das Zuſammenziehen des Gedaͤrmes(i), ſolches druͤkket die Flokken, und den Chilus, den die Klappen nicht zuruͤkke ſinken laſſen, von dem nunmehr engern Gedaͤrm, weiter in die Hoͤhe (k).
Die Geſchwindigkeit haben wir ſchon beruͤhrt. Es ſezzte der beruͤhmte Lieberkuͤhn, daß ſich das Gedaͤrm in einer Minute ſich zweimal enger und weiter mache.
Ein Flokkchen waͤre eine Linie lang, und es gehe deren 500,000(m). Solchergeſtalt kommen 480 Ku- bikzoll, oder 28 Pfunde, innerhalb einer Stunde ins Blut.
Die Menge des Chilus iſt nicht eben ſo gar klein.
Es zog Karl le Noble etliche Loͤffel voll aus ſeinem Sammelkaſten heraus. Bei gewiſſen Verſuchen wur- den alle Tage 4, 6 bis 8 Unzen davon fertig (n), wel- che man durch die geoͤffnete Bruſt herauslangte. Aus einer dergleichen Wunde floſſen bei andrer Gelegenheit ſechs bis ſieben Pinten (o), und uͤberhaupt, wiewohl erſt in langer Zeit (p) 289 Pinten.
Dieſes alles ſcheinet mit einer geſunden Vernunft uͤberein zu ſtimmen: nur daß es, ſo lange als der Chilus reſorbirt wird, eine beſtaͤndig fortwirkende periſtaltiſche Bewegung erfordert. Und doch vermuthe ich faſt, daß der Chilus auf eine viel einfachere Weiſe, und bloß von der anziehenden Kraft, welche den Chilus uͤber die tra- gende Klappen in die Hoͤhe, und empor zieht, vom Ge- daͤrme eingeſogen wird: und daß dieſe Milch ferner von dem neuen Stoffe der, vermoͤge der Anziehung nachfol- genden Welle uͤber das Gedaͤrm hinaus getrieben werde. Es geſtatten naͤmlich die Verſuche, welche wir bisher ge- macht haben, nicht die periſtaltiſche Bewegung eben ſo in eins fortgehen zu laſſen, wie die Reſorbirung des Chi- (l)
lus
(i)[Spaltenumbruch]LIEBERKUHN. n. 24. p. 24.
(k) Wie das Auge bezeugt LIE- BERKUHN. p. 26.
(m)[Spaltenumbruch]n. 23. p. 27.
(n)BASS. Dec. II. obſ. 7.
(o)Hiſt. de l’Acad. 1710. n. 7.
(p)SAVIARD. obſ. CXI.
(l)n. 2. p. 27.
Y 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0381"n="345"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Abſchn. Beweg der Nahrungsmilch.</hi></fw><lb/><p>Nun folget gleich darauf das Zuſammenziehen des<lb/>
Gedaͤrmes<noteplace="foot"n="(i)"><cb/><hirendition="#aq">LIEBERKUHN. n. 24. p.</hi> 24.</note>, ſolches druͤkket die Flokken, und den<lb/>
Chilus, den die Klappen nicht zuruͤkke ſinken laſſen, von<lb/>
dem nunmehr engern Gedaͤrm, weiter in die Hoͤhe <noteplace="foot"n="(k)">Wie das Auge bezeugt <hirendition="#aq">LIE-<lb/>
BERKUHN. p.</hi> 26.</note>.</p><lb/><p>Die Geſchwindigkeit haben wir ſchon beruͤhrt. Es<lb/>ſezzte der beruͤhmte <hirendition="#fr">Lieberkuͤhn,</hi> daß ſich das Gedaͤrm<lb/>
in einer Minute ſich zweimal enger und weiter mache.</p><lb/><p>Ein Flokkchen waͤre eine Linie lang, und es gehe<lb/>
deren 500,000<noteplace="foot"n="(m)"><cb/><hirendition="#aq">n. 23. p.</hi> 27.</note>. Solchergeſtalt kommen 480 Ku-<lb/>
bikzoll, oder 28 Pfunde, innerhalb einer Stunde ins<lb/>
Blut.</p><lb/><p>Die Menge des Chilus iſt nicht eben ſo gar klein.</p><lb/><p>Es zog Karl le <hirendition="#fr">Noble</hi> etliche Loͤffel voll aus ſeinem<lb/>
Sammelkaſten heraus. Bei gewiſſen Verſuchen wur-<lb/>
den alle Tage 4, 6 bis 8 Unzen davon fertig <noteplace="foot"n="(n)"><hirendition="#aq">BASS. Dec. II. obſ.</hi> 7.</note>, wel-<lb/>
che man durch die geoͤffnete Bruſt herauslangte. Aus<lb/>
einer dergleichen Wunde floſſen bei andrer Gelegenheit<lb/>ſechs bis ſieben Pinten <noteplace="foot"n="(o)"><hirendition="#aq">Hiſt. de l’Acad. 1710. n.</hi> 7.</note>, und uͤberhaupt, wiewohl<lb/>
erſt in langer Zeit <noteplace="foot"n="(p)"><hirendition="#aq">SAVIARD. obſ. CXI.</hi></note> 289 Pinten.</p><lb/><p>Dieſes alles ſcheinet mit einer geſunden Vernunft<lb/>
uͤberein zu ſtimmen: nur daß es, ſo lange als der Chilus<lb/>
reſorbirt wird, eine beſtaͤndig fortwirkende periſtaltiſche<lb/>
Bewegung erfordert. Und doch vermuthe ich faſt, daß<lb/>
der Chilus auf eine viel einfachere Weiſe, und bloß von<lb/>
der anziehenden Kraft, welche den Chilus uͤber die tra-<lb/>
gende Klappen in die Hoͤhe, und empor zieht, vom Ge-<lb/>
daͤrme eingeſogen wird: und daß dieſe Milch ferner von<lb/>
dem neuen Stoffe der, vermoͤge der Anziehung nachfol-<lb/>
genden Welle uͤber das Gedaͤrm hinaus getrieben werde.<lb/>
Es geſtatten naͤmlich die Verſuche, welche wir bisher ge-<lb/>
macht haben, nicht die periſtaltiſche Bewegung eben ſo<lb/>
in eins fortgehen zu laſſen, wie die Reſorbirung des Chi-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">lus</fw><lb/><noteplace="foot"n="(l)"><hirendition="#aq">n. 2. p.</hi> 27.</note><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[345/0381]
II. Abſchn. Beweg der Nahrungsmilch.
Nun folget gleich darauf das Zuſammenziehen des
Gedaͤrmes (i), ſolches druͤkket die Flokken, und den
Chilus, den die Klappen nicht zuruͤkke ſinken laſſen, von
dem nunmehr engern Gedaͤrm, weiter in die Hoͤhe (k).
Die Geſchwindigkeit haben wir ſchon beruͤhrt. Es
ſezzte der beruͤhmte Lieberkuͤhn, daß ſich das Gedaͤrm
in einer Minute ſich zweimal enger und weiter mache.
Ein Flokkchen waͤre eine Linie lang, und es gehe
deren 500,000 (m). Solchergeſtalt kommen 480 Ku-
bikzoll, oder 28 Pfunde, innerhalb einer Stunde ins
Blut.
Die Menge des Chilus iſt nicht eben ſo gar klein.
Es zog Karl le Noble etliche Loͤffel voll aus ſeinem
Sammelkaſten heraus. Bei gewiſſen Verſuchen wur-
den alle Tage 4, 6 bis 8 Unzen davon fertig (n), wel-
che man durch die geoͤffnete Bruſt herauslangte. Aus
einer dergleichen Wunde floſſen bei andrer Gelegenheit
ſechs bis ſieben Pinten (o), und uͤberhaupt, wiewohl
erſt in langer Zeit (p) 289 Pinten.
Dieſes alles ſcheinet mit einer geſunden Vernunft
uͤberein zu ſtimmen: nur daß es, ſo lange als der Chilus
reſorbirt wird, eine beſtaͤndig fortwirkende periſtaltiſche
Bewegung erfordert. Und doch vermuthe ich faſt, daß
der Chilus auf eine viel einfachere Weiſe, und bloß von
der anziehenden Kraft, welche den Chilus uͤber die tra-
gende Klappen in die Hoͤhe, und empor zieht, vom Ge-
daͤrme eingeſogen wird: und daß dieſe Milch ferner von
dem neuen Stoffe der, vermoͤge der Anziehung nachfol-
genden Welle uͤber das Gedaͤrm hinaus getrieben werde.
Es geſtatten naͤmlich die Verſuche, welche wir bisher ge-
macht haben, nicht die periſtaltiſche Bewegung eben ſo
in eins fortgehen zu laſſen, wie die Reſorbirung des Chi-
lus
(l)
(i)
LIEBERKUHN. n. 24. p. 24.
(k) Wie das Auge bezeugt LIE-
BERKUHN. p. 26.
(m)
n. 23. p. 27.
(n) BASS. Dec. II. obſ. 7.
(o) Hiſt. de l’Acad. 1710. n. 7.
(p) SAVIARD. obſ. CXI.
(l) n. 2. p. 27.
Y 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/381>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.