der eingeschläferten Nerven, wobei man weder Puls- schläge noch Athemholen verspüret, daß bisweilen Men- schen wirklich so wenig todt gewesen, daß man sie viel- mehr durch Reizmittel wieder herstellen und lebendig, ja bisweilen wieder vollkommen gesund machen können.
Jch habe hievon viele Exempel gelesen; ich würde aber vielmehr glauben, daß der Puls undeutlich und sehr schwach gewesen, dergleichen ich bisweilen einige Tage vor dem Tode bemerkt habe, wobei die Kranken kalt wurden, übrigens aber reden, und so gar die Glie- der bewegen konnten.
Verlangt man von mir das wirkliche Lebensende zu wissen, so sage ich, daß der Tod alsdenn vorhanden ist, wenn das Herz seine reizbare Natur verliert; denn als- denn verschwindet die Ursache des Lebens, welche man in dem Umlaufe des Blutes durch den menschlichen Kör- per sezzt; unwiederruflich ist also der Termin des Lebens, wenn der Umlauf des Blutes ohne die Reizbarkeit des Herzens nicht mehr in den Gang gebracht, und ohne diesem Umlauf das Leben nicht mehr wieder hergestellet werden kann.
Verlangt man das gegenwärtige und sichere Zeichen des Todes zu wissen, so ist dazu auch nicht einmal der Stillstand des Herzens hinlänglich, denn es kann der Puls so gar in der Nabelschnur, welches eine so weite Arterie ist, völlig mangeln, und das Kind dennoch leben, und leicht wieder zu sich selbst gebracht werden. Jch traue selbst demjenigen Blute nicht, welches sich aus ei- ner geschlagenen Ader zu fliessen weigert: eben so wenig ist hier die Unempfindlichkeit (d), das welke Vonein- anderstehen der Schliesmuskeln, und die Gleichgül- tigkeit der Muskeln gegen alle Reize hinlänglich. Bisweilen sind alle diese Dinge bei Personen die vom (c)
Schlage
(d)[Spaltenumbruch]
Ein Unempfindlicher wurde wieder erwekkt. MARQUER.
(c)[Spaltenumbruch]DENYS vroedyro p. 589. 354. CHUDEN sing fet. vit. & mort. p. 31. SMELLIE p. 293.
Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.
der eingeſchlaͤferten Nerven, wobei man weder Puls- ſchlaͤge noch Athemholen verſpuͤret, daß bisweilen Men- ſchen wirklich ſo wenig todt geweſen, daß man ſie viel- mehr durch Reizmittel wieder herſtellen und lebendig, ja bisweilen wieder vollkommen geſund machen koͤnnen.
Jch habe hievon viele Exempel geleſen; ich wuͤrde aber vielmehr glauben, daß der Puls undeutlich und ſehr ſchwach geweſen, dergleichen ich bisweilen einige Tage vor dem Tode bemerkt habe, wobei die Kranken kalt wurden, uͤbrigens aber reden, und ſo gar die Glie- der bewegen konnten.
Verlangt man von mir das wirkliche Lebensende zu wiſſen, ſo ſage ich, daß der Tod alsdenn vorhanden iſt, wenn das Herz ſeine reizbare Natur verliert; denn als- denn verſchwindet die Urſache des Lebens, welche man in dem Umlaufe des Blutes durch den menſchlichen Koͤr- per ſezzt; unwiederruflich iſt alſo der Termin des Lebens, wenn der Umlauf des Blutes ohne die Reizbarkeit des Herzens nicht mehr in den Gang gebracht, und ohne dieſem Umlauf das Leben nicht mehr wieder hergeſtellet werden kann.
Verlangt man das gegenwaͤrtige und ſichere Zeichen des Todes zu wiſſen, ſo iſt dazu auch nicht einmal der Stillſtand des Herzens hinlaͤnglich, denn es kann der Puls ſo gar in der Nabelſchnur, welches eine ſo weite Arterie iſt, voͤllig mangeln, und das Kind dennoch leben, und leicht wieder zu ſich ſelbſt gebracht werden. Jch traue ſelbſt demjenigen Blute nicht, welches ſich aus ei- ner geſchlagenen Ader zu flieſſen weigert: eben ſo wenig iſt hier die Unempfindlichkeit (d), das welke Vonein- anderſtehen der Schliesmuskeln, und die Gleichguͤl- tigkeit der Muskeln gegen alle Reize hinlaͤnglich. Bisweilen ſind alle dieſe Dinge bei Perſonen die vom (c)
Schlage
(d)[Spaltenumbruch]
Ein Unempfindlicher wurde wieder erwekkt. MARQUER.
(c)[Spaltenumbruch]DENYS vroedyro p. 589. 354. CHUDEN ſing fet. vit. & mort. p. 31. SMELLIE p. 293.
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[982[984]/1036]
Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.
der eingeſchlaͤferten Nerven, wobei man weder Puls-
ſchlaͤge noch Athemholen verſpuͤret, daß bisweilen Men-
ſchen wirklich ſo wenig todt geweſen, daß man ſie viel-
mehr durch Reizmittel wieder herſtellen und lebendig, ja
bisweilen wieder vollkommen geſund machen koͤnnen.
Jch habe hievon viele Exempel geleſen; ich wuͤrde
aber vielmehr glauben, daß der Puls undeutlich und
ſehr ſchwach geweſen, dergleichen ich bisweilen einige
Tage vor dem Tode bemerkt habe, wobei die Kranken
kalt wurden, uͤbrigens aber reden, und ſo gar die Glie-
der bewegen konnten.
Verlangt man von mir das wirkliche Lebensende zu
wiſſen, ſo ſage ich, daß der Tod alsdenn vorhanden iſt,
wenn das Herz ſeine reizbare Natur verliert; denn als-
denn verſchwindet die Urſache des Lebens, welche man
in dem Umlaufe des Blutes durch den menſchlichen Koͤr-
per ſezzt; unwiederruflich iſt alſo der Termin des Lebens,
wenn der Umlauf des Blutes ohne die Reizbarkeit des
Herzens nicht mehr in den Gang gebracht, und ohne
dieſem Umlauf das Leben nicht mehr wieder hergeſtellet
werden kann.
Verlangt man das gegenwaͤrtige und ſichere Zeichen
des Todes zu wiſſen, ſo iſt dazu auch nicht einmal der
Stillſtand des Herzens hinlaͤnglich, denn es kann der
Puls ſo gar in der Nabelſchnur, welches eine ſo weite
Arterie iſt, voͤllig mangeln, und das Kind dennoch leben,
und leicht wieder zu ſich ſelbſt gebracht werden. Jch
traue ſelbſt demjenigen Blute nicht, welches ſich aus ei-
ner geſchlagenen Ader zu flieſſen weigert: eben ſo wenig
iſt hier die Unempfindlichkeit (d), das welke Vonein-
anderſtehen der Schliesmuskeln, und die Gleichguͤl-
tigkeit der Muskeln gegen alle Reize hinlaͤnglich.
Bisweilen ſind alle dieſe Dinge bei Perſonen die vom
Schlage
(c)
(d)
Ein Unempfindlicher wurde
wieder erwekkt. MARQUER.
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mort. p. 31. SMELLIE p. 293.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 982[984]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/1036>, abgerufen am 22.11.2024.
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