Nicht ganz muß man das Zeugniß des Berenga- rius(v) aus der Acht lassen, welcher sogar die jungen Pferde und Eselfüllen, denen man die Nabelschnur ab- geschnitten, das Leben einbüssen gesehen.
Der Puls schlägt auch bei dem Menschen geschwin- der, als bei den meisten Thieren (x).
Jch glaube auch nicht, daß man das Leben des klei- nen Menschens, mit Sicherheit auf die Länge der Na- belschnur bauen könne, und da man selbige zwei und drei- ßig Linien lang befand, so waren doch, da man das Band verabsäumte, die Eingeweide und grosse Gefässe (y) ganz von Blute leer.
Endlich verlohr eine Kindbetterin, da der Kuchen in der Mutter stekken blieb, und die Nabelschnur ohne Band gelassen wurde, eine grosse Menge Blut, bis man dem Uebel durch die Anlegung eines Fadens um die Nabel- schnur (z) steurete. Und wenn bisweilen, nach der Ge- burt des einen Kindes von Zwillingen, das andere her- ausgezogen wurde, ohne daß darnach Blut geflossen (a), so heben verneinende Beispiele nicht die Kraft der Beja- henden auf. Wenn Zwillinge zu vermuthen sind, so könnte in der That, wenn der eine herausgezogen wor- den, vermittelst seiner Nabelschnur, der andere unter den Zwillingen, nach einem Verluste von Geblüte das Leben einbüssen (b).
Daher weisen hin und wieder strengere Gerichts- höfe (c) diese neue Entschuldigung der Kindermörderinnen von sich; und es beziehen sich auch die Aerzte von der
Ge-
(v)[Spaltenumbruch]In MUNDIN p. CCLXI. doch sterben nicht die Thiere, oder sie leiden kein Verbluten, wenn man ben Nabel zerschneidet. ZEL- LER l. c. p. 11. 12.
(x)L. VI. p. 249.
(y)I. C. FABRICIUS zweyte Samml. p. 15. 16.
(z)[Spaltenumbruch]AUBER beim MERY probl. p. 32. GIFFARD. p. 239. La MOT- TE obs. 394.
(a)BURTON p. 60.
(b)SHIPPEN.
(c)HELMSTADIENSES. P. C. FABRIC. Samml. p. 46. LIPSIEN- SES beim ZITTMAN Cent. IV. cas. 35. & Cent. II. cas. 20.
Die Frucht. XXIX. B.
Nicht ganz muß man das Zeugniß des Berenga- rius(v) aus der Acht laſſen, welcher ſogar die jungen Pferde und Eſelfuͤllen, denen man die Nabelſchnur ab- geſchnitten, das Leben einbuͤſſen geſehen.
Der Puls ſchlaͤgt auch bei dem Menſchen geſchwin- der, als bei den meiſten Thieren (x).
Jch glaube auch nicht, daß man das Leben des klei- nen Menſchens, mit Sicherheit auf die Laͤnge der Na- belſchnur bauen koͤnne, und da man ſelbige zwei und drei- ßig Linien lang befand, ſo waren doch, da man das Band verabſaͤumte, die Eingeweide und groſſe Gefaͤſſe (y) ganz von Blute leer.
Endlich verlohr eine Kindbetterin, da der Kuchen in der Mutter ſtekken blieb, und die Nabelſchnur ohne Band gelaſſen wurde, eine groſſe Menge Blut, bis man dem Uebel durch die Anlegung eines Fadens um die Nabel- ſchnur (z) ſteurete. Und wenn bisweilen, nach der Ge- burt des einen Kindes von Zwillingen, das andere her- ausgezogen wurde, ohne daß darnach Blut gefloſſen (a), ſo heben verneinende Beiſpiele nicht die Kraft der Beja- henden auf. Wenn Zwillinge zu vermuthen ſind, ſo koͤnnte in der That, wenn der eine herausgezogen wor- den, vermittelſt ſeiner Nabelſchnur, der andere unter den Zwillingen, nach einem Verluſte von Gebluͤte das Leben einbuͤſſen (b).
Daher weiſen hin und wieder ſtrengere Gerichts- hoͤfe (c) dieſe neue Entſchuldigung der Kindermoͤrderinnen von ſich; und es beziehen ſich auch die Aerzte von der
Ge-
(v)[Spaltenumbruch]In MUNDIN p. CCLXI. doch ſterben nicht die Thiere, oder ſie leiden kein Verbluten, wenn man ben Nabel zerſchneidet. ZEL- LER l. c. p. 11. 12.
(x)L. VI. p. 249.
(y)I. C. FABRICIUS zweyte Samml. p. 15. 16.
(z)[Spaltenumbruch]AUBER beim MERY probl. p. 32. GIFFARD. p. 239. La MOT- TE obſ. 394.
(a)BURTON p. 60.
(b)SHIPPEN.
(c)HELMSTADIENSES. P. C. FABRIC. Samml. p. 46. LIPSIEN- SES beim ZITTMAN Cent. IV. caſ. 35. & Cent. II. caſ. 20.
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Die Frucht. XXIX. B.
Nicht ganz muß man das Zeugniß des Berenga-
rius (v) aus der Acht laſſen, welcher ſogar die jungen
Pferde und Eſelfuͤllen, denen man die Nabelſchnur ab-
geſchnitten, das Leben einbuͤſſen geſehen.
Der Puls ſchlaͤgt auch bei dem Menſchen geſchwin-
der, als bei den meiſten Thieren (x).
Jch glaube auch nicht, daß man das Leben des klei-
nen Menſchens, mit Sicherheit auf die Laͤnge der Na-
belſchnur bauen koͤnne, und da man ſelbige zwei und drei-
ßig Linien lang befand, ſo waren doch, da man das Band
verabſaͤumte, die Eingeweide und groſſe Gefaͤſſe (y) ganz
von Blute leer.
Endlich verlohr eine Kindbetterin, da der Kuchen in
der Mutter ſtekken blieb, und die Nabelſchnur ohne Band
gelaſſen wurde, eine groſſe Menge Blut, bis man dem
Uebel durch die Anlegung eines Fadens um die Nabel-
ſchnur (z) ſteurete. Und wenn bisweilen, nach der Ge-
burt des einen Kindes von Zwillingen, das andere her-
ausgezogen wurde, ohne daß darnach Blut gefloſſen (a),
ſo heben verneinende Beiſpiele nicht die Kraft der Beja-
henden auf. Wenn Zwillinge zu vermuthen ſind, ſo
koͤnnte in der That, wenn der eine herausgezogen wor-
den, vermittelſt ſeiner Nabelſchnur, der andere unter
den Zwillingen, nach einem Verluſte von Gebluͤte das
Leben einbuͤſſen (b).
Daher weiſen hin und wieder ſtrengere Gerichts-
hoͤfe (c) dieſe neue Entſchuldigung der Kindermoͤrderinnen
von ſich; und es beziehen ſich auch die Aerzte von der
Ge-
(v)
In MUNDIN p. CCLXI.
doch ſterben nicht die Thiere, oder
ſie leiden kein Verbluten, wenn
man ben Nabel zerſchneidet. ZEL-
LER l. c. p. 11. 12.
(x) L. VI. p. 249.
(y) I. C. FABRICIUS zweyte
Samml. p. 15. 16.
(z)
AUBER beim MERY probl.
p. 32. GIFFARD. p. 239. La MOT-
TE obſ. 394.
(a) BURTON p. 60.
(b) SHIPPEN.
(c) HELMSTADIENSES. P. C.
FABRIC. Samml. p. 46. LIPSIEN-
SES beim ZITTMAN Cent. IV.
caſ. 35. & Cent. II. caſ. 20.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 738[740]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/792>, abgerufen am 22.11.2024.
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