Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben u. Tod der Menschen XXX. B.
sten Theile (m). So fand man den Hüftenknochen (n)
um die Hälfte kürzer, als die Hüfte an der andern Seite.
Da jemand den Gebrauch der Muskeln an einem Gliede
verloren hatte, so wurden die Knochen dünne, leicht
und zerbrechlich, weil die neue Nahrung diejenige Kraft
nicht besaß, welche die Knochentheile steif machen muß (o).
Von einem beständigen Speichelauswurfe wurde ein Sol-
dat um einen halben Zoll kleiner (p) Hier sieht man
wieder, daß sich einige feste Theile aufgelöst haben müssen.

Härter als die Knochen sind die Zähne, indessen
verwandeln sich doch offenbar die festen Theile derselben.
So wachsen erstlich die Zähne: folglich befinden sich an
ihnen offene Wege, durch welche der Saft vom Herzen
in das innerste des Zahns hineinschleicht. Und obgleich
einige berühmte Männer eine sehr leichte Erfahrung ver-
werfen, so ist dennoch gewiß, daß ein Zahn, wenn sein
gegenüber liegender Zahn, in dem andern Kinnbakken
ausgefallen ist, öfters weiter wächst, und den Menschen
verstellt. Ferner, wenn an der Seite eines Zahns ein
anderer ansgerissen worden, so weiß man, daß der be-
nachbarte Zahn breiter wird, und zwar an derjenigen
freyen Stelle, wo er keinen Widerstand antrift, und
daß er sich aus einem Vierekke in ein Trapezium verwan-
delt, dessen schiefe Seite nach der Lükke hingekehrt ist.
Jch habe dieses zuverläßig angemerkt, und es haben es
auch andere berühmte Männer (q) sowol an einzelnen

Zäh-
(m) [Spaltenumbruch] RUYSCH Mus. rar. p. 131.
(n) CHESELDEN. anat. of hum.
hody p.
6. an einer Wunde.
(o) Ohnlängst HEUERMAN.
conf. Sect. IV.
(p) GRAINGER de mod. exit.
ptyalism.
bei einer Frau, Scupiot,
waren die Knochen weich, die Kno-
chenlänge kleiner geworden, und
die Schienröhre fast verzehrt.
Der berühmte ALBIN versichert
an sich, daß die Zähne wachsen, in
so sern die Gegner nicht einander
[Spaltenumbruch] widerstehen, sie würden spizz, daß
man sie abfeilen müste. Adnot. L.
VI. c.
1.
(q) PARE administr. anat. p. 48.
INGRASSIAS de ossibus. COW-
PER ad BIDLOO t. 9. f. 1. 7. Le
CLERC. osteol. complet. p. 112.
DIONIS Cours. de Chirurg. p. 321.
A. MONRO of the homes p. 167.
edit. 3. BOURDET. recherch. I.
p. 24. JENTY I. p. 89. RAI wis-
dom. p. 264. BAYLE problem.
p.
167.

Leben u. Tod der Menſchen XXX. B.
ſten Theile (m). So fand man den Huͤftenknochen (n)
um die Haͤlfte kuͤrzer, als die Huͤfte an der andern Seite.
Da jemand den Gebrauch der Muskeln an einem Gliede
verloren hatte, ſo wurden die Knochen duͤnne, leicht
und zerbrechlich, weil die neue Nahrung diejenige Kraft
nicht beſaß, welche die Knochentheile ſteif machen muß (o).
Von einem beſtaͤndigen Speichelauswurfe wurde ein Sol-
dat um einen halben Zoll kleiner (p) Hier ſieht man
wieder, daß ſich einige feſte Theile aufgeloͤſt haben muͤſſen.

Haͤrter als die Knochen ſind die Zaͤhne, indeſſen
verwandeln ſich doch offenbar die feſten Theile derſelben.
So wachſen erſtlich die Zaͤhne: folglich befinden ſich an
ihnen offene Wege, durch welche der Saft vom Herzen
in das innerſte des Zahns hineinſchleicht. Und obgleich
einige beruͤhmte Maͤnner eine ſehr leichte Erfahrung ver-
werfen, ſo iſt dennoch gewiß, daß ein Zahn, wenn ſein
gegenuͤber liegender Zahn, in dem andern Kinnbakken
ausgefallen iſt, oͤfters weiter waͤchſt, und den Menſchen
verſtellt. Ferner, wenn an der Seite eines Zahns ein
anderer ansgeriſſen worden, ſo weiß man, daß der be-
nachbarte Zahn breiter wird, und zwar an derjenigen
freyen Stelle, wo er keinen Widerſtand antrift, und
daß er ſich aus einem Vierekke in ein Trapezium verwan-
delt, deſſen ſchiefe Seite nach der Luͤkke hingekehrt iſt.
Jch habe dieſes zuverlaͤßig angemerkt, und es haben es
auch andere beruͤhmte Maͤnner (q) ſowol an einzelnen

Zaͤh-
(m) [Spaltenumbruch] RUYSCH Muſ. rar. p. 131.
(n) CHESELDEN. anat. of hum.
hody p.
6. an einer Wunde.
(o) Ohnlaͤngſt HEUERMAN.
conf. Sect. IV.
(p) GRAINGER de mod. exit.
ptyaliſm.
bei einer Frau, Scupiot,
waren die Knochen weich, die Kno-
chenlaͤnge kleiner geworden, und
die Schienroͤhre faſt verzehrt.
Der beruͤhmte ALBIN verſichert
an ſich, daß die Zaͤhne wachſen, in
ſo ſern die Gegner nicht einander
[Spaltenumbruch] widerſtehen, ſie wuͤrden ſpizz, daß
man ſie abfeilen muͤſte. Adnot. L.
VI. c.
1.
(q) PARE adminiſtr. anat. p. 48.
INGRASSIAS de oſſibus. COW-
PER ad BIDLOO t. 9. f. 1. 7. Le
CLERC. oſteol. complet. p. 112.
DIONIS Cours. de Chirurg. p. 321.
A. MONRO of the homes p. 167.
edit. 3. BOURDET. recherch. I.
p. 24. JENTY I. p. 89. RAI wiſ-
dom. p. 264. BAYLE problem.
p.
167.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0918" n="864[866]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben u. Tod der Men&#x017F;chen <hi rendition="#aq">XXX.</hi> B.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ten Theile <note place="foot" n="(m)"><cb/><hi rendition="#aq">RUYSCH Mu&#x017F;. rar. p.</hi> 131.</note>. So fand man den Hu&#x0364;ftenknochen <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq">CHESELDEN. anat. of hum.<lb/>
hody p.</hi> 6. an einer Wunde.</note><lb/>
um die Ha&#x0364;lfte ku&#x0364;rzer, als die Hu&#x0364;fte an der andern Seite.<lb/>
Da jemand den Gebrauch der Muskeln an einem Gliede<lb/>
verloren hatte, &#x017F;o wurden die Knochen du&#x0364;nne, leicht<lb/>
und zerbrechlich, weil die neue Nahrung diejenige Kraft<lb/>
nicht be&#x017F;aß, welche die Knochentheile &#x017F;teif machen muß <note place="foot" n="(o)">Ohnla&#x0364;ng&#x017F;t <hi rendition="#aq">HEUERMAN.<lb/>
conf. Sect. IV.</hi></note>.<lb/>
Von einem be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Speichelauswurfe wurde ein Sol-<lb/>
dat um einen halben Zoll kleiner <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq">GRAINGER de mod. exit.<lb/>
ptyali&#x017F;m.</hi> bei einer Frau, <hi rendition="#aq">Scupiot,</hi><lb/>
waren die Knochen weich, die Kno-<lb/>
chenla&#x0364;nge kleiner geworden, und<lb/>
die Schienro&#x0364;hre fa&#x017F;t verzehrt.<lb/>
Der beru&#x0364;hmte <hi rendition="#aq">ALBIN</hi> ver&#x017F;ichert<lb/>
an &#x017F;ich, daß die Za&#x0364;hne wach&#x017F;en, in<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ern die Gegner nicht einander<lb/><cb/>
wider&#x017F;tehen, &#x017F;ie wu&#x0364;rden &#x017F;pizz, daß<lb/>
man &#x017F;ie abfeilen mu&#x0364;&#x017F;te. <hi rendition="#aq">Adnot. L.<lb/>
VI. c.</hi> 1.</note> Hier &#x017F;ieht man<lb/>
wieder, daß &#x017F;ich einige fe&#x017F;te Theile aufgelo&#x0364;&#x017F;t haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
              <p>Ha&#x0364;rter als die Knochen &#x017F;ind die Za&#x0364;hne, inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
verwandeln &#x017F;ich doch offenbar die fe&#x017F;ten Theile der&#x017F;elben.<lb/>
So wach&#x017F;en er&#x017F;tlich die Za&#x0364;hne: folglich befinden &#x017F;ich an<lb/>
ihnen offene Wege, durch welche der Saft vom Herzen<lb/>
in das inner&#x017F;te des Zahns hinein&#x017F;chleicht. Und obgleich<lb/>
einige beru&#x0364;hmte Ma&#x0364;nner eine &#x017F;ehr leichte Erfahrung ver-<lb/>
werfen, &#x017F;o i&#x017F;t dennoch gewiß, daß ein Zahn, wenn &#x017F;ein<lb/>
gegenu&#x0364;ber liegender Zahn, in dem andern Kinnbakken<lb/>
ausgefallen i&#x017F;t, o&#x0364;fters weiter wa&#x0364;ch&#x017F;t, und den Men&#x017F;chen<lb/>
ver&#x017F;tellt. Ferner, wenn an der Seite eines Zahns ein<lb/>
anderer ansgeri&#x017F;&#x017F;en worden, &#x017F;o weiß man, daß der be-<lb/>
nachbarte Zahn breiter wird, und zwar an derjenigen<lb/>
freyen Stelle, wo er keinen Wider&#x017F;tand antrift, und<lb/>
daß er &#x017F;ich aus einem Vierekke in ein Trapezium verwan-<lb/>
delt, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chiefe Seite nach der Lu&#x0364;kke hingekehrt i&#x017F;t.<lb/>
Jch habe die&#x017F;es zuverla&#x0364;ßig angemerkt, und es haben es<lb/>
auch andere beru&#x0364;hmte Ma&#x0364;nner <note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#aq">PARE admini&#x017F;tr. anat. p. 48.<lb/>
INGRASSIAS de o&#x017F;&#x017F;ibus. COW-<lb/>
PER ad BIDLOO t. 9. f. 1. 7. Le<lb/>
CLERC. o&#x017F;teol. complet. p. 112.<lb/>
DIONIS Cours. de Chirurg. p. 321.<lb/>
A. MONRO of the homes p. 167.<lb/>
edit. 3. BOURDET. recherch. I.<lb/>
p. 24. JENTY I. p. 89. RAI wi&#x017F;-<lb/>
dom. p. 264. <hi rendition="#g">BAYLE</hi> problem.<lb/>
p.</hi> 167.</note> &#x017F;owol an einzelnen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Za&#x0364;h-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[864[866]/0918] Leben u. Tod der Menſchen XXX. B. ſten Theile (m). So fand man den Huͤftenknochen (n) um die Haͤlfte kuͤrzer, als die Huͤfte an der andern Seite. Da jemand den Gebrauch der Muskeln an einem Gliede verloren hatte, ſo wurden die Knochen duͤnne, leicht und zerbrechlich, weil die neue Nahrung diejenige Kraft nicht beſaß, welche die Knochentheile ſteif machen muß (o). Von einem beſtaͤndigen Speichelauswurfe wurde ein Sol- dat um einen halben Zoll kleiner (p) Hier ſieht man wieder, daß ſich einige feſte Theile aufgeloͤſt haben muͤſſen. Haͤrter als die Knochen ſind die Zaͤhne, indeſſen verwandeln ſich doch offenbar die feſten Theile derſelben. So wachſen erſtlich die Zaͤhne: folglich befinden ſich an ihnen offene Wege, durch welche der Saft vom Herzen in das innerſte des Zahns hineinſchleicht. Und obgleich einige beruͤhmte Maͤnner eine ſehr leichte Erfahrung ver- werfen, ſo iſt dennoch gewiß, daß ein Zahn, wenn ſein gegenuͤber liegender Zahn, in dem andern Kinnbakken ausgefallen iſt, oͤfters weiter waͤchſt, und den Menſchen verſtellt. Ferner, wenn an der Seite eines Zahns ein anderer ansgeriſſen worden, ſo weiß man, daß der be- nachbarte Zahn breiter wird, und zwar an derjenigen freyen Stelle, wo er keinen Widerſtand antrift, und daß er ſich aus einem Vierekke in ein Trapezium verwan- delt, deſſen ſchiefe Seite nach der Luͤkke hingekehrt iſt. Jch habe dieſes zuverlaͤßig angemerkt, und es haben es auch andere beruͤhmte Maͤnner (q) ſowol an einzelnen Zaͤh- (m) RUYSCH Muſ. rar. p. 131. (n) CHESELDEN. anat. of hum. hody p. 6. an einer Wunde. (o) Ohnlaͤngſt HEUERMAN. conf. Sect. IV. (p) GRAINGER de mod. exit. ptyaliſm. bei einer Frau, Scupiot, waren die Knochen weich, die Kno- chenlaͤnge kleiner geworden, und die Schienroͤhre faſt verzehrt. Der beruͤhmte ALBIN verſichert an ſich, daß die Zaͤhne wachſen, in ſo ſern die Gegner nicht einander widerſtehen, ſie wuͤrden ſpizz, daß man ſie abfeilen muͤſte. Adnot. L. VI. c. 1. (q) PARE adminiſtr. anat. p. 48. INGRASSIAS de oſſibus. COW- PER ad BIDLOO t. 9. f. 1. 7. Le CLERC. oſteol. complet. p. 112. DIONIS Cours. de Chirurg. p. 321. A. MONRO of the homes p. 167. edit. 3. BOURDET. recherch. I. p. 24. JENTY I. p. 89. RAI wiſ- dom. p. 264. BAYLE problem. p. 167.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/918
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 864[866]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/918>, abgerufen am 22.11.2024.