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Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Herd" veröffentlicht worden war, hatte Halm dennoch Bedenken getragen, als Novellist hervorzutreten, vielleicht um den Anstoß zu vermeiden, denn gerade die bedeutendste dieser Dichtungen, "das Haus an der Veronabrücke", vielfach erregt haben würde.

Auch wir haben es uns versagen müssen, dies sein Meisterstück unserem Novellenschatz einzuverleiben. Die souveräne Kunst, mit welcher der Dichter ein höchst verfängliches und in der That sittlich empörendes Thema behandelt hat, ohne die Grenzen weltmännischer Feinheit zu verletzen, kann doch nicht fällig mit dem Widerwärtigen des Stoffes selbst aussöhnen, der Rücksichten zu geschweigen, die ein Sammelwerk wie das unsere auf ein sehr gemischtes Publikum zu nehmen hat. Von der Art und Kunst des Erzählers giebt auch die geringere Arbeit, die wir aufgenommen haben, hinreichendes Zeugniß. Es möge uns gestattet sein, aus dem geistvollen Vorwort des Herausgebers Emil Kuh die Worte anzuführen, in denen der Stil dieser Novellen auf das Treffendste geschildert wird.

"Ein herber Anstrich ist den meisten dieser Erzählungen eigen. Wir können diese Herbheit zum Theil auf den Umstand zurückführen, daß unserem Dichter das Tragische seit jeher in der Gestalt des Grausamen aufgegangen ist. Immer mehr gewann eine dunkle Welt- und Lebensanschauung in Halm die Oberhand, und als Zeugen derselben dürfen wir ohne Weiteres seine Erzählungen ansehen, die in den fünfziger und sechziger Jahren entstanden sind. Im Uebrigen weis't schon der fünfte Act der "Begum Somru" und Halm's Beschäftigung mit Brevio's Novellen "von der Erbärmlichkeit des menschlichen Lebens" auf solche Anschauung hin.

Den künstlerischen Charakter dieser Erzählungen bezeichnet vor Allem das Hervortreten des Unerhörten der Begebenheit, das mit dem Begriffe der romanischen Novelle verknüpft

Herd“ veröffentlicht worden war, hatte Halm dennoch Bedenken getragen, als Novellist hervorzutreten, vielleicht um den Anstoß zu vermeiden, denn gerade die bedeutendste dieser Dichtungen, „das Haus an der Veronabrücke“, vielfach erregt haben würde.

Auch wir haben es uns versagen müssen, dies sein Meisterstück unserem Novellenschatz einzuverleiben. Die souveräne Kunst, mit welcher der Dichter ein höchst verfängliches und in der That sittlich empörendes Thema behandelt hat, ohne die Grenzen weltmännischer Feinheit zu verletzen, kann doch nicht fällig mit dem Widerwärtigen des Stoffes selbst aussöhnen, der Rücksichten zu geschweigen, die ein Sammelwerk wie das unsere auf ein sehr gemischtes Publikum zu nehmen hat. Von der Art und Kunst des Erzählers giebt auch die geringere Arbeit, die wir aufgenommen haben, hinreichendes Zeugniß. Es möge uns gestattet sein, aus dem geistvollen Vorwort des Herausgebers Emil Kuh die Worte anzuführen, in denen der Stil dieser Novellen auf das Treffendste geschildert wird.

„Ein herber Anstrich ist den meisten dieser Erzählungen eigen. Wir können diese Herbheit zum Theil auf den Umstand zurückführen, daß unserem Dichter das Tragische seit jeher in der Gestalt des Grausamen aufgegangen ist. Immer mehr gewann eine dunkle Welt- und Lebensanschauung in Halm die Oberhand, und als Zeugen derselben dürfen wir ohne Weiteres seine Erzählungen ansehen, die in den fünfziger und sechziger Jahren entstanden sind. Im Uebrigen weis't schon der fünfte Act der „Begum Somru“ und Halm's Beschäftigung mit Brevio's Novellen „von der Erbärmlichkeit des menschlichen Lebens“ auf solche Anschauung hin.

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[0006] Herd“ veröffentlicht worden war, hatte Halm dennoch Bedenken getragen, als Novellist hervorzutreten, vielleicht um den Anstoß zu vermeiden, denn gerade die bedeutendste dieser Dichtungen, „das Haus an der Veronabrücke“, vielfach erregt haben würde. Auch wir haben es uns versagen müssen, dies sein Meisterstück unserem Novellenschatz einzuverleiben. Die souveräne Kunst, mit welcher der Dichter ein höchst verfängliches und in der That sittlich empörendes Thema behandelt hat, ohne die Grenzen weltmännischer Feinheit zu verletzen, kann doch nicht fällig mit dem Widerwärtigen des Stoffes selbst aussöhnen, der Rücksichten zu geschweigen, die ein Sammelwerk wie das unsere auf ein sehr gemischtes Publikum zu nehmen hat. Von der Art und Kunst des Erzählers giebt auch die geringere Arbeit, die wir aufgenommen haben, hinreichendes Zeugniß. Es möge uns gestattet sein, aus dem geistvollen Vorwort des Herausgebers Emil Kuh die Worte anzuführen, in denen der Stil dieser Novellen auf das Treffendste geschildert wird. „Ein herber Anstrich ist den meisten dieser Erzählungen eigen. Wir können diese Herbheit zum Theil auf den Umstand zurückführen, daß unserem Dichter das Tragische seit jeher in der Gestalt des Grausamen aufgegangen ist. Immer mehr gewann eine dunkle Welt- und Lebensanschauung in Halm die Oberhand, und als Zeugen derselben dürfen wir ohne Weiteres seine Erzählungen ansehen, die in den fünfziger und sechziger Jahren entstanden sind. Im Uebrigen weis't schon der fünfte Act der „Begum Somru“ und Halm's Beschäftigung mit Brevio's Novellen „von der Erbärmlichkeit des menschlichen Lebens“ auf solche Anschauung hin. Den künstlerischen Charakter dieser Erzählungen bezeichnet vor Allem das Hervortreten des Unerhörten der Begebenheit, das mit dem Begriffe der romanischen Novelle verknüpft

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Zitationshilfe: Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910/6>, abgerufen am 19.04.2024.