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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 9. Konrad III. (1138-1152).
jedoch nicht. Denn auch Roger hatte mit rückkehrenden Kreuz-
fahrern, die er bei sich bewirtete, Bündnisse abgeschlossen: mit
dem französischen Könige und dem Herzog Welf, der in Süd-
deutschland sogleich eine neue Erhebung vorbereitete. Jetzt ließ
der schlaue Normanne die Gegenmine springen und zwang den
Staufer zu schleuniger Heimkehr.

Die auswärtige Politik der letzten Jahre Konrads, stark beein-
flußt von dem wesentlich formal begabten, aber ängstlichen, eitlen
und charakterlosen Abt Wibald von Stablo1), gedrückt durch längeres
Siechtum des seit dem Kreuzzuge in seiner Kraft gebrochenen
Königs, eingeschnürt durch völlige Mittellosigkeit, die gelegentlich
gar den Gesandtschaftsverkehr hemmte, zeigt ein Bild kläglicher
Ohnmacht. Die oft geplante und verschobene, endlich bestimmt
festgesetzte Romfahrt kam doch nicht mehr zur Ausführung.

Im Innern gelang es zwar, den unruhigen Welf zu schlagen
und durch überaus gnadenvolle, von dem jungen Schwabenherzog
Friedrich vermittelte Anerbietungen zum Frieden zu bewegen (1150);
aber bald brach die Feindschaft mit Heinrich dem Löwen, der seine
bayrischen Ansprüche erneuerte, abermals zu hellen Flammen aus,
und in offnem Trotze gegen den König vermochte sich der selbst-
bewußte Welfe zu behaupten. Der gesamte Norden des Reiches
begann sich überhaupt den Einflüssen der Zentralgewalt mehr und
mehr zu entziehen und seine eignen Wege zu gehen, und die Er-
folge der sächsischen Territorialpolitik bildeten weitaus den gesun-
desten und erfreulichsten Teil der deutschen Gesamtentwicklung
jener Tage. An der Stelle der friedlichen Heidenmission, deren
Ergebnisse durch den törichten Wendenkreuzzug nahezu vernichtet
wurden, trat hier in den nordöstlichen Grenzgebieten jetzt die Arbeit
von Pflug und Schwert. Graf Adolf II. von Schauenburg war der
erste Fürst, der westdeutsche Kolonisten, wie sie bis dahin in den
Weser- und Elbgebieten mit ihrer überlegenen Ackerbautechnik
Bodenmeliorationen durchgeführt hatten, über die Reichsgrenze in
die verwüsteten Wendenlande Ostholsteins rief (seit 1143). Schon
begann, teilweis im Wettbewerb mit ihm, Heinrich der Löwe sein
von der Reichsgewalt so gut wie unabhängiges ostelbisches Slawen-
reich auszubauen, in welchem das durch keine kirchlichen Rück-
sichten beirrte weltliche Machtinteresse des Fürsten die Metropoli-
tanrechte des Bremer Erzbischofs unsanft bei Seite schob und die
Inhaber der neugegründeten oder hergestellten Bistümer ebenso
als Beamten des Herrschers betrachtete, wie in dem sizilischen

1) Das Konzeptbuch seiner Briefe, von 1146 ab erhalten (Jaffe, Bibl. I)
ist die wichtigste Quelle zur Erkenntnis der deutschen Politik jener Zeit.
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 8

§ 9. Konrad III. (1138‒1152).
jedoch nicht. Denn auch Roger hatte mit rückkehrenden Kreuz-
fahrern, die er bei sich bewirtete, Bündnisse abgeschlossen: mit
dem französischen Könige und dem Herzog Welf, der in Süd-
deutschland sogleich eine neue Erhebung vorbereitete. Jetzt ließ
der schlaue Normanne die Gegenmine springen und zwang den
Staufer zu schleuniger Heimkehr.

Die auswärtige Politik der letzten Jahre Konrads, stark beein-
flußt von dem wesentlich formal begabten, aber ängstlichen, eitlen
und charakterlosen Abt Wibald von Stablo1), gedrückt durch längeres
Siechtum des seit dem Kreuzzuge in seiner Kraft gebrochenen
Königs, eingeschnürt durch völlige Mittellosigkeit, die gelegentlich
gar den Gesandtschaftsverkehr hemmte, zeigt ein Bild kläglicher
Ohnmacht. Die oft geplante und verschobene, endlich bestimmt
festgesetzte Romfahrt kam doch nicht mehr zur Ausführung.

Im Innern gelang es zwar, den unruhigen Welf zu schlagen
und durch überaus gnadenvolle, von dem jungen Schwabenherzog
Friedrich vermittelte Anerbietungen zum Frieden zu bewegen (1150);
aber bald brach die Feindschaft mit Heinrich dem Löwen, der seine
bayrischen Ansprüche erneuerte, abermals zu hellen Flammen aus,
und in offnem Trotze gegen den König vermochte sich der selbst-
bewußte Welfe zu behaupten. Der gesamte Norden des Reiches
begann sich überhaupt den Einflüssen der Zentralgewalt mehr und
mehr zu entziehen und seine eignen Wege zu gehen, und die Er-
folge der sächsischen Territorialpolitik bildeten weitaus den gesun-
desten und erfreulichsten Teil der deutschen Gesamtentwicklung
jener Tage. An der Stelle der friedlichen Heidenmission, deren
Ergebnisse durch den törichten Wendenkreuzzug nahezu vernichtet
wurden, trat hier in den nordöstlichen Grenzgebieten jetzt die Arbeit
von Pflug und Schwert. Graf Adolf II. von Schauenburg war der
erste Fürst, der westdeutsche Kolonisten, wie sie bis dahin in den
Weser- und Elbgebieten mit ihrer überlegenen Ackerbautechnik
Bodenmeliorationen durchgeführt hatten, über die Reichsgrenze in
die verwüsteten Wendenlande Ostholsteins rief (seit 1143). Schon
begann, teilweis im Wettbewerb mit ihm, Heinrich der Löwe sein
von der Reichsgewalt so gut wie unabhängiges ostelbisches Slawen-
reich auszubauen, in welchem das durch keine kirchlichen Rück-
sichten beirrte weltliche Machtinteresse des Fürsten die Metropoli-
tanrechte des Bremer Erzbischofs unsanft bei Seite schob und die
Inhaber der neugegründeten oder hergestellten Bistümer ebenso
als Beamten des Herrschers betrachtete, wie in dem sizilischen

1) Das Konzeptbuch seiner Briefe, von 1146 ab erhalten (Jaffé, Bibl. I)
ist die wichtigste Quelle zur Erkenntnis der deutschen Politik jener Zeit.
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 8
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[113/0121] § 9. Konrad III. (1138‒1152). jedoch nicht. Denn auch Roger hatte mit rückkehrenden Kreuz- fahrern, die er bei sich bewirtete, Bündnisse abgeschlossen: mit dem französischen Könige und dem Herzog Welf, der in Süd- deutschland sogleich eine neue Erhebung vorbereitete. Jetzt ließ der schlaue Normanne die Gegenmine springen und zwang den Staufer zu schleuniger Heimkehr. Die auswärtige Politik der letzten Jahre Konrads, stark beein- flußt von dem wesentlich formal begabten, aber ängstlichen, eitlen und charakterlosen Abt Wibald von Stablo 1), gedrückt durch längeres Siechtum des seit dem Kreuzzuge in seiner Kraft gebrochenen Königs, eingeschnürt durch völlige Mittellosigkeit, die gelegentlich gar den Gesandtschaftsverkehr hemmte, zeigt ein Bild kläglicher Ohnmacht. Die oft geplante und verschobene, endlich bestimmt festgesetzte Romfahrt kam doch nicht mehr zur Ausführung. Im Innern gelang es zwar, den unruhigen Welf zu schlagen und durch überaus gnadenvolle, von dem jungen Schwabenherzog Friedrich vermittelte Anerbietungen zum Frieden zu bewegen (1150); aber bald brach die Feindschaft mit Heinrich dem Löwen, der seine bayrischen Ansprüche erneuerte, abermals zu hellen Flammen aus, und in offnem Trotze gegen den König vermochte sich der selbst- bewußte Welfe zu behaupten. Der gesamte Norden des Reiches begann sich überhaupt den Einflüssen der Zentralgewalt mehr und mehr zu entziehen und seine eignen Wege zu gehen, und die Er- folge der sächsischen Territorialpolitik bildeten weitaus den gesun- desten und erfreulichsten Teil der deutschen Gesamtentwicklung jener Tage. An der Stelle der friedlichen Heidenmission, deren Ergebnisse durch den törichten Wendenkreuzzug nahezu vernichtet wurden, trat hier in den nordöstlichen Grenzgebieten jetzt die Arbeit von Pflug und Schwert. Graf Adolf II. von Schauenburg war der erste Fürst, der westdeutsche Kolonisten, wie sie bis dahin in den Weser- und Elbgebieten mit ihrer überlegenen Ackerbautechnik Bodenmeliorationen durchgeführt hatten, über die Reichsgrenze in die verwüsteten Wendenlande Ostholsteins rief (seit 1143). Schon begann, teilweis im Wettbewerb mit ihm, Heinrich der Löwe sein von der Reichsgewalt so gut wie unabhängiges ostelbisches Slawen- reich auszubauen, in welchem das durch keine kirchlichen Rück- sichten beirrte weltliche Machtinteresse des Fürsten die Metropoli- tanrechte des Bremer Erzbischofs unsanft bei Seite schob und die Inhaber der neugegründeten oder hergestellten Bistümer ebenso als Beamten des Herrschers betrachtete, wie in dem sizilischen 1) Das Konzeptbuch seiner Briefe, von 1146 ab erhalten (Jaffé, Bibl. I) ist die wichtigste Quelle zur Erkenntnis der deutschen Politik jener Zeit. Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 8

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/121>, abgerufen am 21.11.2024.