Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Romans I. Buch.
Disputiren wol-fundirte und practicirte Herren Op-
ponent
en mit der langen Nasen abgefertiget/ und sie
dann und wann confundiret/ sondern hielte auch sei-
nem eigenen Herrn Professori solchen Widerpart/ daß
weder Praeses, noch Opponens, ihnen mehr getrauen
durfften/ mit andern Dubiis und Motivis, ferner hinter
ihn zu kommen/ sondern haben ihm sämtlich ad Gra-
dum Doctoratus gratuli
ret/ und ihn für würdigst den-
selben anzunehmen offentlich erkennet/ und proclamiret.

Eben ein solcher war auch Caramuel. Dieser war
ein Münch/ Cistertienser-Ordens/ von Geburt ein
Spanier/ und ein so gelehrter Mann/ als jemahls ei-
ner auf Erden gewesen. Er gieng in ein Teutsches
Kloster/ allwo er sich durch seine Schrifften der ge-
lehrten Welt dermassen bekandt gemacht/ daß sich
nicht wenig geforchten/ mit ihme auß der Philosophie
zu disputiren. Und weil er etwas scharff schiene/ ist er
niemahlen zu einer hohen Charge promoviret wor-
den/ auß Forcht/ er möchte zu viel reformiren.

Dieses war das Haupt-Fundament, so ihn auß
dem Kloster gebracht/ weil er gesuchet/ eine Condi-
tion
bey einem Bisthum zu erlangen. Er räysete in
der Welt hin und wieder/ und kame einsmahls Mor-
gens frühe in eine Stadt/ allwo der Bischoff selbiges
Orts eine offentliche Disputation fast an allen Ecken
der Stadt anschlagen lassen. Caramuel sahe solches
mit sonderlichem Belieben/ gabe einem Jungen auf
der Gassen ein Trinckgeld/ damit er ihn an den Ort
führen solte/ allwo man disputiren würde. Er kommt
hin/ und der praesidirende Jesuit war schon begriffen/
die vorgebrachte Argumenta mit Distinguiren zu
schlichten/ als sich Caramuel mit unter die Opponen-
t
en setzte.

Weil man ihn nun nicht kandte/ wurde er von

allen
Q 2

Romans I. Buch.
Diſputiren wol-fundirte und practicirte Herren Op-
ponent
en mit der langen Naſen abgefertiget/ und ſie
dann und wann confundiret/ ſondern hielte auch ſei-
nem eigenen Herꝛn Profeſſori ſolchen Widerpart/ daß
weder Præſes, noch Opponens, ihnen mehr getrauen
durfften/ mit andern Dubiis und Motivis, ferner hinter
ihn zu kommen/ ſondern haben ihm ſaͤmtlich ad Gra-
dum Doctoratus gratuli
ret/ und ihn fuͤr wuͤrdigſt den-
ſelben anzunehmen offentlich erkeñet/ uñ proclamiret.

Eben ein ſolcher war auch Caramuel. Dieſer war
ein Muͤnch/ Ciſtertienſer-Ordens/ von Geburt ein
Spanier/ und ein ſo gelehrter Mann/ als jemahls ei-
ner auf Erden geweſen. Er gieng in ein Teutſches
Kloſter/ allwo er ſich durch ſeine Schrifften der ge-
lehrten Welt dermaſſen bekandt gemacht/ daß ſich
nicht wenig geforchten/ mit ihme auß der Philoſophie
zu diſputiren. Und weil er etwas ſcharff ſchiene/ iſt er
niemahlen zu einer hohen Charge promoviret wor-
den/ auß Forcht/ er moͤchte zu viel reformiren.

Dieſes war das Haupt-Fundament, ſo ihn auß
dem Kloſter gebracht/ weil er geſuchet/ eine Condi-
tion
bey einem Biſthum zu erlangen. Er raͤyſete in
der Welt hin und wieder/ und kame einsmahls Mor-
gens fruͤhe in eine Stadt/ allwo der Biſchoff ſelbiges
Orts eine offentliche Diſputation faſt an allen Ecken
der Stadt anſchlagen laſſen. Caramuel ſahe ſolches
mit ſonderlichem Belieben/ gabe einem Jungen auf
der Gaſſen ein Trinckgeld/ damit er ihn an den Ort
fuͤhren ſolte/ allwo man diſputiren wuͤrde. Er kom̃t
hin/ und der præſidirende Jeſuit war ſchon begriffen/
die vorgebrachte Argumenta mit Diſtinguiren zu
ſchlichten/ als ſich Caramuel mit unter die Opponen-
t
en ſetzte.

Weil man ihn nun nicht kandte/ wurde er von

allen
Q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0255" n="243"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Romans <hi rendition="#aq">I.</hi> Buch.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">Di&#x017F;puti</hi>ren wol-<hi rendition="#aq">fundi</hi>rte und <hi rendition="#aq">practici</hi>rte Herren <hi rendition="#aq">Op-<lb/>
ponent</hi>en mit der langen Na&#x017F;en abgefertiget/ und &#x017F;ie<lb/>
dann und wann <hi rendition="#aq">confundi</hi>ret/ &#x017F;ondern hielte auch &#x017F;ei-<lb/>
nem eigenen Her&#xA75B;n <hi rendition="#aq">Profe&#x017F;&#x017F;ori</hi> &#x017F;olchen Widerpart/ daß<lb/>
weder <hi rendition="#aq">Præ&#x017F;es,</hi> noch <hi rendition="#aq">Opponens,</hi> ihnen mehr getrauen<lb/>
durfften/ mit andern <hi rendition="#aq">Dubiis</hi> und <hi rendition="#aq">Motivis,</hi> ferner hinter<lb/>
ihn zu kommen/ &#x017F;ondern haben ihm &#x017F;a&#x0364;mtlich <hi rendition="#aq">ad Gra-<lb/>
dum Doctoratus gratuli</hi>ret/ und ihn fu&#x0364;r wu&#x0364;rdig&#x017F;t den-<lb/>
&#x017F;elben anzunehmen offentlich erkeñet/ uñ <hi rendition="#aq">proclami</hi>ret.</p><lb/>
          <p>Eben ein &#x017F;olcher war auch <hi rendition="#aq">Caramuel.</hi> Die&#x017F;er war<lb/>
ein Mu&#x0364;nch/ <hi rendition="#aq">Ci&#x017F;tertien&#x017F;</hi>er-Ordens/ von Geburt ein<lb/>
Spanier/ und ein &#x017F;o gelehrter Mann/ als jemahls ei-<lb/>
ner auf Erden gewe&#x017F;en. Er gieng in ein Teut&#x017F;ches<lb/>
Klo&#x017F;ter/ allwo er &#x017F;ich durch &#x017F;eine Schrifften der ge-<lb/>
lehrten Welt derma&#x017F;&#x017F;en bekandt gemacht/ daß &#x017F;ich<lb/>
nicht wenig geforchten/ mit ihme auß der <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophie</hi><lb/>
zu <hi rendition="#aq">di&#x017F;puti</hi>ren. Und weil er etwas &#x017F;charff &#x017F;chiene/ i&#x017F;t er<lb/>
niemahlen zu einer hohen <hi rendition="#aq">Charge promovi</hi>ret wor-<lb/>
den/ auß Forcht/ er mo&#x0364;chte zu viel <hi rendition="#aq">reformi</hi>ren.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;es war das Haupt-<hi rendition="#aq">Fundament,</hi> &#x017F;o ihn auß<lb/>
dem Klo&#x017F;ter gebracht/ weil er ge&#x017F;uchet/ eine <hi rendition="#aq">Condi-<lb/>
tion</hi> bey einem Bi&#x017F;thum zu erlangen. Er ra&#x0364;y&#x017F;ete in<lb/>
der Welt hin und wieder/ und kame einsmahls Mor-<lb/>
gens fru&#x0364;he in eine Stadt/ allwo der Bi&#x017F;choff &#x017F;elbiges<lb/>
Orts eine offentliche <hi rendition="#aq">Di&#x017F;putation</hi> fa&#x017F;t an allen Ecken<lb/>
der Stadt an&#x017F;chlagen la&#x017F;&#x017F;en. <hi rendition="#aq">Caramuel</hi> &#x017F;ahe &#x017F;olches<lb/>
mit &#x017F;onderlichem Belieben/ gabe einem Jungen auf<lb/>
der Ga&#x017F;&#x017F;en ein Trinckgeld/ damit er ihn an den Ort<lb/>
fu&#x0364;hren &#x017F;olte/ allwo man <hi rendition="#aq">di&#x017F;puti</hi>ren wu&#x0364;rde. Er kom&#x0303;t<lb/>
hin/ und der <hi rendition="#aq">præ&#x017F;idi</hi>rende Je&#x017F;uit war &#x017F;chon begriffen/<lb/>
die vorgebrachte <hi rendition="#aq">Argumenta</hi> mit <hi rendition="#aq">Di&#x017F;tingui</hi>ren zu<lb/>
&#x017F;chlichten/ als &#x017F;ich <hi rendition="#aq">Caramuel</hi> mit unter die <hi rendition="#aq">Opponen-<lb/>
t</hi>en &#x017F;etzte.</p><lb/>
          <p>Weil man ihn nun nicht kandte/ wurde er von<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 2</fw><fw place="bottom" type="catch">allen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0255] Romans I. Buch. Diſputiren wol-fundirte und practicirte Herren Op- ponenten mit der langen Naſen abgefertiget/ und ſie dann und wann confundiret/ ſondern hielte auch ſei- nem eigenen Herꝛn Profeſſori ſolchen Widerpart/ daß weder Præſes, noch Opponens, ihnen mehr getrauen durfften/ mit andern Dubiis und Motivis, ferner hinter ihn zu kommen/ ſondern haben ihm ſaͤmtlich ad Gra- dum Doctoratus gratuliret/ und ihn fuͤr wuͤrdigſt den- ſelben anzunehmen offentlich erkeñet/ uñ proclamiret. Eben ein ſolcher war auch Caramuel. Dieſer war ein Muͤnch/ Ciſtertienſer-Ordens/ von Geburt ein Spanier/ und ein ſo gelehrter Mann/ als jemahls ei- ner auf Erden geweſen. Er gieng in ein Teutſches Kloſter/ allwo er ſich durch ſeine Schrifften der ge- lehrten Welt dermaſſen bekandt gemacht/ daß ſich nicht wenig geforchten/ mit ihme auß der Philoſophie zu diſputiren. Und weil er etwas ſcharff ſchiene/ iſt er niemahlen zu einer hohen Charge promoviret wor- den/ auß Forcht/ er moͤchte zu viel reformiren. Dieſes war das Haupt-Fundament, ſo ihn auß dem Kloſter gebracht/ weil er geſuchet/ eine Condi- tion bey einem Biſthum zu erlangen. Er raͤyſete in der Welt hin und wieder/ und kame einsmahls Mor- gens fruͤhe in eine Stadt/ allwo der Biſchoff ſelbiges Orts eine offentliche Diſputation faſt an allen Ecken der Stadt anſchlagen laſſen. Caramuel ſahe ſolches mit ſonderlichem Belieben/ gabe einem Jungen auf der Gaſſen ein Trinckgeld/ damit er ihn an den Ort fuͤhren ſolte/ allwo man diſputiren wuͤrde. Er kom̃t hin/ und der præſidirende Jeſuit war ſchon begriffen/ die vorgebrachte Argumenta mit Diſtinguiren zu ſchlichten/ als ſich Caramuel mit unter die Opponen- ten ſetzte. Weil man ihn nun nicht kandte/ wurde er von allen Q 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/255
Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/255>, abgerufen am 24.06.2024.