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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans I. Buch.
stall-klarer Bach hinfloß/ dessen Ufer mit niedrigen
Wäyden-Bäumen bepflantzet war/ an denen die
schönsten Wein-Reben hinauf wuchsen/ daß es ohne
sonderbare Ergötzlichkeit nicht möchte betrachtet
werden.

Nachdem endlich anderthalbe Stunden verflos-
sen/ kam eine stattliche Carosse, darinn deß Edelmanns
Eheliebste sasse mit ihrer Tochter/ und noch einer an-
dern ansehnlichen Jungfrau/ samt einem holdseeligen
Jüngling/ diese brachten allerhand warme Speisen
mit/ und nachdem sie den Printzen und seine Gesell-
schafft gebührlich bewillkommet/ ward aufgedecket/
und ein Jede[r] setzete sich an seinen angewiesenen Ort.
Troll aber/ dem es sein Herr zu gut halten muste/ tratt
zu dem Edelmann/ Patina genannt/ und fragte ihn/
vor wie viel Personen er angerichtet hätte? Der
Edelmann sahe wol/ daß dieser ein lustiger Kump/
sprach demnach: Vor mich/ und alle diese Gäste/ mey-
net ihr etwa/ daß ihr nicht satt werden möget? Jch
frage es vergebens nicht/ replicirte Troll/ dann ihr
wisset noch nicht/ was ihr an diesem Menschen/ (auf
Cerebacchium zielend/) für ein Mast-Schwein habt/
er frisset allein vor 4. Personen/ und trincket/ so lange
er Wein für sich findet. Jch wil ihn schon/ sprach der
Edelmann/ so viel fürsetzen/ daß er seinen Hunger
gnugsam daran wird stillen können. Cerebacchius
aber schämete sich dieser Rede so sehr/ daß er auch zu
diesem mahl wenig Speise genosse. Solches sahe
Troll/ dannenhero sagte er zu ihm: Er möchte sich
doch seinethalben nicht schämen/ ob er gleich seine
Kurtzweil mit der alten Frauen die verwichene Nacht
gehabt/ darfür könne er jetzo doch wol seine Mahlzeit
thun. Cerebacchius lachete dieser Worte/ und sagte:
Er hätte seinen Magen schon gefüllet/ inmassen der-

selbe
S 2

Romans I. Buch.
ſtall-klarer Bach hinfloß/ deſſen Ufer mit niedrigen
Waͤyden-Baͤumen bepflantzet war/ an denen die
ſchoͤnſten Wein-Reben hinauf wuchſen/ daß es ohne
ſonderbare Ergoͤtzlichkeit nicht moͤchte betrachtet
werden.

Nachdem endlich anderthalbe Stunden verfloſ-
ſen/ kam eine ſtattliche Caroſſe, darinn deß Edelmañs
Eheliebſte ſaſſe mit ihrer Tochter/ und noch einer an-
dern anſehnlichen Jungfrau/ ſamt einem holdſeeligen
Juͤngling/ dieſe brachten allerhand warme Speiſen
mit/ und nachdem ſie den Printzen und ſeine Geſell-
ſchafft gebuͤhrlich bewillkommet/ ward aufgedecket/
und ein Jede[r] ſetzete ſich an ſeinen angewieſenen Ort.
Troll aber/ dem es ſein Herꝛ zu gut halten muſte/ tratt
zu dem Edelmann/ Patina genannt/ und fragte ihn/
vor wie viel Perſonen er angerichtet haͤtte? Der
Edelmann ſahe wol/ daß dieſer ein luſtiger Kump/
ſprach demnach: Vor mich/ und alle dieſe Gaͤſte/ mey-
net ihr etwa/ daß ihr nicht ſatt werden moͤget? Jch
frage es vergebens nicht/ replicirte Troll/ dann ihr
wiſſet noch nicht/ was ihr an dieſem Menſchen/ (auf
Cerebacchium zielend/) fuͤr ein Maſt-Schwein habt/
er friſſet allein vor 4. Perſonen/ und trincket/ ſo lange
er Wein fuͤr ſich findet. Jch wil ihn ſchon/ ſprach der
Edelmann/ ſo viel fuͤrſetzen/ daß er ſeinen Hunger
gnugſam daran wird ſtillen koͤnnen. Cerebacchius
aber ſchaͤmete ſich dieſer Rede ſo ſehr/ daß er auch zu
dieſem mahl wenig Speiſe genoſſe. Solches ſahe
Troll/ dannenhero ſagte er zu ihm: Er moͤchte ſich
doch ſeinethalben nicht ſchaͤmen/ ob er gleich ſeine
Kurtzweil mit der alten Frauen die verwichene Nacht
gehabt/ darfuͤr koͤnne er jetzo doch wol ſeine Mahlzeit
thun. Cerebacchius lachete dieſer Worte/ und ſagte:
Er haͤtte ſeinen Magen ſchon gefuͤllet/ inmaſſen der-

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S 2
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[275/0287] Romans I. Buch. ſtall-klarer Bach hinfloß/ deſſen Ufer mit niedrigen Waͤyden-Baͤumen bepflantzet war/ an denen die ſchoͤnſten Wein-Reben hinauf wuchſen/ daß es ohne ſonderbare Ergoͤtzlichkeit nicht moͤchte betrachtet werden. Nachdem endlich anderthalbe Stunden verfloſ- ſen/ kam eine ſtattliche Caroſſe, darinn deß Edelmañs Eheliebſte ſaſſe mit ihrer Tochter/ und noch einer an- dern anſehnlichen Jungfrau/ ſamt einem holdſeeligen Juͤngling/ dieſe brachten allerhand warme Speiſen mit/ und nachdem ſie den Printzen und ſeine Geſell- ſchafft gebuͤhrlich bewillkommet/ ward aufgedecket/ und ein Jeder ſetzete ſich an ſeinen angewieſenen Ort. Troll aber/ dem es ſein Herꝛ zu gut halten muſte/ tratt zu dem Edelmann/ Patina genannt/ und fragte ihn/ vor wie viel Perſonen er angerichtet haͤtte? Der Edelmann ſahe wol/ daß dieſer ein luſtiger Kump/ ſprach demnach: Vor mich/ und alle dieſe Gaͤſte/ mey- net ihr etwa/ daß ihr nicht ſatt werden moͤget? Jch frage es vergebens nicht/ replicirte Troll/ dann ihr wiſſet noch nicht/ was ihr an dieſem Menſchen/ (auf Cerebacchium zielend/) fuͤr ein Maſt-Schwein habt/ er friſſet allein vor 4. Perſonen/ und trincket/ ſo lange er Wein fuͤr ſich findet. Jch wil ihn ſchon/ ſprach der Edelmann/ ſo viel fuͤrſetzen/ daß er ſeinen Hunger gnugſam daran wird ſtillen koͤnnen. Cerebacchius aber ſchaͤmete ſich dieſer Rede ſo ſehr/ daß er auch zu dieſem mahl wenig Speiſe genoſſe. Solches ſahe Troll/ dannenhero ſagte er zu ihm: Er moͤchte ſich doch ſeinethalben nicht ſchaͤmen/ ob er gleich ſeine Kurtzweil mit der alten Frauen die verwichene Nacht gehabt/ darfuͤr koͤnne er jetzo doch wol ſeine Mahlzeit thun. Cerebacchius lachete dieſer Worte/ und ſagte: Er haͤtte ſeinen Magen ſchon gefuͤllet/ inmaſſen der- ſelbe S 2

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/287>, abgerufen am 22.11.2024.