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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen
in einen besondern Sack. Der junge Edelmann sahe
dieses mit betrübtem Hertzen an/ und bedachte bey
sich selber/ die Abwechslung deß Glücks/ indem er sa-
he/ daß ein schlechter Boots-Geselle das Geld in so
grosser Menge hätte/ da hingegen er/ welcher von ei-
nem grossen Geschlecht/ und demselben gemäß/ beklei-
det war/ kaum so viel hätte/ daß er eine Kanne Wein
hätte bezahlen können. Dieses gieng ihm so zu Her-
tzen/ weil ihm sein voriger Stand vor Augen kam/ daß
ihm die Thränen/ wider seinen Willen/ auß den Augen
lieffen. Der Boots-Gesell/ der sich gleich dem Edel-
mann über gesetzet hatte/ merckete dieses bald/ und
weil er nicht sehen kunte/ daß ein stattlicher Herr so
betrübt wäre/ bath er ihn/ daß er ihm die Ehre thun
wolte/ ein Glaß Wein mit ihm zu trincken/ welches
der Andere/ nach einigen kleinen Entschuldigungen/
verwilligete. Jndem sie nun also von einem Gespräch
auf das andere kamen/ fragete ihn endlich der Boots-
Gesell/ was die Ursache seiner Traurigkeit wäre/ und
ob kein Mittel wäre/ ihn eines frölichen Geistes zu
machen? Und both ihm zu dem Ende alles an/ was in
seinem Vermögen wäre. Der Edelmann/ nachdem er
ein paar Seuffzer gelassen/ gab ihm zum Bescheid:
Die meiste Ursache meiner Traurigkeit entstehet da-
her/ weil ich euch so wol bey Gelde sehe/ nicht zwar/
daß ich es euch mißgönne/ sondern/ daß ich an meinen
vorigen Zustand gedencke/ da ich von demselben eben
so lebete/ als ihr jetzund von eurem lebet/ weil ich aber
allzufreygebig gewesen/ und das Geld sehr wenig ge-
achtet/ habe ich nun die Gelegenheit verlohren/ je-
mahls darzu wieder zu gelangen; Dann/ mein Vat-
ter/ welcher durch andere von meinem ungebundenen
Leben berichtet worden/ schliesset mit Verschliessung
seines Beutels mir fast gantz die Kehle zu/ und es sie-

het

Deß Academiſchen
in einen beſondern Sack. Der junge Edelmann ſahe
dieſes mit betruͤbtem Hertzen an/ und bedachte bey
ſich ſelber/ die Abwechslung deß Gluͤcks/ indem er ſa-
he/ daß ein ſchlechter Boots-Geſelle das Geld in ſo
groſſer Menge haͤtte/ da hingegen er/ welcher von ei-
nem groſſen Geſchlecht/ und demſelben gemaͤß/ beklei-
det war/ kaum ſo viel haͤtte/ daß er eine Kanne Wein
haͤtte bezahlen koͤnnen. Dieſes gieng ihm ſo zu Her-
tzen/ weil ihm ſein voriger Stand vor Augen kam/ daß
ihm die Thraͤnen/ wider ſeinen Willen/ auß den Augen
lieffen. Der Boots-Geſell/ der ſich gleich dem Edel-
mann uͤber geſetzet hatte/ merckete dieſes bald/ und
weil er nicht ſehen kunte/ daß ein ſtattlicher Herꝛ ſo
betruͤbt waͤre/ bath er ihn/ daß er ihm die Ehre thun
wolte/ ein Glaß Wein mit ihm zu trincken/ welches
der Andere/ nach einigen kleinen Entſchuldigungen/
verwilligete. Jndem ſie nun alſo von einem Geſpraͤch
auf das andere kamen/ fragete ihn endlich der Boots-
Geſell/ was die Urſache ſeiner Traurigkeit waͤre/ und
ob kein Mittel waͤre/ ihn eines froͤlichen Geiſtes zu
machen? Und both ihm zu dem Ende alles an/ was in
ſeinem Vermoͤgen waͤre. Der Edelmann/ nachdem er
ein paar Seuffzer gelaſſen/ gab ihm zum Beſcheid:
Die meiſte Urſache meiner Traurigkeit entſtehet da-
her/ weil ich euch ſo wol bey Gelde ſehe/ nicht zwar/
daß ich es euch mißgoͤnne/ ſondern/ daß ich an meinen
vorigen Zuſtand gedencke/ da ich von demſelben eben
ſo lebete/ als ihr jetzund von eurem lebet/ weil ich aber
allzufreygebig geweſen/ und das Geld ſehr wenig ge-
achtet/ habe ich nun die Gelegenheit verlohren/ je-
mahls darzu wieder zu gelangen; Dann/ mein Vat-
ter/ welcher durch andere von meinem ungebundenen
Leben berichtet worden/ ſchlieſſet mit Verſchlieſſung
ſeines Beutels mir faſt gantz die Kehle zu/ und es ſie-

het
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[308/0320] Deß Academiſchen in einen beſondern Sack. Der junge Edelmann ſahe dieſes mit betruͤbtem Hertzen an/ und bedachte bey ſich ſelber/ die Abwechslung deß Gluͤcks/ indem er ſa- he/ daß ein ſchlechter Boots-Geſelle das Geld in ſo groſſer Menge haͤtte/ da hingegen er/ welcher von ei- nem groſſen Geſchlecht/ und demſelben gemaͤß/ beklei- det war/ kaum ſo viel haͤtte/ daß er eine Kanne Wein haͤtte bezahlen koͤnnen. Dieſes gieng ihm ſo zu Her- tzen/ weil ihm ſein voriger Stand vor Augen kam/ daß ihm die Thraͤnen/ wider ſeinen Willen/ auß den Augen lieffen. Der Boots-Geſell/ der ſich gleich dem Edel- mann uͤber geſetzet hatte/ merckete dieſes bald/ und weil er nicht ſehen kunte/ daß ein ſtattlicher Herꝛ ſo betruͤbt waͤre/ bath er ihn/ daß er ihm die Ehre thun wolte/ ein Glaß Wein mit ihm zu trincken/ welches der Andere/ nach einigen kleinen Entſchuldigungen/ verwilligete. Jndem ſie nun alſo von einem Geſpraͤch auf das andere kamen/ fragete ihn endlich der Boots- Geſell/ was die Urſache ſeiner Traurigkeit waͤre/ und ob kein Mittel waͤre/ ihn eines froͤlichen Geiſtes zu machen? Und both ihm zu dem Ende alles an/ was in ſeinem Vermoͤgen waͤre. Der Edelmann/ nachdem er ein paar Seuffzer gelaſſen/ gab ihm zum Beſcheid: Die meiſte Urſache meiner Traurigkeit entſtehet da- her/ weil ich euch ſo wol bey Gelde ſehe/ nicht zwar/ daß ich es euch mißgoͤnne/ ſondern/ daß ich an meinen vorigen Zuſtand gedencke/ da ich von demſelben eben ſo lebete/ als ihr jetzund von eurem lebet/ weil ich aber allzufreygebig geweſen/ und das Geld ſehr wenig ge- achtet/ habe ich nun die Gelegenheit verlohren/ je- mahls darzu wieder zu gelangen; Dann/ mein Vat- ter/ welcher durch andere von meinem ungebundenen Leben berichtet worden/ ſchlieſſet mit Verſchlieſſung ſeines Beutels mir faſt gantz die Kehle zu/ und es ſie- het

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/320>, abgerufen am 22.11.2024.